Im beschaulichen Mannenbach am Untersee im Schweizer Kanton Thurgau, rund zwölf Kilometer westlich von Konstanz, scheint die Welt in Ordnung zu sein. Das Wetter ist gut – Spaziergänger, Radfahrer und Restaurantbesucher genießen die warme Aprilsonne.
Doch etwas ist trotzdem anders. Läuft man am Ufer entlang, steht dort ein Boot nach dem anderen, verpackt in graue und grüne Folien. Saisonstart? Sieht anders aus. Die Boote stehen buchstäblich auf dem Trockenen. Der Mannenbacher Hafen ist völlig ausgetrocknet. Wo eigentlich klares Bodenseewasser ans Ufer schwappen sollte, kommen hier eher Nordseegefühle auf. Der Hafen wirkt eher so, als könnte man hier wattwandern anstatt mit seinem Boot auf den Untersee hinausfahren.

Einen solch niedrigen Pegelstand hat er selbst noch nie erlebt, sagt Philemon Diggelmann, Abteilungsleiter Wasserbau im Umweltamt des Schweizer Kantons Thurgau.

Auch für viele seiner langjährigen Mitarbeiter sei der trockene Hafen ein absolutes Novum. „Sie sehen das zum ersten Mal, haben sie gesagt“, sagt Diggelmann.
Nach Messungen des Schweizer Umweltamts am Standort Berlingen, westlich von Mannenbach, war der Pegel dort zuletzt am 1. April 1972 mit 394,40 Meter über dem Meer so niedrig – jetzt sind es 394,55 Meter über dem Meeresspiegel.
Der Saisonstart am 13. April wird sich verzögern
Fehlender Schnee im Einzugsgebiet des Rheins und damit weniger Schmerzwasser aus den Alpen sei die Ursache. Dazu kommt der geringe Niederschlag in diesem Frühjahr – die Wetterprognose sieht weiterhin ungünstig aus. Laut Prognose bleibt Regen in den kommenden zehn Tagen aus und auch die Schmelzwassermenge dürfte sich nicht markant erhöhen. Man rechnet damit, dass der Pegel bis zum 11. April weiter auf circa 394,30 Meter sinken wird, sagt Diggelmann.
Diggelmann läuft am Ufer entlang und blickt auf den ausgetrockneten Hafen. Eigentlich sollte am 13. April die Saison losgehen und die jetzt auf dem Grund liegenden Boote eingewässert werden. Daraus wird jetzt wohl nichts – die Bootsanlieger müssen sich weiter gedulden, schätzt Diggelmann.
Bis das Hafenbecken wieder gefüllt ist, könnte es noch dauern, so Diggelmann. „Das ist ein sehr langsamer Prozess, bis das Wasser wieder steigt“, sagt der Schweizer. Laut Diggelmann bräuchte es mindestens ein so nasses Frühjahr wie im Vorjahr, damit sich der Mannenbacher Hafen schnell wieder füllt.

Der Wasserstand ist derzeit am gesamten Bodensee niedrig. Auch auf dem Obersee macht sich das bemerkbar, allerdings nicht so dramatisch wie auf dem Untersee. „Hier ist die Lage schon außergewöhnlich“, sagt Diggelmann.
Erklären kann er sich das nicht. Er glaubt aber, dass die Algen im Obersee einen stärkeren Abfluss durch den Seerhein bei Konstanz, der den Ober- und Untersee miteinander verbindet, verhindern. Einer der Hauptzubringer für das Wasser im Untersee ist nämlich der Obersee – „das System ist aber sehr träge“, sagt Diggelmann.
Diggelmann ist nicht ganz unbesorgt
Trotz des tristen Anblicks des ausgetrockneten Hafens bleibt Diggelmann gelassen. Grundsätzlich sei es so, dass vom Hafen in Mannenbach hauptsächlich Freizeitverkehr auf den See hinausfährt, sagt er. Für den rund 1500-Seelen-Ort ist der trockene Hafen also kein großer wirtschaftlicher Einschnitt.

Aktuell schränkt das fehlende Wasser also nur die Freizeitaktivitäten ein – und Vorteile hat der niedrige Pegelstand auch, zumindest für die Vögel, sagt Diggelmann.
Singschwäne und verschiedene Entenarten finden im schlammigen Ufer mehr Nahrung. Im niedrigen Wasserpegel können sie besser gründeln, sagt auch die Ornithologin Lisa Maier vom Nabu. Zwar benötigen einige Vogelarten wie Haubentaucher und Blesshühner überschwemmte Uferbereiche, um brüten zu können – dafür haben sie aber noch etwas Zeit.
Bodensee erwärmt sich schneller
Trotzdem ist Diggelmann nicht vollkommen unbesorgt. Je weniger Wasser der Bodensee hat, desto schneller erwärmt sich dieser auch. Die Konsequenzen eines zu warmen Sees können laut dem Abteilungsleiter im Schweizer Umweltamt dramatisch sein.
Eine warme Wassertemperatur ist insbesondere für Fischarten, die eine niedrige Komfortzone haben, was die Wassertemperatur angeht, gefährlich. Dazu gehören etwa die Äschen, sagt Diggelmann. Wenn der See zu warm ist, durchmischt er sich auch schlechter mit dem Tiefenwasser. Das kann zu weniger Sauerstoff führen, was negative Auswirkungen auf Organismen und die Wasserqualität hat, erklärt Diggelmann.
Auch der Hecht ist durch den aktuell niedrigen Pegel bedroht. Der Raubfisch laicht im überfluteten Schilfbereich. Aktuell ist das unmöglich für den Speisefisch und weniger Laich bedeutet weniger Hecht-Nachwuchs. „Für Berufsfischer, die auf den Hecht setzen, könnte das zum Problem werden“, sagt Diggelmann.