Als Wolfgang Schäuble im September 2022 dem SÜDKURIER in seiner Wohnung in Offenburg sein letztes großes Interview gab, ahnte er wohl, dass ihm nicht mehr allzu viel Zeit blieb. Alle Fragen beantwortete er offen und ohne Umschweife: Die Zeit der parteitaktischen Rücksichten war vorbei.

Auch bei der Frage, ob er in der Politik Freunde gefunden habe – wirkliche, persönliche Freunde -, druckste der CDU-Politiker nicht herum. Ja, die gab es. Aber es waren nur zwei.

Zum einen Friedrich Merz, aller Voraussicht nach der nächste Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland. Zum anderen Hans-Peter Repnik, der langjährige Wahlkreisabgeordnete vom Bodensee und einer der tatkräftigsten Politiker in der Union in der Ära Kohl. Schäuble lernte ihn schon in gemeinsamen Junge-Unions-Zeiten in Freiburg kennen und schätzen.

Nelson Mandela, Jassir Arafat, Ronald Reagan und Mutter Teresa

Lange hat Repnik seinen Freund und Förderer nicht überlebt. Am Samstag starb der CDU-Politiker aus Markelfingen bei Radolfzell im Alter von 77 Jahren nach langer, schwerer Krankheit. So wie bei Schäuble bestimmte die Politik sein Leben. Und so wie bei Schäuble reichte sein Wirken weit über seine Heimatregion hinaus.

Von Anfang an zählte der Christdemokrat vom Bodensee in seiner Partei zu den Kräften, die die Programmatik erneuern, den Horizont öffnen und neue Wählerschichten erschließen wollten. Von 1980 bis 2005 vertrat er den Wahlkreis Konstanz im Bundestag, im Mauerfalljahr 1989 machte ihn Kanzler Helmut Kohl zum Staatssekretär für das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Repnik trifft in seinen Funktionen als Staatssekretär und Gouverneur mehrerer Entwicklungsbanken zahlreiche Staatsoberhäupter aus aller ...
Repnik trifft in seinen Funktionen als Staatssekretär und Gouverneur mehrerer Entwicklungsbanken zahlreiche Staatsoberhäupter aus aller Welt. Hier ist es 1991 der Präsident von Peru, Alberto Fujimori. | Bild: Hella Wolff-Seybold

Mit Leidenschaft und Tatendrang übernahm er die Aufgabe, die ihn mit den Großen der Weltgeschichte zusammenbrachte. Der Mann aus Markelfingen frühstückte mit US-Präsident Ronald Reagan, traf sich zum Vier-Augen-Gespräch mit dem südafrikanischen Befreiungskämpfer Nelson Mandela, verhandelte mit PLO-Chef Jassir Arafat, lernte Mutter Teresa kennen.

Daneben verlor er die Belange des Wahlkreises nie aus dem Blick: Kaum ein anderer Politiker war in seinen heimatlichen Gefilden so präsent und den Menschen so verbunden wie Hans-Peter Repnik.

Vater kam aus Slowenien an den Bodensee

In die Wiege gelegt war dem Sohn eines Handwerkers diese Karriere keineswegs. Der Vater kam nach dem Krieg aus Slowenien an den Bodensee und baute sich in Markelfingen eine Existenz als Schmiedemeister mit eigenem Betrieb auf. 1947 kam der älteste Sohn Hans-Peter zur Welt.

Es folgten drei weitere Brüder, darunter der spätere baden-württembergische Sozialminister Friedhelm Repnik. Nach dem Abitur in Konstanz 1966 und einer 18-monatigen Wehrdienstzeit ging Repnik nach Freiburg, um dort Rechts- und Sozialwissenschaften zu studieren. Sein Berufsziel: Rechtsanwalt.

Hans-Peter Repnik in jungen Jahren: „Sicher, sozial und frei“ war der Slogan auf dem Wahlplakat 1983.
Hans-Peter Repnik in jungen Jahren: „Sicher, sozial und frei“ war der Slogan auf dem Wahlplakat 1983. | Bild: Konrad-Adenauer-Stiftung

Aber es kam anders. Wie Repnik später immer wieder erzählte, hat ihn die Anfangszeit in Freiburg aufgerüttelt und nachhaltig politisiert. Studieren 1968, das bedeutete: So wie an allen Universitäten geht es auch an der Hochschule im Breisgau drunter und drüber. Die Studentenunruhen bestimmen Meinungsklima, der Zeitgeist weht stramm und unduldsam von links.

Als der Student vom Bodensee miterleben muss, wie ein Professor von einer schreienden Menge aus dem Hörsaal vertrieben wird, steht sein Entschluss fest. Er will sich politisch engagieren – und zwar in einer Gruppierung, die Gewalt als Mittel der Politik konsequent ablehnt.

