Gut eine Woche nach dem Brandinferno bei Deutschlands größtem Reifenhändler Bruno Göggel in Gammertingen treffen sich am Dienstag die Führungskräfte der fast 400 eingesetzten Feuerwehrleute aus 27 Kommunen und fünf Landkreisen erneut am Brandort. Gemeinsam begehen sie wohl ein letztes Mal die Brandstätte und tauschen sich darüber aus, was beim noch Großeinsatz gut und was schlecht gelaufen ist.

Viele Anwohner und Feuerwehrleute sehnen seit Tagen endgültige Gewissheit über die Folgen der giftigen Rauchwolke und mögliche Gefahren für Mensch und Natur herbei. Anfang vergangener Woche hatte die Umweltbehörde des Landratsamts Sigmaringen Messungen und Bodenproben gesammelt und lässt sie seither in einem Labor analysieren.
Laut Bürgermeister Holger Jerg sollen die Ergebnisse bis spätestens Dienstagabend vorliegen, um in der vor der Sommerpause letzten Ausgabe des kommunalen Amtsblattes von Gammertingen noch Eingang zu finden – so habe es die Umweltbehörde versprochen.
Keine Brandbeschleuniger gefunden
Nachdem Spürhunde der Kripo nach möglichen Brandbeschleunigern auf Gelände schnüffelten, wo die zwei Feuer unabhängig voneinander ausgebrochen waren, gibt es jetzt zumindest in diesem Punkt erste Gewissheit: „Anhaltspunkte für irgendeine wie auch immer geartete vorsätzliche Brandstiftung gibt es nicht“, sagt Karl-Heinz Beiter von der Staatsanwaltschaft Hechingen dem SÜDKURIER und bestätigt damit, dass keine Brandbeschleuniger gefunden werden konnten.

Damit verdichten sich die Anzeichen, dass – wie von vielen vermutet – tatsächlich das laut Pyrotechniker ordnungsgemäß abgefeuerte Hochzeitsfeuerwerk von „Reifen-König“ Bruno Göggel zum kurz danach ausgebrochenen Großbrand auf seinem Betriebsgelände mit einem Schaden im zweistelligen Millionenbereich geführt haben könnte.
Kreispolizei stellt Ermittlungen ein
Die Kripo hat Fotos und Videos von Hochzeitsgästen und Feuerwehrleuten sowie Unterlagen bei der Stadt Gammertingen sowie beim beauftragten Pyrotechniker sichergestellt und bereits zahlreiche Zeugen vernommen, darunter auch mehrere Brandbekämpfer. Bürgermeister Holger Jerg oder Mitarbeiter des Rathauses waren laut SÜDKURIER-Informationen noch nicht unter den Befragten. Die Kreispolizei im Landratsamt Sigmaringen soll ihre Ermittlungen gegen Amtsträger der Stadt Gammertingen bereits beendet haben.
Solange kein Gutachten des Brandsachverständigen vorliegt, bleibt die Frage offen, ob eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ zum Feuer führte oder aufgrund fahrlässigem Verhaltens „irgendjemanden ein Vorwurf“ gemacht werden kann, wie Staatsanwalt Beiter es ausdrückt. Bei einer Anklage und Verurteilung wegen fahrlässiger Brandstiftung können bis zu fünf Jahre Gefängnis oder eine Gelstrafe ausgesprochen werden. „Es gibt keinen Hinweis auf irgendeinen Beschuldigten“, sagt Beiter.
Grobe Fahrlässigkeit?
Doch seit kurzem liegen der Justiz zwei Strafanzeigen gegen „Reifen-König“ Bruno Göggel, den Gammertinger Bürgermeister Holger Jerg und den Leiter des dortigen Ordnungsamtes vor. Das bestätigt die nicht zuständige Staatsanwaltschaft in Stuttgart, wo die Anzeigen eingebracht wurden, dem SÜDKURIER auf Anfrage. Der Anzeigeerstatter heißt Thorsten S. (vollständiger Name der Redaktion bekannt) und wohnt im äußersten Süden Schleswig-Holsteins nahe Hamburg.

