So viel steht fest: Die Fasnacht wird im kommenden Jahr anders werden. Und sie wird, zum Leidwesen manches Muffels, dennoch stattfinden. Nach langem Ringen haben die Präsidenten der Narrenvereine die großen Veranstaltungen abgesagt. Es wird keine Narrensprünge, Treffen oder Bälle geben. Doch die Fasnacht als solche kann man weder aus dem Kalender löschen noch aus den Köpfen.

Narretei mit Mundschutz wäre keine Alternative. Die Umzüge und Bälle werden 2021 ohnehin ausfallen.
Narretei mit Mundschutz wäre keine Alternative. Die Umzüge und Bälle werden 2021 ohnehin ausfallen. | Bild: Fricker, Ulrich

Neubürgern oder Einwanderern zum Beispiel aus Berlin wird dies merkwürdig erscheinen, sogar paradox: Wenn man die Schule ausfallen lässt oder ein Restaurant schließt, kann man auch auf das Maskentreiben verzichten. Doch so einfach geht es nicht.

Fasnacht ist keine Ein-Aus-Veranstaltung und kein aufgesetzter Karneval der Kulturen, sondern tief verwurzelt. Sie ist selbst hoch ansteckend und schwer heilbar. Wer sich den närrischen Virus eingefangen hat, wird ihn so schnell nicht los.

Mehr als 700 Vereine sind betroffen

Das erklärt auch, weshalb die Zunftmeister der etwa 700 organisierten Vereine im Südwesten nicht alles absagten. Sie machten sich die Entscheidung schwer, immer in der Hoffnung auf dauerhafte Besserung der Pandemie.

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Die spannende Frage bleibt: Wie wird die kommende Saison aussehen? Hat sie überhaupt ein Gesicht? Die Fasnacht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Event entwickelt, das Massen mobilisieren kann. Vor allem die Narrentreffen waren auf beeindruckende Zahlen ausgerichtet, wie es zuletzt die Überlinger bewiesen.

Diese Bilder sind vorerst Vergangenheit. Schunkelnde Menschen am Straßenrand und volle Besenwirtschaften – das wirkt inzwischen wie ein Foto aus grauer Vorzeit. Die unbeschwerten Aerosol-Party mit allernächsten Kontakten, all das war einmal.

Die Narren gehen privat

Nun ist etwas gefragt, was in der Guinness-Routine des „Größer, bunter, schöner“ der vergangenen Jahr nahezu unterging: die Kreativität im Kleinen. Die Narren brauchen frische Ideen, um die alte Tradition in neue Gewänder zu kleiden. Coronabedingt fallen Saal, Straße und Halle aus. Die Fasnacht wird im kommenden Jahr privatisieren.

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Den Brauchtumsvereinen wird das einiges abverlangen. Bisher erwies sich das jährliche Fortschreiben von Bällen und Umzügen als Erfolgsmodell. Es war ein Selbstläufer, der mit dem Wirtschaftswunder nach 1945 wuchs. Das Anfertigen von neuem Häs, von frischen Uniformen für die Musiker, den Besuch von Wirtshäusern und Bars – all das brachte die Nachkriegs-Fasnacht auf. Für Familien entwickelte sich das Maskentreiben zum teuersten Wochenende des Jahres.

Weniger Kostümschau

Womöglich bietet die kommende Saison eine Retro-Chance. Zurück zu den Wurzeln, zu einer Fasnacht also, wie sie noch vor zwei Generationen gefeiert wurde. Vielfach war sie familiär geprägt, fand also in den Häusern statt zwischen Wohnküche und Wohnzimmer. Sie war weit weniger materiell geprägt und nicht Kostümschau wie heute. Konsumiert wurden eigener Speck und Selbstgebackenes.

Doch selbst die kleinen Varianten sind vorläufig gedacht. Nach gesundheitlicher Lage können auch diese zierlichen Formen ins Wasser ausfallen.

Es spricht aber für die vielen Ehrenamtlichen in den Vereinen, dass sie die Hoffnung nicht verfrüht aufgeben und den Narrenmarsch vorzeitig abblasen. Das würde auch nicht zum Geist der fünften Jahreszeit passen. Sie steht nun einmal im Kalender, bahnt den Frühling an und kündigt Ostern an.

Kein Vergleich mit dem Weihnachtsmarkt

Bei der Fasnacht geht es nicht um ein aufgeblasenes Remmidemmi. Sie ist auch nicht mit den sogenannten Weihnachtsmärkten vergleichbar, die immer mehr zum verkappten Sonderverkauf mit erhitztem Billigwein werden und zu deren Untermalung dann Blockflötenkinder fröhliche Weisen aufspielen.

Fasnacht hat mehr Substanz. Für die damit Angesteckten steht sie für einen Teil des alemannischen Erbguts. Auch wenn sie von offizieller Seite abgesagt wird, würde sich doch der eine oder andere aus dem Haus stehlen und rein zufällig auf Gesinnungsgenossinnen treffen. Und schon bräche eine Miniatur von Fasnacht aus, ohne dass es jemand gewollt hätte. Aber geahnt.