Ortenberg ist eine Gemeinde im vorderen Kinzigtal und Weinbauort. Einige der knapp 3500 Einwohner leben hier vom Anbau eines spritzigen Rieslings oder kräftigen Spätburgunders. In dem kleinen Vorort von Offenburg herrscht direkt neben der Pfarrkirche das ganze Jahr Fasnachtsstimmung in einem kleinen Narrenmuseum.
Wenn man das alte Schulhaus betritt, stehen, nein hängen fein säuberlich aufgereiht Hansele und Fleckle, Weißnarren, Hexen und Teufel und viele andere Figuren der schwäbisch-alemannischen Fasnacht. Als Marionetten, originalgetreu nachgebaut von Peter Scharte. Der hat vor rund 30 Jahren damit begonnen, Fasnachtsfiguren als Marionetten nachzubauen.
Mit einer Marionette fing alles an
„Begonnen hat alles damit, dass meine Frau zum Geburtstag eine Lehrer-Marionette geschenkt bekam“, erinnert sich Peter Scharte zurück. Die an sechs Schnüren befestigte, bewegliche Puppe bekam einen Ehrenplatz im Haus. Den Kindern gefiel allerdings nicht, dass die Marionette so einsam von der Decke hing.

Da zu diesem Zeitpunkt die ganze Familie, außer dem Papa, närrisch bei den Offenburger Klämmerli aktiv war, einer Fasnachtsfigur mit einem Häs, das mit Wäscheklammern bestückt ist, fragten die Kinder, ob der Papa der Lehrermarionette nicht Gesellschaft in Form einer Fasnachtsfigur bescheren könnte.
Zuerst das Offenburger Klämmerli
Also setzte er sich hin und begann zu zeichnen, zu nähen, zu modellieren und zu malen. Bis die erste Fasnachtsmarionette, das Offenburger Klämmerli, dem Original täuschend echt nachempfunden fertig war. Frau und Kinder waren begeistert und Peter Scharte hatte die Leidenschaft für das Herstellen von Fasnachtsmarionetten für sich entdeckt.
„Daraus sind in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr als 200 Marionetten geworden“, sagt Scharte verschmitzt lachend. Darunter auch etliche vom Bodensee und aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wie der Villinger Narro und der Wuescht, der Schwenninger Hansel, das Überlinger Hänsele, das St. Georgener Fohrebobbele oder der Lindauer Binsengeist.
Nach dem eigenen Körpermaß
Genau 44 Zentimeter groß sind die Marionetten, die Peter Scharte im Maßstab 1:4 anfertigt. Woher kommt das Maß? „Ich habe meine Körpergröße als Maß genommen und ich bin 1,76 Meter groß“, lüftet er das Geheimnis. Eine einheitliche Größe war ihm wichtig. „Ich hab mal eine Ausstellung gesehen, da war die eine Puppe 25 und die andere 45 Zentimeter groß, das hat mir nicht gefallen.“

Größtmögliche Detailgenauigkeit bei der Herstellung der Marionetten war dem ehemaligen Ingenieur schon von Berufs wegen wichtig. Um die Häser und Kleidle der unterschiedlichsten Fasnachtsfiguren so originalgetreu wie möglich anfertigen und die Masken so identisch, wie es nur geht, nachmodellieren zu können, hat Peter Scharte die jeweiligen Narrenzünfte angefragt.
Wertvolle Häser ausgeborgt
Am Anfang habe es einiges an Überredungs- und Überzeugungskunst gekostet, bis ihm die Vereine die wertvollen Häser leihweise überließen. Doch nach und nach konnte Scharte das Vertrauen der Zünfte für sich gewinnen. „Bis auf eine Zunft haben mir alle ihre Häser zur Verfügung gestellt“, freut sich der Marionettenbauer. Wobei er manchmal auch für große Werte bürgen musste: „Beim Villinger Narro musste ich für einige Tausend Euro unterschreiben.“
Der Körper jeder Marionette besteht aus geformtem Schaumstoff, aufgepolsterter Watte und Holzstäben. Die Masken formt er aus Modelliermasse. Die Häser und Kleidle fertigt er aus Stoffen, die er selbst zuschneidet und einfärbt. Auch die Accessoires wie Geschell, Hexenbesen oder Rätschen fertigt er detailliert und maßstabsgetreu nach.
Museum im alten Schulhaus
Vor zehn Jahren ist die Sammlung der über 200 Fasnachtsmarionetten aus dem Privathaus Schartes in das zum Narrenmuseum umgestaltete alte Schulhaus in Ortenberg umgezogen. Neue Marionetten kommen allerdings keine mehr hinzu. „Gesundheitliche Gründe“ sagt der heute 76-Jährige.
Dennoch entwickelt sich das Narrenmuseum weiter. Seit Herbst vergangenen Jahres haben mit Gunther Seckinger und Wolfgang Vollmer zwei oberrheinische Vollblutnarren das Zepter übernommen und das Narrenmuseum mit der Gründung eines Museums- und Geschichtsvereins auf eine zukunftssichere Basis gestellt.
Jetzt wird das Museum digital
Sie wollen das Museum interaktiv aufwerten. QR-Codes an den Marionetten sollen den Besuchern weitergehende Informationen zu den jeweiligen Fasnachtsfiguren geben. In einer extra eingerichteten Schnitz-Ecke wird die Entstehung einer Fasnachtsmaske, -Larve oder –Scheme in verschiedenen Arbeitsschritten gezeigt.

„Hier können die Kinder auch selbst einmal an einem Rohling das Schnitzen ausprobieren“, sagt Wolfgang Vollmer, der selbst Maskenschnitzer ist. Zudem gibt es einen Raum mit einer Sammlung von Requisiten. Zepter, Besen, Saublasen, Rätschen und Marotten, Streckscheren und vieles andere, mit denen die Narren ihren Schabernack mit den Zuschauern am Straßenrand treiben. Zudem können die Besucher eine riesige Ausstellung von Sammlermäskle bestaunen.

In den vergangenen Monaten waren die Besuchsmöglichkeiten des Narrenmuseums durch die Pandemie reduziert. Mit dem erweiterten digitalen Angebot hoffen die Museumsbetreiber, dass sie fasnachtsbegeisterten Menschen ein paar Augenblicke närrischer Freude bescheren können.
Das Narrenmuseum in Ortenberg ist sonntags von 14 bis 16 Uhr und nach Terminvereinbarung geöffnet. Gruppenbesuche auch auf Anfrage, hier finden sich mehr Informationen. Terminvereinbarung ist auch per Mail möglich.