Die Berichterstattung zum Volksbegehren „Landtag verkleinern“ hat viele Rückfragen und Rückmeldungen ausgelöst, unter anderem zur Möglichkeit der Unterschriftenabgaben und zum Verfahren. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu haben wir zusammengefasst.

1. Was ist das Volksbegehren „Landtag verkleinern“?

Eine private, unparteiische Initiative des Bietigheimer Rentners Dieter Distler und seines Unterstützerkreises. Es will erreichen, dass die Zahl der Landtagswahlkreise in Baden-Württemberg von derzeit 70 auf 38 verringert wird, die dem Zuschnitt der Bundestagswahlkreise entsprechen. Zudem soll die Mindestgröße des Landtags von derzeit 120 auf dann 68 Abgeordnete gesenkt werden.

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2. Warum soll die Zahl der Wahlkreise sinken?

Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen verhindern, dass der baden-württembergische Landtag nach der Landtagswahl 2026 unter anderem durch das neue Zwei-Stimmen-Wahlrecht, aber auch durch die veränderte Parteienlandschaft auf deutlich mehr als die aktuell 154 Abgeordneten steigt.

Derzeit gibt es durch die 70 Landtagswahlkreise 70 direkt gewählte Abgeordnete. Darüber hinaus werden 50 weitere Mandate je nach Stimmenanteil und Zahl der Direktmandate einer Partei sowie weitere sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate nach einem komplizierten Schlüssel vergeben. Es gibt wissenschaftliche Berechnungen, wonach die Zahl der Abgeordneten nach der Wahl 2026 deutlich auf bis zu 220 Abgeordnete steigen könnte.

3. Was würde ein größerer Landtag den Steuerzahler kosten?

Nach einem zunächst internen Bericht des Rechnungshofes, der erst nach einer Recherche der „Stuttgarter Zeitung“ öffentlich gemacht wurde, könnten die Kosten für den Steuerzahler durch einen deutlich vergrößerten Landtag um bis zu 200 Millionen Euro pro Legislaturperiode steigen. Es bräuchte zusätzliche Mitarbeiter von Abgeordneten und Landtag sowie zusätzliche Büros, der Plenarsaal könnte zu klein für die Sitzungen werden.

Die Sitze im Plenum dürften nach der nächsten Landtagswahl knapp werden.
Die Sitze im Plenum dürften nach der nächsten Landtagswahl knapp werden. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

4. War das bei der Verabschiedung des neuen Wahlrechts nicht absehbar?

Doch – es gab bei der Anhörung zum neuen Landtagswahlgesetz entsprechende Stimmen. Doch die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen sowie die SPD, mit deren Stimmen das Gesetz beschlossen wurde, sahen mehr Vorteile im neuen Zwei-Stimmen-Wahlrecht und gehen davon aus, dass die Berechnungen über eine deutliche Vergrößerung und die damit zusammenhängende Kostensteigerung reine Spekulation seien.

5. Ist es denn sicher, dass es mehr Landtagsabgeordnete werden?

Nein. Das hängt vom Wahlergebnis ab. Es gibt dazu diverse Berechnungsszenarien. Wahlforscher Joachim Behnke von der ZU Friedrichshafen allerdings legte für seine bei der Anhörung zum neuen Wahlrecht vorgestellten Berechnung, nach der es über 200 Abgeordnete werden könnten, das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2021 zugrunde.

6. Was sagen die Landtagsparteien zum Volksbegehren?

Die Landtags-FDP unterstützt das Volksbegehren. Sie wollte ein eigenes Volksbegehren zur Reduzierung der Zahl der Wahlkreise auf 60 starten, das allerdings vom Innenministerium nicht zugelassen wurde. Über die Klage der FDP gegen die Ablehnung berät derzeit der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof. Einstweilen unterstützt die FDP das Volksbegehren „Landtag verkleinern“.

Hans-Ulrich Rülke, FDP-Fraktionsvorsitzender.
Hans-Ulrich Rülke, FDP-Fraktionsvorsitzender. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Grüne, CDU und SPD lehnen die Reduzierung der Landtagswahlkreise ab. Sie sehen durch weniger Abgeordnete und deutlich größere Wahlkreise die Bürgernähe des Parlaments gefährdet. Zudem wird darauf verwiesen, dass Abgeordnete in Baden-Württemberg bereits jetzt im Bundesländervergleich die zweithöchste Zahl an Einwohnern zu betreuen hätten.

Die AfD übt generelle Kritik am neuen Landtagswahlrecht. Seiner Meinung nach war das alte Landtagswahlrecht fairer und demokratischer, sagt der Abgeordnete Ruben Rupp.

Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. | Bild: Ilkay Karakurt/dpa

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte auf Anfrage zu einem möglichen starken Anwachsen des Landtags: „Wir spekulieren nicht über Wahlergebnisse. Seriös ist es daher, die Ergebnisse abzuwarten und dann die Schlüsse daraus zu ziehen. Sollte sich eine deutliche Vergrößerung des Parlaments ergeben, ist die Fraktion offen für Anpassungen zur nächsten Wahl. Die Reform im Bund von SPD, Grünen und FDP wäre dafür eine gute Diskussionsgrundlage, zumal das Bundesverfassungsgericht dafür schon grünes Licht gegeben hat. Eine konkrete Obergrenze für die Zahl der Landtagssitze müsste in einem eigenen Prozess diskutiert werden.“

7. Was sagt der Ministerpräsident?

Winfried Kretschmann hält sich aus dieser Debatte heraus und verweist darauf, dass das Thema komplett in die Zuständigkeit des Gesetzgebers – also des Parlaments und der Fraktionen – falle, nicht in die des Ministerpräsidenten. Er hatte einmalig allerdings öffentlich geäußert, dass ein Landtag mit mehr als 200 Abgeordneten weder „sinnvoll noch wünschenswert“ sei.

Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

8. Wer kann beim Volksbegehren abstimmen?

Wer mindestens 16 Jahre alt und in Baden-Württemberg wahlberechtigt ist.

9. Wie kann abgestimmt werden?

Auf zwei Arten:

Amtliche Sammlung – bis zum 10. Dezember 2024 auf dem Rathaus in der Gemeinde, in der man mit dem Hauptwohnsitz gemeldet ist. In allen baden-württembergischen Rathäusern liegt eine Liste aus, in die man sich eintragen und unterschreiben kann. Dazu muss man einen gültigen Ausweis mitbringen. Es empfiehlt sich, vorher beim Bürgerbüro oder im Rathaus zu fragen, wo genau die Liste ausliegt und zu welchen Zeiten eine Unterschrift möglich ist.

Freie Sammlung – bis zum 11. Februar 2025 ist eine Unterschrift auch innerhalb der freien Sammlung möglich. Dazu muss ein Formular ausgefüllt, unterschrieben und spätestens am 11. Februar 2025 beim Rathaus der Heimatgemeinde eingehen – ob per persönlicher Abgabe, Zusendung oder Einwurf. Das Formular kann entweder an den Info-Ständen der Initiative mitgenommen oder im Internet auf der Homepage der Initiative heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Es ist auch möglich, es online auszufüllen, allerdings muss es in jedem Fall ausgedruckt, eigenhändig unterschrieben und zum jeweiligen Rathaus gebracht werden. Das unterschriebene Formular bleibt im Rathaus. In Bietigheim-Bissingen bei Initiator Dieter Distler können auch Kartons mit Formularen abgeholt werden.

10. Warum werden die Bürger nicht offiziell über ein Volksbegehren informiert – etwa durch die Zusendung eines Wahlzettels?

Das gesetzliche Verfahren für Volksbegehren, das in der Landesverfassung geregelt ist, sieht dies so nicht vor. Die Initiatoren eines Volksbegehrens müssen selbst dafür Unterstützer finden und Werbung und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Allerdings haben alle Städte und Gemeinden die Verpflichtung, Informationen über ein Volksbegehren zu veröffentlichen. Dies erfolgt über Amtsblätter oder den Internet-Auftritt der Kommune.

11. Warum wird das in jeder Stadt und Gemeinde unterschiedlich gehandhabt?

Weil es für Volksbegehren, anders als etwa bei Wahlen, keine Verordnung gibt, die die genauen Modalitäten regelt – etwa wie ausführlich informiert wird, wo die Unterschriftenlisten ausliegen und wie sie zugänglich sein müssen. Das entscheidet jede örtliche Verwaltung für sich.

Das baden-württembergische Innenministerium hat allerdings, nachdem beim Initiator viele Rückmeldungen über Hindernisse bei der Unterschriftabgabe vor Ort eingegangen waren, nach eigenen Angaben erneut alle Städte und Gemeinden im Land angeschrieben und auf die gesetzlichen Vorgaben verwiesen.

12. Und warum liegen keine Formulare zum Mitnehmen bei den Rathäusern aus?

Auch dies ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern liegt im Ermessen der jeweiligen Verwaltung. Verwaltungen sind aber zur Neutralität verpflichtet. Ein Auslegen der Formulare könnte als Unterstützung gewertet werden. Letztlich ist dies eine Entscheidung des Verwaltungschefs, also des Bürgermeisters – jedenfalls, solange es nicht in einer Verwaltungsvorschrift geregelt ist.

13. Wann liegt ein Ergebnis vor und wie geht es weiter?

Die Auswertung des Volksbegehrens erfolgt beim Innenministerium nach dem Ende des Abgabetermins der freien Sammlung, also Mitte Februar 2025. Liegen dann 770.000 Unterschriften vor – also von rund einem Zehntel der Wahlberechtigten im Land – muss der Landtag über den Gesetzantrag des Volksbegehrens abstimmen.

Wird der Gesetzantrag der Initiative „Landtag verkleinern“ dabei vom Landtag abgelehnt, kommt es zu einer Volksabstimmung. Bei der Volksabstimmung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen.