Das Kloster Zoffingen gehört zu den stillen Tipps in der Konstanzer Altstadt. Wer vom Münsterhügel hinab zur Spitalkellerei geht, kommt direkt an dem kleinen Kloster vorbei, der dem Orden der Dominikanerinnen gehört. Der verwinkelte Komplex ist nur schwer als Kloster erkennbar, so eng verbaut und verschachtelt sind die Gebäude, deren älteste aus dem 14. Jahrhundert stammen. Nur der kleine Kirchturm zeigt an, dass hier ein religiöser Ort ist.
Die Stille des Ortes lässt sich auch an Zahlen ablesen: Sieben Schwestern wohnen und beten noch hier. Die jüngste ist 70, die älteste 94 Jahre alt. Als Martina Amrhein, eine gebürtige Konstanzerin, eintrat, zählte der Konvent noch 52 Schwestern. Seitdem werden es regelmäßig weniger, und das ohne Aussicht auf eine Trendwende. „Nachwuchs können wir uns abschminken,“ sagt Schwester Martina unverblümt. Abschminken! Sie weiß, dass religiöse Disziplin innerhalb eines Klosters nicht dem Zeitgeist entspricht. „Frauen wollen heute nicht mehr in Gehorsam leben,“ sagt sie.

Auf einer Tafel wird an die Toten erinnert
Die energische Frau ist die Priorin (Leiterin) des Klosters. In diesem Wahlamt trägt sie die letzte Verantwortung für Kloster und für die Mitschwestern, die immer weniger werden. In einem der vielen Gänge hängt eine große weiße Tafel. Jede Verstorbene wird mit Name und Amt feierlich aufgeschrieben. So erinnern sich die Lebenden immer an ihre Vorgängerinnen. Bei jedem Todesfall wird die Liste länger und der Leerraum weniger.

Die Priorin hat schon viel erlebt. Die Blütezeit und vor allem die florierende Mädchenschule, die weit über die Stadt hinaus bekannt war. Vor einigen Jahren mussten die Dominikanerinnen den Betrieb einstellen. Nur das alte Emailleschild hat überlebt, aus nostalgischen Gründen hängt es an einem der Gebäude. Am Ende konnten sie auch mit weltlichen Kräften die Schule nicht mehr stemmen. Das Gelände verkauften sie an die Caritas, derzeit entsteht dort ein Alters- und Pflegeheim.

Schwester Martina, 79, und ihre Mitschwestern verfolgen das mit Wehmut. Die meisten waren selbst als Lehrerinnen an der eigenen Schule aktiv, die Priorin war zuletzt Schulleiterin. Generationen von Schülerinnen saßen in Bänken vor den Klosterfrauen im charakteristischen schwarz-weißen Ordenskleid. Auch wenn es eine christliche Schule war, wurden auch muslimische Kinder aufgenommen. Das war nie ein Thema. Die ehemalige Rektorin erinnert sich lebhaft an den Religionsunterricht, an dem diese Mädchen ohne Probleme teilnahmen.
So lange bleiben, wie es nur geht
Dann steht die Zukunftsfrage im Raum. Wie geht es weiter? Die Priorin antwortet mit einem Satz, den sie sicherlich nicht das erste Mal auspackt: „Wir wollen so lange bleiben, wie es nur geht.“ Sie wollen das angestammte Kloster halten, so lange es nur geht. Seit der Stauferzeit (1257) sitzen hier Klosterfrauen, da hört man nicht ohne Weiteres auf. Tradition verpflichtet. Und dann? Es gibt einen Plan B, der schon in die Wege geleitet wird: Am Stadtrand besitzt die Klostergemeinschaft einen Weinberg mit Rebhaus. In dieses landwirtschaftliche Anwesen können sich die verbleibenden Mitglieder eines Tages zurückziehen.

Die Priorin tröstet immerhin, dass ihr Kloster immer Schwankungen unterworfen war. Innerhalb der geistlichen Gemeinschaften in der Stadt galt Zoffingen stets als arm. Es war gegründet worden von rebellischen Frauen, die im Mittelalter unabhängig von männlicher Bevormundung leben wollten – den Beginen. Später wurde dieses religiöse Frauenhaus, wenn auch halb widerstrebend, dem Orden der Dominikanerinnen einverleibt. Zu Reichtum oder einer extravaganten Kirche hat es diese Niederlassung nie gebracht, wohl aber zu einem beschaulichen, soliden Leben innerhalb der schützenden Mauern.
Irgendwie hat diese Gemeinschaft immer wieder überlebt. Ein Kniff war zum Beispiel der Aufbau einer eigenen Schule – damit entging der Konvent der drohenden Schließung im Zug der Josephinischen Reformen im 18. Jahrhundert. Der damalige Kaiser ließ alle Klöster zusperren, die in seinen Augen nicht gemeinnützig ausgerichtet waren. Also fingen die Dominikanerinnen mit dem Unterrichten von Mädchen an. Damals überlebten sie durch Anpassung. Auch die Coronakise haben sie gut gemeistert und sich komplett hinter die Mauern ihres Klosters zurückgezogen. Das Kloster ist die perfekte Quarantäne – nur gegen das Alter schützt es nicht.