Der norddeutsche Unternehmer wirft Göggel vor, „grob fahrlässig einen Großbrand durch ein Feuerwerk anlässlich seiner Hochzeitsfeier“ herbeigeführt und damit einige seiner Gäste durch die Rauchgase verletzt zu haben. Stadtchef Jerg sowie dem Leiter des Ordnungsamtes zeigte S. an, weil sie „ein privates Feuerwerk in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem großen Reifenlager genehmigt“ und damit „einen Großbrand grob fahrlässig“ sowie „mehrfache Körperverletzung“ herbeigeführt hätten.
Was hinter den Anzeigen steckt
Wie berichtet, musste das Feuerwerk nicht genehmigt, sondern lediglich bei der Stadt Gammertingen fristgerecht im Mai angemeldet werden, da das Spektakel von einem zertifizierten Pyrotechniker durchgeführt wurde. Bürgermeister Jerg betonte, dass die Stadt auch geprüft habe, ob die Zertifizierung des Pyrotechnikers noch gültig sei.
Gibt es für die Anzeigen dann überhaupt eine Grundlage oder sind sie haltlos? „Natürlich wird das momentan abgeklärt. (...) Es ist eine Pflicht hier allem nachzugehen“, sagt Beiter von der zuständigen Staatsanwaltschaft Hechingen.
Doch was steckt hinter den Anzeigen aus dem fernen Norden, eine erfolglose Geschäftsbeziehung oder gar persönliche Feindschaft? „Ich kenne ihn (Bruno Göggel, Anm.) nicht und hab zuvor noch nie etwas gehört von seinem Unternehmen. Mir geht es allein um die Sache, wer hat welchen Fehler gemacht und wer trägt die Verantwortung dafür“, sagt Thorsten S. im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Er habe von dem Großbrand gelesen und gedacht, das könne nicht wahr sein. „Dass ein Reifenunternehmer 400 Feuerwehrleute für ein paar Minuten Privatvergnügen in höchste Gefahr bringt – ich finde das sehr unverantwortlich und egoistisch“, so der 53-Jährige.
Auch Anzeige gegen Berliner Bürgermeister
Aber ist Bruno Göggel mit dem hohen Schaden auf seinem Betriebsgelände nicht schon genug bestraft? Thorsten S. räumt das durchaus. „Aber ich möchte, dass das aufgearbeitet wird, wer da im Einzelnen Schuld ist“, so der Unternehmer – was freilich bereits auch vor seiner Anzeige bereits passierte.

Es ist nicht das erste Mal, dass Thorsten S. gegen eine prominente Persönlichkeit Anzeige erstattet. Nach dem Wahlchaos in Berlin bei der Bundestagswahl im Vorjahr hat der Norddeutsche den Hauptstadt-Bürgermeister Michael Müller (SPD) und dessen Landeswahlleiterin wegen grob fahrlässiger Wahlbehinderung und dem Verdacht auf Wahlmanipulation angezeigt.
„Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, sitze aber nicht acht Stunden am Schreibtisch und schreibe Anzeigen. Das waren meine einzigen“, so S. Seine damaligen Anzeigen seien jedoch eingestellt worden.
„Das Thema lässt einen nicht los“
Am schärfsten kritisiert Thorsten S. den Gammertinger Stadtchef Holger Jerg. „Ich bin der Meinung, dass er (Holger Jerg, Anm.) nicht mehr als Bürgermeister tätig sein kann, wenn Ermittlungen gegen ihn aufgenommen werden“, so der Norddeutsche. Er überlegt, eine weitere Anzeige gegen den beauftragten Pyrotechniker einzubringen.

Stadtchef Jerg nimmt sowohl die Anzeige als auch die Rücktrittsaufforderung gelassen zur Kenntnis. „Das seh ich nicht so dramatisch, das sind wir auch aus unterschiedlichen Bereichen gewöhnt“, sagt der Bürgermeister. An einen Rücktritt denkt er nicht. „Es ist ein gewisser Sport, Anzeigen gegen alle möglichen Amtspersonen zu stellen.
Er habe sich nichts vorzuwerfen, aber der Fall gehe auch ihm nahe. „Überall wirst du darauf angesprochen, das Thema lässt einen nicht los. Ich wäre eigentlich lieber mit der Familie in Urlaub gefahren, weil der Akku vorher schon leer war“, sagt Jerg, der seinen Urlaub verschoben hat.

Auch Mike Hummel, Sprecher von „Reifen-König“ Bruno Göggel, bestätigt die Anzeige. „Im ersten Schritt können wir nichts dagegen machen“, sagt Hummel. Zu den detaillierten Vorwürfen will er sich nicht äußern und hofft, dass die Laboranalysen des Landratsamts Sigmaringen am Dienstag keine Belastungen für die Umwelt ergeben.