Herr Staab, Sie waren von 2013 bis 2021 Oberbürgermeister der Stadt Radolfzell. 2020 übernahm die Konstanzerin Sara Wild das 1971 gegründete Radolfzeller Wassersportzentrum. Wie haben Sie die Entwicklungen damals verfolgt?

Die damalige Eigentümerin des Wassersportzentrums, Carola Habenicht, kam auf die Stadt – als Vermieter der Räume und des Stegs – zu, um die neue Eigentümerin vorzustellen.

Inwiefern hat die Stadt damals bei den Vertragsvorbereitungen und -verhandlungen mitgewirkt?

In keiner Weise. Kauf bricht nicht Miete. Insofern konnte die neue Eigentümerin in den Vertrag durch Erwerb der Segelschule einfach einsteigen. Ob weitere direkte Kontakte auf Arbeitsebene der Verwaltung bestanden haben, ist mir nicht bekannt.

Radolfzell ist eine Seegemeinde. War es ein Ansinnen der Stadt Radolfzell, als die Alteigner in den Ruhestand gegangen sind, die Segelschule in Radolfzell zu erhalten?

Für eine neue geplante Hotelanlage war von Stadt-Seite aus immer gefordert, dass die Räumlichkeiten der Segelschule in die neue Anlage integriert werden. Ziel des Gemeinderats war es also zum damaligen Zeitpunkt, das Bestehen der Segelschule mittelfristig zu sichern.

Laut der ehemaligen Eigentümerin hat im September 2020 ein Gespräch zwischen Ihnen, Familie Wild und der Alteignerin Carola Habenicht stattgefunden. Hat das Gespräch so stattgefunden? Worum ging es bei diesem Termin?

Diesen Gesprächstermin gab es. Dabei habe ich darauf verwiesen, dass der Mietvertrag mit der Segelschule derzeit nicht infrage gestellt wird. Gleichzeitig habe ich darauf verwiesen, dass sich von parallelen Planungen für ein neues Hotel in dem betreffenden Bereich für die Segelschule Änderungen ergeben werden. Da ging es um die Frage der Unterbringung von Büros und Schulungsräumen, aber auch um den Steg und die Bojenplätze.

Und weiter?

Es wurde darauf verwiesen, dass das Landratsamt eine Genehmigung bis 2033 ausgesprochen hat und der Steg bis dahin von der Segelschule genutzt werden kann. Danach war eine Änderung zu erwarten, da das Landratsamt signalisiert hat, den alten Steg an dieser Stelle nicht mehr zu genehmigen.

Martin Staab war von 2013 bis 2021 Oberbürgermeister der Stadt Radolfzell.
Martin Staab war von 2013 bis 2021 Oberbürgermeister der Stadt Radolfzell. | Bild: Foto Lichterloh

Die Alteignerin der Segelschule sagte dem SÜDKURIER gegenüber, ohne die sowohl schriftlich als auch mündlich ausgedrückten Standortversprechen bis 2033 und darüber hinaus, hätte sie nie den Verkauf ihres Betriebs vorangetrieben. Hat es jemals von Ihrer Seite solche Versprechungen gegeben?

Nein, mündliche Garantien würden sowieso keine Rechtswirkung erlangen, da der Mietvertrag gilt. Dieser war mit der alten Eigentümerin schon ohne Vertragslaufzeit – also kündbar – vereinbart. Dies hat die neue Eigentümerin sicher beim Kauf geprüft.

Wenn es eine schriftliche Aussage dazu gab, dann müsste dies gleichlautend sowohl bei der Segelschule als auch bei der Stadt in den Akten sein. Kein Schreiben verlässt eine Verwaltung ohne den Durchschlag bei den Akten mit Abzeichnung des zuständigen Sachbearbeiters.

Die Alteignerin versichert auch, dass Sie damals auch Entwicklungsoptionen für die Segelschule nach 2033 aufgezeigt hätten. Dabei sei wiederholt die Aussage gefallen, dass es in Radolfzell immer einen Platz für die Segel und Motorbootschule geben wird. Was waren denn die Pläne für nach 2033? Gab es da welche?

Die Zukunftsoptionen wurden im Gespräch bezüglich der räumlichen Unterbringung in der Hotelerweiterung und in einem neuen Steg weiter östlich aufgezeigt. Dies war immer verbunden mit der damaligen Entwicklungsplanung der Hotelerweiterung des Hotels Bora.

Am Steg im Streuhaugebiet, der von der Segelgemeinschaft Radolfzell genutzt wird, sollen Bootsliegeplätze mit gewerblicher Nutzung ...
Am Steg im Streuhaugebiet, der von der Segelgemeinschaft Radolfzell genutzt wird, sollen Bootsliegeplätze mit gewerblicher Nutzung gekündigt werden, um die Zahl der Motorboote zu verringern. | Bild: Jarausch, Gerald

Inwieweit ist der Gemeinderat an Zusagen, die von einem ehemaligen Stadt-Chef getätigt wurden, gebunden? Können ehemalige Beschlüsse wieder revidiert werden?

Der Gemeinderat ist an städtische Zusagen nur soweit gebunden, als sie dann schon rechtssicher, zum Beispiel in einem Vertrag mit Außenwirkungen, eingeflossen sind. Die Entscheidung des Gemeinderats selbst hat keine Außenwirkung.

Der Gemeinderat kann jederzeit – frühestens nach einem halben Jahr – fast jede seiner Entscheidungen ändern oder revidieren. Dies muss dem politischen Organ möglich sein, um Entwicklungsprozesse gegebenenfalls umsteuern zu können. Ob dadurch ein Vertrauensschaden, auch finanzieller Art, entstehen kann, müsste geprüft werden.

Sara Wild ist Geschäftsführerin der Wilden Flotte in Wallhausen und Radolfzell.
Sara Wild ist Geschäftsführerin der Wilden Flotte in Wallhausen und Radolfzell. | Bild: Wilde Flotte

Anmerkung: In der Ursprungsversion des Artikels sagte Martin Staab an dieser Stelle, der Beschluss zur Kündigung sein nichtöffentlich gefast worden. Nach Erscheinen dieses Artikels hat die Stadt Radolfzell darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschluss über die Kündigung öffentlich getroffen wurde. Das ist korrekt. Erarbeitet wurde das Konzept, dass auch die Kündigung der Pachtverträge vorsieht, zwar in einer nichtöffentlichen Sitzung des Ausschusses Planung, Umwelt und Technik, wie die Stadt selbst informierte. Danach wurde es aber im Dezember 2024 öffentlich in einer Gemeinderatssitzung beraten und beschlossen.