Das Video dauert nur vier Sekunden. Es stammt aus der Nacht vom Samstag, 17., auf den 18. August. Aufgenommen wurde es zwischen 3 und 4 Uhr morgens. Ein Mann liegt auf dem Bauch, sein Oberkörper hängt teilweise von der Empore vor dem Eingag des Konstanzer Clubs Grey, er wirkt wehrlos – und er wird geschlagen. Es war eine Nacht, die Amir L. und seinen Cousin noch lange verfolgen wird. Sie endete in der Notaufnahme und mit einer Anzeige bei der Polizei, und Tage später mit einer Operation.

Erneut stehen nun Vorfälle im Umfeld des Greys im Mittelpunkt von Ermittlungen der Polizei. Erst Anfang Juli macht der SÜDKURIER öffentlich, dass einer der mutmaßlichen Erpresser der Familie Schumacher an der Tür des Clubs stand. Hüseyin S. (Name geändert, der Redaktion bekannt) wurde nach seiner Verhaftung inzwischen gekündigt. Die neuen Vorfälle sind auch deswegen pikant, weil der Club, wie der SÜDKURIER aus gesicherter Quelle weiß, seit wenigen Monaten einen neuen Sicherheitsdienst aus Villingen engagiert.

In dem Video hält ein in schwarz gekleideter Mann den Fuß des am Boden liegenden Mannes, den 29-jährigen Amir L., und drückt diesen gegen eine Geländerstrebe, während ein anderer Mann in Schwarz ihm gezielt einen Schlag auf den Kopf versetzt. Diese Szene wird von zwei weiteren Personen beobachtet, diese stehen direkt daneben, greifen aber nicht ein.

Es soll sich nach SÜDKURIER-Informationen um zwei Mitarbeiter des Clubs handeln. Diese Szene aber offenbart nur einen kurzen Ausschnitt eines möglichen Gewalt-Exzesses, der sich im Industriegebiet zugetragen haben soll. Die Polizei bestätigt Ermittlungen wegen des Vorfalls und dass Mitarbeiter des Greys beteiligt waren.

Hausverbot gegen die zwei Männer

Das fragliche Video liegt dem SÜDKURIER vor. Der Club erklärt auf Anfrage über seinen Anwalt, dass man sich momentan nicht näher dazu äußern werde. Die Polizei ermittle, man habe das gesamte Videomaterial der Überwachungskameras aus dem Innen- und Außenbereich des Clubs übergeben. An der Auseinandersetzung seien aber keine Türsteher des Greys beteiligt gewesen. Gegen Amir L. und seinen Begleiter habe man außerdem ein lebenslanges Hausverbot verhängt.

Die Polizei ermittelt nun wegen Körperverletzung, wie das Präsidium auf Anfrage bestätige. Das Videomaterial liege vor. Was war passiert? „Nach bisherigem Kenntnisstand urinierte ein 29-Jähriger im Biergarten und wurde daraufhin durch einen Mitarbeiter angesprochen. In der Folge kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem 29-Jährigen, seinem 20 Jahre alten Begleiter und Mitarbeitern der Disko“, schreibt die Pressestelle. Nähere Angaben könne man aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht machen.

Außerdem sei es hier zu einer weiteren Körperverletzung gekommen, nachdem mehrere Frauen zunächst stritten, ehe eine Frau durch ein Bierglas verletzt worden sei. Auch hier ermittelt die Polizei wegen gefährlicher Körperverletzung.

„Es war eigentlich wunderschön“

Amir L. und sein Cousin sind beide Perser. L. wohnt in Hessen, der 20-Jährige in Österreich. Sie kamen nach Konstanz, um ihre Familie auf der anderen Seeseite zu besuchen. Gemeinsam mit seinem Cousin wollte Amir L. noch feiern gehen. Im Internet entdeckten sie schnell die Adresse des größten Clubs am Bodensee: das Grey in der Max-Stromeyer-Straße. Die Männer feierten, stundenlang passierte nichts. „Es war eigentlich wunderschön.“ Sie sagen: Wir haben nirgendwo hingepinkelt.

Aber später erlitt Amir L. eine Fraktur an der Augenhöhle, die in einem Konstanzer Krankenhaus operiert werden musste. Laut eigener Aussage griffen ihn und seinen Cousin mehrere Türsteher gleichzeitig und unvermittelt an, als sie auf dem Weg nach draußen waren, um zu rauchen. Immer wieder betonen sie: „Wir haben wirklich nichts gemacht“.

Amir L. habe mehrere Schläge und Tritte gegen den Kopf bekommen, auch, nachdem er bereits zu Boden gegangen war. Die Angreifer hätten einfach nicht aufgehört. „Ich dachte, ich würde sterben“, sagt Amir L. Er sei zwischendurch auch kurz bewusstlos gewesen. „Ich bin froh, dass ich noch lebe.“ Der Vorfall habe sicher zehn bis 15 Minuten gedauert. Und natürlich habe er versucht, zurückzuschlagen, um sich zu verteidigen. Dabei habe er die Angreifer auch beschimpft. Erst als die Polizei kam, habe man von ihm abgelassen.

Vorwurf: Ein gezielter Tritt in die Hoden

Nur Augenblicke, nachdem die Video-Aufnahme abbricht, soll der Mann hinter der Smartphone-Kamera durch dieselben Männer attackiert worden sein. So schildert es der 20-jährige Cousin von Amir L., der mit nach Konstanz fuhr. Nachdem er beim Filmen entdeckt wurde, hätten sie ihn zu Boden gebracht, die Beine auseinandergehalten und auf seine Hoden getreten haben. Zusätzlich soll dem Mann ein Türsteher ein Knie auf den Halsbereich gedrückt haben.

Der junge Mann habe Todesangst gehabt, da er kaum Luft bekommen habe. Aber der Mann, der auf ihm kniete, soll dabei nur gelacht haben. „Ich habe so um mein Leben gekämpft.“

Warum?

Wie es zu dem Exzess kommen konnte, können sich die Männer nicht erklären. Betrunken seien sie nicht gewesen und hätten vorher mit niemandem Streit gehabt. Ihre einzige Erklärung: Sie seien verwechselt worden. An dem Abend hätten so viele Gäste ein weißes Hemd getragen – wie Amir L.. Im Grey wurde auch eine „White Party“ gefeiert. Der 29-Jährige und sein Begleiter haben mit anderen Männern, alle in Weiß gekleidet, in einer Lounge gefeiert.

Inzwischen hat Amir L. die Operation an seiner Augenhöhle überstanden und hat Konstanz wieder verlassen. Aber auch zehn Tage nach dem Vorfall plagen ihn noch Schmerzen. Ob er keine bleibenden körperlichen Schäden davontragen wird, sei noch unklar. Auf seinem linken Auge sehe er in einigen Bereichen noch doppelt. Die Nacht im Club wird ihn weiter beschäftigen: Er und sein Cousin haben inzwischen einen Anwalt eingeschaltet.