Aufmüpfiger JU-Bezirk mit Schäuble und Repnik

Diese Haltung findet Repnik bei der Jungen Union, der Jugendorganisation der CDU, am glaubwürdigsten verkörpert. Deren Bezirksvorsitzender heißt zu dieser Zeit Wolfgang Schäuble. Die beiden Nachwuchspolitiker verstehen sich von Anfang an. 1973 übernimmt Repnik von Schäuble den Vorsitz des JU-Bezirks Südbaden, der zu dieser Zeit in den biederen CDU-Zirkeln als unbequem und aufmüpfig gilt.

Wolfgang Schäuble und Hans-Peter Repnik mit denn Wasserski-Fahrern des DSMC Konstanz im Jahr 2007.
Wolfgang Schäuble und Hans-Peter Repnik mit denn Wasserski-Fahrern des DSMC Konstanz im Jahr 2007. | Bild: Picasa

Auch Repnik bedient dieses Image. Er bläst den Mief aus den Hinterzimmern der Partei, fordert neue Wege in der Sozial-, Umwelt- und Entwicklungspolitik, spricht als einer der ersten CDU-Politiker von Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

Kampfkandidatur gegen Hermann Biechele

Seiner Karriere tut dies keinen Abbruch. 1980 bietet sich ihm die große Chance zu Hause am Bodensee. Hermann Biechele, der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Konstanz, will noch einmal antreten, auch wenn ihm Schwiegersohn Volker Kauder als Nachfolger vorschwebt.

Repnik grätscht dazwischen und wagt eine Kampfkandidatur gegen Biechele – die er gewinnt. Für die folgenden 25 Jahre vertritt er im Bundestag den Wahlkreis, den er bis zum Schluss als den schönsten in ganz Deutschland bezeichnet.

65,2 Prozent der Erststimmen

Welches Ansehen Repnik in seinem Wahlkreis genoss, zeigt sich schon an seinen Wahlergebnissen. Bei sieben Bundestagswahlen holte er das Direktmandat, 1983 mit 65,2 Prozent der Erststimmen. Möglich wurde dieser Erfolg auch durch seine Gabe, auf Menschen zuzugehen.

Hans-Peter Repnik war ein nahbarer Politiker. Termine und Einladungen im Wahlkreis waren ihm keine Last, sondern Freude. Er redete gerne mit den Bürgern und sprach sie, wo immer es ging, mit Namen an – sein enormes Personengedächtnis machte es möglich.

Immer ein gutes Gespann: Wolfgang Schäuble (l.), im Jahr 2000 Fraktionschef der Union, und Hans-Peter Repnik, Parlamentarischer ...
Immer ein gutes Gespann: Wolfgang Schäuble (l.), im Jahr 2000 Fraktionschef der Union, und Hans-Peter Repnik, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. | Bild: Wolfgang Kumm, dpa

Dazu kam ein tief sitzender Respekt vor anderen Meinungen: Den politischen Gegner herabzuwürdigen, so wie dies heute an der Tagesordnung ist, war seine Sache nie. Bei der Feier zu seinem 70. Geburtstag auf der Insel Mainau im Mai 2017 sprach Parteifreund Andreas Jung aus, was die meisten Gäste im Saal dachten: „Er ist eine ehrliche Haut und ein Pfundskerl.“

Flüchtlingspolitik lag ihm am Herzen

Auch politisch ließ sich Repnik nie verbiegen. Wo es sein musste, widersprach er. So etwa in der Flüchtlingspolitik, die ihm persönlich am Herzen lag, weil er wegen des Schicksals seines Vaters wusste, wie schwer der Verlust der Heimat für einen Menschen wiegen kann.

Schon als Staatssekretär in den 90er-Jahren forderte er mehr Engagement für Afrika, weil sich nur dadurch eine Massenflucht nach Europa verhindern lasse.

Der damalige CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz, die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der Parlamentarische Geschäftsführer der ...
Der damalige CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz, die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Repnik (v.l.), bereiteten im Dezember 2000 die Sitzungswoche im Bundestag vor. | Bild: Stephanie Pilick, dpa

Ebenso weitsichtig agierte er mit Blick auf die Nachfolgestaaten der zerbrochenen Sowjetunion, die er in dieser Zeit bereiste. „Wir müssen Russland von den Rändern her stabilisieren“, mahnte er bei einem Besuch in Usbekistan und Kirgisien. Die Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen, die sich dort abzeichnen, besorgten ihn zutiefst – zu Recht, wie sich drei Jahrzehnte später beim russischen Angriff auf die Ukraine zeigte.

Rückzug 2005 aus freien Stücken

Dennoch blieb Repnik das Ministeramt verwehrt, weil im Unionsproporz die Entwicklungshilfe traditionsgemäß der CSU zufiel.

