Selten erhält ein Pfarrer einen lautstark aufbrandenden Applaus für seine Predigt. Am vergangenen Sonntag war es für Armin Nagel so weit: Nach seiner leidenschaftlichen Ansprache über eine gerechte Kirche erntete der katholische Priester Beifall von Gläubigen – aus den hinteren, sonst stillen Sitzreihen ebenso wie von Ministranten.

Der Theologe im Dekanat Konstanz hatte sich klar gegen eine Anweisung positioniert, die der Vatikan vor einigen Tagen veröffentlicht hatte. Dort wird der kirchliche Segen für gleichgeschlechtliche Paare strikt untersagt. Armin Nagel wird dieser Anweisung nicht folgen, wie er in seiner Predigt ankündigte. Er wird Männer oder Frauen segnen, wenn sie das wünschen.
Die Schlagzeilen machten ihn fassungslos
Nagel leitet die katholische Seelsorgeeinheit auf dem Bodanrück, er ist zuständig für die Gemeinden in Litzelstetten, Dingelsdorf, Dettingen sowie die Schlosskirche auf der Insel Mainau. Anlass für seine Brandpredigt waren die Ereignisse der letzten Tage im Erzbistum Köln.
„Die Schlagzeilen der diese Woche haben mich fassungslos gemacht“, sagt er. Er bezog es einmal auf Köln, dann – als zweites – auf den Schriftsatz aus der römischen Glaubenskongregation, der gleichgeschlechtliche Sexualität als Sünde brandmarkt und ihr einen kirchlichen Segen weiter verweigern will.
Wer Tiere segnet, darf auch Menschen segnen
Nagel wörtlich: „Ich werde Menschen nicht abweisen, die um den Segen Gottes bitten.“ Er werde diesen Akt vollziehen, unabhängig von der Hautfarbe eines Menschen oder seiner sexuellen Orientierung. Der beliebte Priester führt noch ein Argument für diese Form der Zuwendung an: Wenn Feuerwehrautos, Häuser oder Tiere gesegnet würden, dann müssten erst recht Menschen diese Wohltat zugute kommen – ohne Wertung ihrer erotischen Orientierung.
Der Priester geht noch einen Schritt weiter, er äußerte zur Sexualmoral: „Die Kirche muss aufhören, in die Schlafzimmer der Menschen schauen zu wollen.“ Sein Angebot an lesbische oder homosexuelle Paare steht: „Ich werde der Instruktion nicht folgen.“ Die katholische Kirche als „Oberlehrerin“ werde von den Menschen nicht mehr akzeptiert – von ihm auch nicht.
Sie finden die Predigt von Armin Nagel hier im Video – sie beginnt ab Minute 19:20.
Bittere Randnote: Kardinal Luis Ladaria, der die verantwortliche Glaubenskongregation leitet, war der Professor, bei dem Armin Nagel während seiner Semester in Rom studierte.

Der Freiburger Erzbischof spricht von „bekannten Positionen“
Im Erzbistum sieht man solche lokale Initiativen durchaus kritisch. Stephan Burger kündigte an, dass er die römische Anweisung befolgen werde. Wörtlich teilte er auf Anfrage mit: „Die Erzdiözese Freiburg ist Teil der katholischen Weltkirche, daher gelten die Bestimmungen auch für uns. Die Rückmeldungen zur Antwort der Glaubenskongregation nehme ich sehr ernst, auch und gerade, wenn die Glaubenskongregation hier nichts Neues bestimmt, sondern nur bereits bekannte Positionen bekräftigt.“
Nach diesen grundsätzlichen Sätzen beschreibt er den praktischen Umgang mit dem römischen „Nein“. Man kann die folgenden Sätze als Handlungsspielraum deuten, den er seinen Pfarrern vor Ort einräumt.
In seiner Stellungnahme heißt es also: „Ich gehe davon aus, dass die Seelsorger in der Erzdiözese auf dieser Basis kluge und verantwortungsbewusste Seelsorge betreiben. Sollten offiziell Verstöße angezeigt werden, würde zunächst das Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht werden.“
Paul Wehrle: Der Segen gilt allen
Der Spielraum von Weihbischof Paul Wehrle, 80, ist ungleich größer. Er werde seine als liberal bekannte Haltung nicht ändern, sagt er am Telefon. In seiner aktiven Zeit erhielt der hohe Geistliche immer wieder Anfragen von gleichgeschlechtlich Liebenden.

„Ja, ich spendete einige Male den Segen, nachdem ich mit beiden Partnern ein Vorgespräch geführt habe. Das war mir wichtig“, sagt der emeritierte Weihbischof, der im Ruhestand in Liggeringen wohnt – nur einige Kilometer von Armin Nagel entfernt. Wehrle erklärt seine offene Haltung so: „Der Segen Gottes gilt der ganzen Schöpfung in allen ihren Gestalten.“
Die pastorale Basis startet eine Petition
Noch ein prominenter Seelsorger meldet sich in der Debatte zu Wort. „Diese römische Erklärung ist in Form und Inhalt völlig inakzeptabel und ich hoffe sehr, dass viele Seelsorgerinnen und Seelsorger deutlich vernehmbar sich dieser Instruktion verweigern“, versicherte Peter Stengele, der zuletzt als Priester am Kloster Hegne wirkte.

Stengele hat auch eine Petition unterschrieben, die seit einigen Tagen kursiert und deren Unterschriftenliste immer länger wird. Die Petition (Bittschrift) wurde von den katholischen Pfarrern Bernd Mönkebüscher und Burkhard Hose gestartet, um gegen das Schreiben aus Rom zu mobilisieren. Knapp 2000 Namen kamen bis Montag zusammen. Priester und Gemeindereferentinnen, Diakone und Pastoralassistenten kündigen an, weiter schwule und lesbische Paare segnen zu wollen, wenn diese das wünschen.
„Paternalistischer Gestus der Überlegenheit“
Vernichtend ist der Brief, den etwa 200 deutschsprachige Theologen geschrieben und unterzeichnet haben. Darin wird dem vatikanischen Papier folgendes bescheinigt: „Es mangelt es an theologischer Tiefe, an hermeneutischem Verständnis sowie an argumentativer Stringenz. Werden wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und nicht rezipiert, wie es in dem Dokument der Fall ist, untergräbt das Lehramt seine eigene Autorität.“
Kritik üben die Gelehrten auch an der fehlenden gleichen Augenhöhe, die das Dokument zwischen den Zeilen vermittle. Sie schreiben deshalb: „Der Text ist von einem paternalistischen Gestus der Überlegenheit geprägt. Er diskriminiert homosexuelle Menschen und ihre Lebensentwürfe.“