Die EU will den Abschuss problematischer Wölfe erleichtern, aber Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) rechnet nicht damit, dass sich in Baden-Württemberg kurzfristig etwas ändert. Der Koalitionspartner CDU fordert dagegen schnell neue Regeln.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte in dieser Woche ihren Widerstand gegen eine Absenkung des Schutzstatus für Wölfe aufgegeben. In der Folge haben die ständigen Vertreter der 27 EU-Staaten eine qualifizierte Mehrheit für den Vorstoß von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) zusammenbekommen: Der Wolf soll künftig statt streng geschützt nur noch geschützt sein. Das weitere Vorgehen auf EU-Ebene gilt als Formsache.
Der Abschuss ist nur eine Option
Bis Baden-Württemberg seinen Umgang mit Wölfen anpassen kann, müssen allerdings auch noch die FFH-Richtlinie und das Bundesnaturschutzgesetz geändert werden. „Alle Beteiligten wollen Klarheit, wann problematische Wölfe rechtssicher bejagt werden können“, teilte die Pressestelle von Umweltministerin Walker auf Anfrage mit. „Die Entscheidung auf EU-Ebene ist dazu ein Startpunkt, der Prozess wird aber noch lange dauern.“
Der Abschuss werde zudem immer nur eine Option bei problematischen Einzelfällen sein, „weil Erleichterungen beim Abschuss von problematischen Wölfen absehbar auf Länder mit großen Vorkommen zielen“. Baden-Württemberg habe derzeit drei sesshafte Wölfe bei einer Fläche von knapp 36.000 Quadratkilometern. „Bei diesen Verhältnissen wird auch die Jagd auf eine nur geschützte Art nicht generell möglich sein. Ziel der EU bleibt der günstige Erhaltungszustand der Art Wolf.“

Aus Sorge um die kleinteilige Weidewirtschaft, die im Schwarzwald wie auf der Schwäbischen Alb ökologisch besonders wertvolle Landschaften sichert, hatte Walkers Amtsvorgänger Franz Untersteller (Grüne) die EU-Kommission schon 2019 gebeten, Lockerungen zu prüfen: Wo es um Biodiversität geht und zumutbarer Herdenschutz etwa aufgrund von Steillagen nicht funktioniert, sollten Abschüsse leichter möglich sein. Untersteller war damals gescheitert.
„Die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes ist ein längst überfälliger Schritt und kann nur ein Anfang sein.“Peter Hauk, Agrarminister Peter Hauk
Der Koalitionspartner CDU reagierte jetzt erfreut auf die Nachricht aus Brüssel und Berlin. „Die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes ist ein längst überfälliger Schritt und kann nur ein Anfang sein“, sagte Agrarminister Peter Hauk (CDU). Die gegenwärtige Abschussregelung der Bundesumweltministerin für Problemwölfe sei praxisfern und wirkungslos. „Um bei Entnahmen schnell und professionell reagieren können, muss im Zuge der Herabstufung des Schutzstatus auch in Baden-Württemberg der Wolf endlich in das Jagdrecht überführt werden.“
Wolf im Nordschwarzwald hat mehr 120 Nutztiere gerissen
„Dass sich beim Schutzstatus des Wolfs etwas tut, war längst überfällig“, erklärte auch die jagd- und forstpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Sarah Schweizer. „Wenn ein Wolf wie der Rüde GW852m im Nordschwarzwald mittlerweile nachweislich mehr als 120 Schafe und Ziegen gerissen hat und immer noch nicht entnommen werden kann, zeigt das doch, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Was wir brauchen, sind klare, praxistaugliche Regeln für eine rechtssichere Entnahme und die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht.“
Schweizer hatte 2023 Jahr beim Umweltministerium abgefragt, wie viele Nutztierrisse sich zweifelsfrei den beiden Tieren des damals im südlichen Schwarzwald lebenden Wolfspaares und dem im Nordschwarzwald ansässigen einzelnen Wolfsrüden zuordnen ließen.

Im Südschwarzwald hatte der Rüde mit der Bezeichnung GW1129m damals bei fünf Übergriffen sieben Rinder getötet oder verletzt. Die seither überfahrene Fähe GW2407f hatte bei vier Übergriffen 20 Schafe und Ziegen getötet oder verletzt. Da diese beiden Wölfe zusammen einen inzwischen ebenfalls überfahrenen Welpen gezeugt hatten, hatte für sie zeitweise auch Elternschutz gegolten.
Im Nordschwarzwald hat der Einzelgänger mit der Bezeichnung GW852m seit 2017 bis zu diesem Sommer bei 30 Übergriffen 128 Schafe und Ziegen getötet oder verletzt. Dass speziell dieser Wolf bislang trotzdem nicht zum Abschuss freigegeben wurde, hängt mit den rechtlichen Vorgaben zusammen.
Voraussetzung für die Tötung ist ein wiederholter Angriff in engem zeitlichen und räumlichen Abstand, außerdem muss ein zumutbarer Herdenschutz vorhanden gewesen sein. Kritiker verdächtigen die Behörden, bei der Prüfung von Schutzzäunen allzu korrekt vorzugehen, sodass manche Wolfsangriffe nicht auf das Sündenregister des Tieres einzahlten, obwohl es Umzäunungen gab.
Das Umweltministerium verweist aber auch auf eine Bewertung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom Mai 2023. Es geht darin um ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, in dem als „enger zeitlicher Zusammenhang des Rissereignisses“ im Regelfall maximal vier Wochen definiert wurden.
Das bedeutet: Ein Problemwolf, der nach einem Übergriff angezählt ist, hat nach vier Wochen wieder eine weiße Weste. Entsprechend wurde offenbar auch der Wolf im Nordschwarzwald bislang nicht als schadstiftendes Exemplar eingestuft, obwohl er eine dreistellige Zahl von Nutztieren getötet oder verletzt hat. Seit 2023 ist dort ein weiterer Rüde sesshaft geworden. Das Tier mit der Bezeichnung GW2672m ist aus Österreich zugewandert.