Eine tragische Nachricht hat die Menschen in der Region kurz vor Weihnachten erschüttert: Ein zweijähriges Mädchen ist in einem Fluss in der Nähe ihres Elternhauses in Bingen (Kreis Sigmaringen) ertrunken. Die Staatsanwaltschaft hatte danach Ermittlungen aufgenommen, um Vorwürfen einer Aufsichtspflichtverletzung der Mutter nachzugehen. Nun steht fest: Das Verfahren wird eingestellt. Das bestätigten Staatsanwalt Ronny Stengel und Rechtsanwalt Detlef Kröger dem SÜDKURIER.
„Ertrinkungstod ohne Fremdeinwirkung“
Nach Abschluss der kriminalpolizeilichen Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass das zweijährige Mädchen unbemerkt von seiner Mutter die Wohnung verlassen hat und zum nahe gelegenen Ufer der Lauchert gegangen ist, wo es ertrunken ist. Dort soll es aus Unachtsamkeit ins Wasser gefallen sein.
Staatsanwalt Stengel erklärte am Montag: Man sehe von einer Strafe nach Paragraf 60 des Strafgesetzbuchs ab. Das heißt: Die Staatsanwaltschaft verzichtet in Absprache mit dem zuständigen Gericht, dem Amtsgericht Sigmaringen, auf die Erhebung einer öffentlichen Anklage.
Wenn die Folgen einer Tat so schwerwiegend sind, dass eine Strafe offensichtlich unangemessen wäre, kann das Gericht auf eine Bestrafung verzichten. Der Tod des Mädchens ist also Strafe genug. Das Verhalten der Mutter nach dem Tod lege auch keinen anderen Schluss nahe.
Die Staatsanwaltschaft habe umfassend ermittelt, sagt Stengel. Die Obduktion am 21. Dezember habe einen „Ertrinkungstod ohne Fremdeinwirkung“ bestätigt. Das Mädchen habe auch noch gelebt, bevor es in die Lauchert fiel.
Wichtiges Ergebnis, aber kein Trost

Rechtsanwalt Detlef Kröger hat die junge Mutter in dem Verfahren vertreten. Er sagt: „Wir sind sehr zufrieden mit der Entscheidung, aber sehr traurig über die Tatsachen, die passiert sind.“ Das Ergebnis sei wichtig, aber kein Trost. Seine Mandantin werde nun in ihr Heimatland Moldawien fahren, um bei ihrer Familie zu sein. Bis heute sei die 24-jährige Frau tief betroffen, immer wieder breche sie auch zusammen. Es war ihr einziges Kind.
Kröger, ein erfahrener Strafverteidiger in Illertissen, lobt in diesem Fall Staatsanwaltschaft und Polizei ausdrücklich: Selten habe er so kompetente, gründliche und vor allem schnelle Ermittlungen erlebt. Das sei nicht selbstverständlich.
Wie kam es zu der Tragödie?
Ermittler und Rechtsanwalt gehen von einem fatalen Unglück aus. So soll es dazu gekommen sein: Am frühen Nachmittag des 17. Dezembers war die junge Mutter allein mit ihrer Tochter zu Hause, als sie mit ihrem Mann telefoniert. Währenddessen brachte sie den Müll raus, das Kind folgte ihr. Sie trug es zurück ins Haus und brachte es ins Schlafzimmer. Die Mutter zog das Mädchen um, die Kleidung war schmutzig geworden.
Da am Nachmittag Besuch erwartet wurde, zu dem weitere Kinder gehörten, zog die Frau ihrer Tochter leichte Kleidung an – eine Hose und eine dünne Strickjacke, aber keine Schuhe. Die Kinder sollten sich später im Haus aufhalten.
Da das Mädchen aufgeregt war, legte sich die Frau mit ihrem Kind ins Bett, um es zu beruhigen. Als ihre Tochter schlief, brachte sie sie in ihr Kinderzimmer. Gegen 15 Uhr ging die Mutter davon aus, dass ihre Tochter in ihrem eigenen Bett schlief. Die Frau räumte auf, putzte das Bad und die Toilette im oberen Teil des Hauses.
Zeugin sah Kind noch draußen
Währenddessen wachte das Kind wieder auf und ging nach unten. Es soll selbstständig in seine Schuhe mit Klettverschlüssen geschlüpft sein und durch die offene Tür über die Terrasse ins Freie gelangt sein. Zwischen 15.30 und 16 Uhr muss die Tochter dann ans Ufer getreten und in den eiskalten Fluss gefallen sein. Der Pegel der Lauchert war außergewöhnlich hoch und der Boden rutschig. Eine Zeugin, die mit dem Auto unterwegs war, sah das Kind noch draußen, wie Staatsanwalt Stengel bestätigte.

Die Mutter und der gegen 16 Uhr eingetroffene Besuch hätten all das nicht mitbekommen. Die Frau soll alle in die Küche geführt und darum gebeten haben, leise zu sein. Ihre Tochter schlafe ja nebenan. Zu diesem Zeitpunkt, war ihre Tochter wohl schon tot. Hunderte Einsatzkräfte sollten noch bis zum übernächsten Morgen nach dem Mädchen suchen.