Pater Kretz, würden Sie zum Beispiel ein lesbisches Paar segnen, wenn Sie von den beiden Frauen darum gebeten werden?

Ich muss die Leute und ihre Geschichte kennen. Wenn ich diese kennengelernt habe, dann bin ich zur Segnung einer solchen Partnerschaft bereit. Wenn ich spüre, dass es Menschen mit homosexueller Anlage sind, die von der Kirche für ihr Leben gesegnet werden wollen, werde ich doch nicht Nein sagen. Sie haben sich diese Veranlagung so wenig ausgesucht wie ich meine Veranlagung.

Der Vatikan lehnt dies ausdrücklich ab. In einer Erklärung hieß es erst vor einigen Tagen, man „kann „Sünde nicht segnen.“

Ich kann diese Vorgabe nicht verstehen. In einer Predigt sprach ich kürzlich darüber, was ein Priester alles segnen darf. Ich darf Kinder segnen und Weihwasser, ich darf Heiligenbilder, eine Brücke, ein Haus segnen. Ich darf über Tiere, eine Sozialstation, eine Bank, eine Kläranlage, ein Wirtshaus den Segen sprechen. Und Menschen soll ich nicht segnen dürfen? Das geht mir nicht in den Kopf.

Wie kommt diese Aussage in Rom zustande?

Die Erklärung aus Rom ist – formal gesehen – eine Antwort. Jemand aus dem deutschen Raum muss eine Frage an den Vatikan geschickt haben mit der Bitte um Aufklärung. Möglicherweise kommt die Anfrage aus einer bestimmten Richtung, die sich daran stört, dass Geistliche diesen Segen längst spenden. Mir erscheint diese Antwort wie eine Verordnung auf Bestellung. Aber was bringt das? Die Kirche steckt in einer Lage, in der sie Sachverhalte nicht über Verordnungen regeln sollte. Menschen wollen begleitet werden. Diese Menschen ringen – und wir Seelsorger sollen sie alleine lassen?

Sie sprechen hier als Seelsorger, als Mann der Praxis...

... ja, und ich bewege mich auf der Linie von Jesus, der immer auf den konkreten Menschen schaut und auf ihn eingeht. Deshalb sind mir Vorgespräche vor einer Trauung oder Segnung so wichtig. Nur so kann ich mich in den jeweiligen Menschen oder das Paar hineindenken und es verstehen.

Was bedeutet Segen eigentlich?

Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Gutes zusagen von Gott her.“ Man wünscht sich, dass dieses gemeinsame Leben gelingt. Wer verlangt nach einem solchen Segen? Das sind doch noch immer Menschen, denen der Glaube noch wichtig ist und die darin leben. Wer den Segen erbittet, dem liegt etwas an seiner Kirche. Wenn das so ist, kann ich nicht hergehen und einfach sagen: „Nein, das bekommt ihr nicht.“ Das wäre unmenschlich.