Man sieht sie in diesen Wochen wieder häufiger: Menschen mit Masken in der Bahn, hustende Kollegen im Büro und positive Corona-Tests. Pünktlich zur kalten Jahreszeit steigen die Zahlen der Corona-Infektionen wieder an.
Das belegen die Zahlen aus dem Bericht zur Lage der akut respiratorischen Erkrankungen (ARE-Bericht) des Robert Koch-Instituts (RKI). In der dritten Novemberwoche wurden dem RKI 22.094 Covid-19-Infektionen gemeldet, Anfang Oktober waren es noch 12.976 Fälle gewesen.
Mehr Menschen intensivmedizinisch betreut
In Baden-Württemberg stellt das Landesgesundheitsamt zudem einen leichten Anstieg von Corona-Patienten auf den Intensivstationen fest: Laut der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) werden in Baden-Württemberg derzeit 86 Covid-19-Patienten intensivmedizinisch betreut. Anfang Oktober waren es noch 23.
Doch die aktuellen Zahlen beschreiben die tatsächliche Infektionslage nur schlecht. Zwar sind Covid-19-Infektionen laut Infektionsschutzgesetz weiterhin meldepflichtig. Das bedeutet, dass etwa Arztpraxen die Infektionen den Gesundheitsämtern übermitteln müssen.
Allerdings sind diese Zahlen nicht mehr aussagekräftig: „Aktuell gibt es keine Teststellen mehr und Testungen in den Arztpraxen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen werden nur noch bei besonderer medizinischer Notwendigkeit durchgeführt“, sagt Susanne Haag-Milz, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit im Landkreis Sigmaringen.
Wer einen positiven Selbsttest durchführe, melde diesen nicht an das Gesundheitsamt. „Die allermeisten Fälle von Covid-19-Erkrankungen werden somit nicht mehr einzeln statistisch erfasst“, sagt Haag-Milz. Daher veröffentlichen die Landkreise keine Inzidenzen mehr.
Hohe Dunkelziffer vermutet
„Es ist eine sehr hohe Dunkelziffer zu erwarten“, sagt Martin Stürmer, Virologe und Laborleiter aus Frankfurt am Main. Das RKI untersucht im ARE-Bericht stichprobenartig, welchen Anteil Covid-19 an den aktuellen respiratorischen Erkrankungen hat.
Zuletzt seien die häufigsten Erreger Rhinoviren gewesen, die eine typische Erkältung auslösen. Sars-CoV-2, der Auslöser für Corona-Infektionen, stehe an Platz zwei. „Diese Ergebnisse sind jedoch nicht repräsentativ, da sie keinen Querschnitt durch die Bevölkerung abbilden“, sagt Virologe Stürmer.

Eine verlässlichere Quelle sei daher das sogenannte SentiSurv-Projekt der Universitätsmedizin Mainz, so Stürmer. Dort berechnen Experten die Inzidenz in Rheinland-Pfalz inklusive Dunkelziffer. „Auf Basis dieser Berechnungen können wir von einer derzeitigen Inzidenz von 1900 ausgehen“, sagt Martin Stürmer. Das würde in etwa der Inzidenz im März 2022 entsprechen, als die meisten Corona-Fälle gemeldet wurden.
Die aktuelle Lage ist aber nicht mit der damaligen zu vergleichen: Im März 2022 meldete die Divi 274 Patienten auf den Intensivstationen in Baden-Württemberg. Die meisten intensivmedizinisch behandelten Corona-Fälle wurden im Dezember 2021 mit 661 Personen verzeichnet. Zur Erinnerung: Aktuell sind es 86.
Neue Varianten mit neuen Symptomen
Die aktuell vorherrschende Variante in Deutschland trägt den Namen Eris. Es handelt sich um eine Omikron-Subvariante. „Eris ist sehr ansteckend, aber klinisch harmlos“, sagt Stürmer. Das bedeutet, dass Patienten nicht so häufig ins Krankenhaus müssen, wenn sie sich mit dieser Variante anstecken.
Eine weitere Omikron-Subvariante heißt Pirola. Sie ist noch nicht so weit verbreitet wie Eris und gilt als weniger ansteckend. Pirola bringt neue Symptome mit sich. Neben den üblichen Symptomen seien auch Durchfall oder Entzündungen im Mundraum möglich, sagt Stürmer.
Wie sich die Corona-Infektion bei den Betroffenen äußere, sei weiterhin sehr individuell. „Die meisten Menschen müssen zwar nicht mehr ins Krankenhaus, aber viele sind trotzdem krank, und zwar so richtig“, so Stürmer.
Der Experte beobachtet außerdem, dass die Grippe-Saison anläuft. Wenn die Corona-Zahlen weiterhin hoch bleiben, führe das zu einem hohen Krankenstand: „Dann könnte es zu Problemen in der Infrastruktur kommen.“
Lage in Krankenhäusern noch entspannt
Wer sich jetzt krank fühlt, sollte besser zu Hause bleiben und beim Einkaufen eine Maske tragen. „Von einer generellen Maskenempfehlung würde ich aber absehen“, sagt Stürmer. Er rechnet allerdings damit, dass viele Arztpraxen und Krankenhäuser in den nächsten Wochen eine Maskenpflicht in ihren Räumlichkeiten einrichten werden.
Die wichtigsten Fragen rund um das Coronavirus
In den Krankenhäusern der Region ist die Lage noch weitgehend entspannt: Im Klinikum Konstanz werden derzeit acht Patienten mit Sars-CoV-2 betreut, im Hegau-Bodensee-Klinikum Singen sind es zehn. Zwei Personen werden im Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz intensivmedizinisch betreut.
Doch Dr. Stefan Bushuven, Chefarzt des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention im Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, rechnet in der kommenden Zeit mit mehr Infektionen. „Wie in jedem Winter muss mit dem Auftreten von Influenza-Viren sowie im Kinderbereich von klassischen Atemwegsinfektionen durch RS-Viren gerechnet werden.“

Schwere Verläufe seien selten. „Die Infektionserkrankungen bedingen jedoch weiterhin teils erhebliche Personalausfälle in allen Bereichen der Gesellschaft sowie den medizinischen Sektoren“, sagt Bushuven. Daher sei es wichtig, dass gefährdete Personengruppen sich impfen lassen und Menschen mit Krankheitssymptomen eine Gesichtsmaske tragen würden.