Der CDU-Mann zog die Konsequenzen und wechselte nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 in die Fraktionsspitze, wo er als Parlamentarischer Geschäftsführer eng mit den damaligen Fraktionschefs zusammenarbeitete, erst mit Wolfgang Schäuble, dann mit Friedrich Merz. Dazu kamen im Laufe eines langen Politikerlebens viele Posten und Aufgaben, sei es als Bezirksvorsitzender der CDU in Südbaden oder als baden-württembergischer Landesgruppenchef im Bundestag.

Hans-Peter Repnik in seinem letzten Bundestagswahlkampf 2002.
Hans-Peter Repnik in seinem letzten Bundestagswahlkampf 2002. | Bild: fvb

Umso größer war die Überraschung, als er sein Bundestagsmandat 2005 aus freien Stücken aufgab und den Weg für seinen Nachfolger Andreas Jung aus Stockach freimachte, mit dem er bis zuletzt politisch und persönlich eng verbunden blieb. Auch seinen Posten als Vorstandschef für den Recycling-Riesen Duales System Deutschlands (DSD), den er seit 2003 ausübte, legte er nieder.

Im Feriendomizil in Slowenien fast so zuhause wie in Markelfingen

Zum Ruheständler eignete sich Repnik jedoch auch nach dem Ausstieg aus dem Hamsterrad der Tagespolitik nicht. Bis 2012 blieb er Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Dazu kamen zahlreiche Ehrenämter, Verpflichtungen und neue Aktivitäten. Mit seinen beiden Brüdern Friedhelm und Hermann gründete er eine Immobilienfirma auf dem ehemaligen Fahr-Firmengelände in Gottmadingen.

Trotzdem blieb endlich mehr Zeit für die Familie, für Ehefrau Beate, die beiden Töchter und die drei Enkelkinder. Mit ihnen verreiste er gerne nach Slowenien, wo ihm das frühere Elternhaus des Vaters als Feriendomizil diente. Dort fühlte er sich fast genauso zu Hause wie in Markelfingen, knüpfte viele Freundschaften und wurde für sein Engagement mehrfach ausgezeichnet.

Zwei Tage vor Schäubles Tod noch telefoniert

Ein politischer Mensch blieb Repnik bis zuletzt. Die Entwicklung in Deutschland und im Wahlkreis verfolgte er weiter mit größtem Interesse, stets in engem Austausch mit den früheren Wegbegleitern, insbesondere mit seinem Nachfolger Andreas Jung, dem er mit Rat und Tat zur Seite stand. Auch der Kontakt mit Wolfgang Schäuble blieb ihm wichtig.

Hans-Peter Repnik wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag in Markelfingen. Nun ist der CDU-Politiker 77-jährig verstorben.
Hans-Peter Repnik wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag in Markelfingen. Nun ist der CDU-Politiker 77-jährig verstorben. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Als dessen Ehefrau Ingeborg im Sommer 2023 nach einem schweren Fahrradunfall in der Schmieder-Klinik im Nachbarort Allensbach untergebracht wurde, stand er dem Freund bei. An Heiligabend 2023, zwei Tage vor Schäubles Tod, telefonierten die beiden ein letztes Mal.

An der Trauerfeier Anfang 2024 in Offenburg konnte Repnik trotz seines angegriffenen Gesundheitszustands teilnehmen, wenn auch unter größten Mühen. Schäubles Tochter Christine Strobl würdigte ihn in ihrer Trauerrede als „echten politischen Freund“ ihres Vaters. Mit dem Langzeitgefährten vom Bodensee habe ihr Vater am liebsten über die großen Linien nachgedacht – „dabei ging es ihm immer am besten.“

Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Repnik im Februar beim Wahlkampfauftritt von Friedrich Merz in Singen. Da sah man ihm die Krankheit zwar an, aber er sei noch relativ gut beieinander gewesen, sagt der Konstanzer CDU-Abgeordnete Andreas Jung, der mit Repnik wöchentlich in Kontakt stand.

Der Konstanzer CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung gratuliert Hans-Peter Repnik zu seinem 70. Geburtstag.
Der Konstanzer CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung gratuliert Hans-Peter Repnik zu seinem 70. Geburtstag. | Bild: Oliver Hanser

Der Palliativstation am Singener Klinikum verstorben

Am Samstag ist Hans-Peter Repnik im Klinikum Singen nach langer, schwerer Krankheit verstorben. Schon längere Zeit hatte er dort auf der Palliativstation gelegen. Dem Team dort war er unendlich dankbar für die einfühlsame Begleitung, wie die Familie den SÜDKURIER wissen ließ. Das Datum für die Trauerfeier steht noch nicht fest.