Wird der Frühlingsanfang am kommenden Sonntag, der 20. März 2022, der Tag 1 nach Corona werden? Wohl nicht – auch, wenn der Eindruck bei vielen Menschen herrscht. Denn noch nie waren die Infektionszahlen in Deutschland so hoch wie in diesen Tagen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und seine Experten warnen vor einer „ernsten Situation“ und verweisen darauf, dass weiter Menschen an dem Virus sterben – deutschlandweit zwischen 200 und 250 jeden Tag, allein in Baden-Württemberg sind es täglich zwischen 20 und 50 mit dem Virus in Zusammenhang stehende Todesopfer. Dennoch sollen am 20. März die meisten Beschränkungen fallen. Warum das so und wie es in Baden-Württemberg weitergehen soll.
Was gilt in Baden-Württemberg ab dem 20. März?
Fest steht bislang nur, dass es spätestens um Mitternacht am 19. März eine neue Corona-Verordnung des Landes geben muss, da die bisherige ausläuft. Das aktuelle Warnstufen-System in Baden-Württemberg, das die Maßnahmen unter anderem von der Zahl der Corona-Fälle auf Intensivstationen abhängig macht, fällt weg.
Auch die Obergrenzen für Besucher von Veranstaltungen – dies gilt als Kontaktbeschränkung, und Kontaktbeschränkungen sollen künftig wegfallen. Denn dafür gibt es vom 20. März an mit dem Auslaufen des bisherigen Infektionsschutzgesetzes auf Bundesebene keine Rechtsgrundlage mehr.
Fällt die Maskenpflicht?
Nein, vorerst nicht. Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) hat am Dienstagmittag in Stuttgart angekündigt, die Maskenpflicht in Innenräumen – was vor allem auch die Schulen betrifft – in Baden-Württemberg bis zum 2. April aufrechtzuerhalten. Diese Übergangsregelung hat der Bund den Ländern bereits eingeräumt. Dies soll dann vermutlich ebenfalls für Geschäfte, Kinos, Veranstaltungen und andere öffentliche Innenräume gelten.
Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) sagte am Nachmittag gegenüber dem SÜDKURIER, dass das Land die vom Bund vorgesehene Übergangsregel maximal dazu nutzen werde, die bisherigen Maßnahmen so weit als möglich aufrechtzuerhalten.
Was ist mit Zügen und dem öffentlichen Nahverkehr?
Hier gilt in jedem Fall die Maskenpflicht weiter. Dies hat der Bund bereits in seinem Entwurf vorgesehen.
Was ist mit der 3G-Regel?
Auch dies soll nach Auskunft von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) vom Dienstag in Baden-Württemberg etwa in Restaurants weitergeführt werden. Ebenso soll die 2G-plus-Regel für Diskotheken und Clubs mindestens bis zum 2. April weiter gelten. Darüber gebe es in der internen Abstimmung der Landesregierung und mit den Regierungsfraktionen bereits Einigkeit.
Besteht weiterhin eine Testpflicht an Schulen, in Heimen und Krankenhäusern?
Ja. Dies gehört zum Basisschutz, den der Bund auch weiter vorsieht.
Was passiert, wenn sich die Intensivstationen der Krankhäuser wieder füllen?
Für diesen Fall – Überlastung des Gesundheitswesens oder Verbreitung einer neuen gefährlichen Virusvariante – können die Bundesländer künftig Hotspots definieren und für diese wieder weitergehende Maßnahmen beschließen. Dann allerdings müsste zuvor das Landesparlament zustimmen.
Die baden-württembergische Landesregierung hat dieses Prozedere bereits mehrfach scharf kritisiert. „Wir sind nicht zufrieden damit, dass der Bund die Verantwortung den Ländern zuschiebt, ohne dass wir eine Instrumentenkasten zur Verfügung haben“, sagte Strobl am Dienstag in Stuttgart. Unter vielen Bundesländern gebe es eine große Einigkeit, so Strobl, dass die neue Bundesgesetzgebung absolut unzureichend sei. „Das reicht bei weitem nicht aus und schiebt die Verantwortung in verantwortungsloser Weise auf die Länder.“
Bayern will sich vorsorglich ganz zum Hotspot erklären, um die Schutzmaßnahmen aufrecht erhalten zu können. Warum macht Baden-Württemberg das nicht auch?
Dazu Sozialminister Lucha: „Wir machen hier nichts anderes, sondern verlängern an Maßnahmen, was wir rechtssicher verlängern können. Der Bundesgesundheitsminister hat uns ja praktisch dazu aufgerufen“, sagte Lucha. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte an die Länder appelliert, ab dem 2. April die neuen Hotspot-Regelungen zu nutzen, um das Geschehen in den Griff zu bekommen. „Das können sie – und das kann zur Not auch darauf hinauslaufen, dass wenn die Situation in einem ganzen Bundesland so prekär ist, dass ein ganzes Bundesland sich zum Hotspot erklärt, wie das jetzt zum Beispiel Bayern überlegt“, so Lauterbach.
Warum steht vier Tage zuvor noch nicht fest, was genau ab Sonntag im Südwesten gilt?
Das liegt an der Bundesregierung und dem Bundestag. Alle Corona-Verordnungen der Bundesländer beruhen auf dem Infektionsschutzgesetz des Bundes als Rechtsgrundlage. Erst dieses Gesetz ermöglichte befristet tiefgreifende Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. Dieses läuft am 19. März aus und wird durch eine Nachfolgeregelung ersetzt. Dafür gibt es einen Entwurf, der derzeit auf Bundesebene noch im Umlauf ist und erst an diesem Freitag abschließend vom Bundestag beschlossen werden soll.
Theoretisch könnte sich noch etwas ändern. Die erste Lesung ist am Mittwoch. Es könnte sich unter Umständen auf den letzten Metern auch noch etwas ändern, zumal am Donnerstag erneut die Ministerpräsidentenkonferenz dazu tagt. Die Länder haben aber über den Bundesrat kein Einspruchsrecht, könnten den Entwurf also nicht selbst stoppen.
Aber erst auf der Grundlage des neuen Infektionsschutzgesetzes – das erst am Freitag erst feststeht – kann Baden-Württemberg seine neue Corona-Verordnung erlassen.