Marco Knöpfle (56) wollte in seiner Jugend Rennfahrer werden. Damals hingen in seinem Zimmer Poster von schnellen Autos. Doch dann starben zwei Menschen, die er gut kannte, als Fahrer in der Formel 2. Der eine war 23, der andere 28. Das war die Wende.
„Ich habe mich ins Rad als Verkehrsmittel verliebt.“ Knöpfle wurde Radaktivist und Pionier der Transportrad-Initiative (TINK). Dem Verleih-System für Lastenräder haben sich schon 30 Kommunen angeschlossen. Marco Knöpfle will die Mobilität für alle umsetzen, „nicht nur für die im Blechkasten“, wie er das Auto spöttisch nennt.
Über die Alpen und bis nach Rom
Für den Konstanzer ist es von Kind auf selbstverständlich, auf dem Radsattel zu sitzen. Während die meisten seiner Altersgenossen den Führerschein machten, kaufte er sich ein Reiserad mit 18 Gängen. Damit radelte er von München über die Alpen bis nach Rom.
Als einer zu ihm sagte, ein Führerschein sei genauso wichtig wie das Abitur, spornte ihn das nur noch mehr an: Er wollte beweisen, dass man kein Auto braucht, um in diesem Land beruflich voranzukommen. Es ist ihm gelungen.
Prophet der Lastenrad-Ausleihe
Der heutige Umweltpsychologe wirkte mit beim Aufbau der führenden europäischen Bewegung für nachhaltigen Campingtourismus, und er wurde zum Propheten der Lastenrad-Ausleihe. Das spart immens Geld, denn ein Lastenrad kostet zwischen 3000 und 6000 Euro.
Konstanz und Norderstedt gehörten 2015/2016 zu den Pionieren. Bis heute stehen in Konstanz Lastenräder mit Namen wie „Sprudel Sprinter“ bereit. Viele Kunden lassen dafür das Auto stehen. Das ist für Knöpfle der richtige Ansatz: Man müsse so viele Zugänge für die Mobilität schaffen, dass man freiwillig nicht mehr ins Auto steige.
Wenn Parkplätze zu Spielplätzen werden
Der Radpionier fragt: Welche Mobilitäts-Bedürfnisse haben Menschen, und wie lassen sie sich erfüllen? „Wer das Auto benötigt, soll es nutzen.“ Er spricht aber auch über die Konsequenzen: Menschen können im Verkehr verletzt oder gar getötet werden. „Das ist die Konsequenz meiner Verkehrsmittelwahl. Ich nehme in Kauf, dass das passieren kann.“
Knöpfle will eine Mobilität, die alle mitnimmt, und er will eine Stadt, in der sich die Menschen wohl, gesund und sicher fühlen können. Er nennt das „Realutopie“. In dieser Welt werden Parkplätze zu Spielplätzen, vorausgesetzt Bürger wollen dies.
Mit Anzug und Krawatte auf dem Rad zum Termin
Aber wollen sie das überhaupt? Marco Knöpfle sagt: „Mich treibt die Hoffnung, dass es besser wird, und die Sorge, dass es schlechter wird.“ Beim Wegenetz für Radfahrer und bei der Einstellung zu Menschen auf dem Rad habe sich viel verändert: „Keiner schaut mehr schrägt, wenn einer mit Anzug und Krawatte auf dem Rad zu einem Termin kommt.“
Das Rad als Gefährt der Freiheit
Viele Demonstrationen hat der Aktivist organisiert, die Radfahrern Gehör verschaffen. Schon als Student erlebte er, wie ein Lastenrad in einem Konstanzer Quartier dafür sorgte, dass zwei Parkplätze gar nicht erst gebaut wurden.
Er ist überzeugt, dass nicht das Auto, sondern das Rad das Gefährt der Freiheit ist. Im Auto sei man festgeschnallt, stehe im Stau und suche Parkplätze. Auf dem Rad aber trainiere man seine Fitness und seine Sinne.
70 Prozent der Nutzer springen ab
Ein Problem ist der Regen. Die Menschen wollen nicht nass werden. Nur weil Wasser von Oben kommt, springen 70 Prozent der Nutzer ab, rechnet Knöpfle vor. Auch da will er Abhilfe schaffen. Er überlegt, wie sich ein sicherer Regenschutz auf Leihrädern verwirklichen lässt.
Und was sagt er zum Vorwurf, Radfahrer machten im Straßenverkehr, was ihnen gefällt? „Die meisten verhalten sich anständig.“