Was wird aus der Gäubahn? Die Debatte um die Zukunft der Strecke und die von der Deutschen Bahn geplante jahrelange Unterbrechung zwischen Stuttgart-Vaihingen und dem Stuttgarter Hauptbahnhof nimmt kurz vor der möglicherweise wegweisenden Sitzung des S21-Lenkungskreises am 18. Juli Fahrt auf – nicht nur auf Landes-, sondern nun auch auf Bundesebene.

In seiner jüngsten Sitzung hat sich der Verkehrsausschuss des Bundestags auf Antrag der Links-Fraktion mit der geplanten Unterbrechung der Strecke durch die Bahn in Stuttgart-Vaihingen befasst und Auskunft vom Bundesverkehrsministerium eingefordert.

Ist die Unterbrechung rechtmäßig?

In seiner schriftlichen Stellungnahme teilte Verkehrs-Staatssekretär Michael Theurer (FDP) dem Ausschuss aber lediglich mit, was ohnehin für die Bahn Stand der Dinge ist: Die Unterbrechung sei aus ihrer Sicht rechtmäßig. Dagegen sind bereits drei Rechtsgutachten unterschiedlicher Auftraggeber bekannt, die genau das in Frage stellen und in einer jahrelangen Unterbrechung eine rechtswidrige Stilllegung der Strecke sehen. Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Bahn-Aufsichtsbehörde prüft derzeit einen Eilantrag gegen die Pläne.

Druck gibt es nun auch im Hinblick auf das andere Ende der Gäubahn in Singen. Die Bundestagsabgeordneten aus den Wahlkreisen entlang der Strecke haben sich fraktionsübergreifend und unter Federführung der FDP-Abgeordneten für den Wahlkreis Konstanz, Ann-Veruschka Jurisch, in einem gemeinsamen Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing und seinen Staatssekretär Theurer gewandt.

In Stuttgart-Vaihingen soll die Gäubahn-Strecke unterbrochen werden.
In Stuttgart-Vaihingen soll die Gäubahn-Strecke unterbrochen werden. | Bild: Ulrike Bäuerlein

Sie fordern, die Fernverkehrs-Haltepunkte Singen-Hauptbahnhof und Böblingen auf der Gäubahn auch künftig zu erhalten und eine jahrelange Unterbrechung der direkten Anbindung an den Stuttgarter Hauptbahnhof zu vermeiden. Aber vor allem verlangen die Abgeordneten vom Verkehrsministerium, bei der Bahn darauf hinzuwirken, den südlichen Gäubahn-Streckenabschnitt bis zur Schweizer Grenze schnellstmöglich mit moderner digitaler Stellwerkstechnik auszustatten.

„Man muss sich zwingend um die gesamte Gäubahn-Strecke kümmern“, so Jurisch gegenüber dem SÜDKURIER. „Für eine erfolgreiche internationale Strecke darf eben nicht nur Stuttgart und Umgebung eine Rolle spielen.“

„Man muss sich zwingend um die gesamte Gäubahn-Strecke kümmern.“
Ann-Veruschka Jurisch, FDP-Bundestagsabgeordnete

Die Abgeordneten kritisieren, dass kurzfristig keine Digitalisierung des Stellwerks in Singen geplant sei. „Konkret heißt dies: Die Gäubahn-Strecke wird 2023 von Horb bis Tuttlingen/Wurmlingen und von Thayngen bis Zürich über digitale Sicherungstechnik verfügen, der Streckenabschnitt Tuttlingen – Thayngen durch den Landkreis Konstanz bleibt bis zuletzt außen vor“, erläutert Jurisch. „Dies können wir nicht akzeptieren.“ Die Deutsche Bahn hatte das zwar langfristig im Zuge des Gäubahn-Ausbaus als notwendig erachtet, kurzfristig sei aber eine Umsetzung nicht möglich.

Allerdings bekommt die Gäubahn in Singen neben dem Seehas aus Konstanz, der Bodensee-Gürtelbahn aus dem Landkreis Konstanz und der Hochrheinbahn aus dem Landkreis Waldshut künftig noch einen weiteren starken Zulauf: den geplanten Spangenzug St.Gallen – Konstanz – Singen – Waldshut – Basel, über den bereits Finanzierungs- und Tarifverhandlungen zwischen der Schweiz und dem Land Baden-Württemberg laufen.

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Die Eintaktung in Singen sei aber, so fürchten die Abgeordneten, nur mit neuen elektronischen Stellwerken umzusetzen. „Wenn die Digitalisierung der Stellwerke jetzt nicht kommt, wird das vielfach negative Auswirkungen auf unsere Region haben“, so Jurisch.

Unterdessen verlangt die Landtags-SPD, dass sich das Land Baden-Württemberg finanziell am Gäubahn-Ausbau beteiligt. „Was dem Land bei der Elektrifizierung der Südbahn und beim Ausbau der Rheintalbahn recht war, muss auch ihm nun beim Ausbau der Gäubahn billig sein“, heißt es in einem Positionspapier der SPD zu Gäubahn.

„Wir fordern, dass sich das Land auch beim Ausbau der Gäubahn finanziell engagiert, damit diese internationale Strecke endlich wieder den Stellenwert bekommt, den sie schon einmal hatte“, so Hans-Peter Storz, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion und Singener Landtagsabgeordneter.

Verkehrsminister weist Verantwortung von sich

Bei Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) löst das Ansinnen allerdings wenig Begeisterung aus. „Wir freuen uns über jede Unterstützung bei der Suche nach einer dauerhaften Lösung für die Panoramabahn und über jede Unterstützung beim Ausbau der Gäubahn. Wenig hilfreich ist es jedoch, wenn die SPD das Land beschimpft wegen Verzögerungen oder Fehlplanungen, die andere zu verantworten haben“, so Hermann auf Anfrage. „Wir können nicht dauerhaft das finanzieren, was originär nach dem Grundgesetz Aufgabe des Bundes ist. Das müsste auch der SPD-Landtagsabgeordnete Storz verstehen.“