Winfried Hermann ist an seinen Zielen gescheitert. Zumindest daran gemessen, was sich der Grünen-Politiker 2011 zu Beginn seiner ersten Amtszeit im baden-württembergischen Verkehrsministerium selbst vorgenommen hatte.

Dem Magazin „Fairkehr“ des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) verriet Hermann damals im Interview, woran man in fünf Jahren – also 2016 – erkennen solle, dass ein Grüner als Verkehrsminister im Land gewirkt habe: „Baden-Württemberg soll sich einen Namen erworben haben als fußgänger- und fahrradfreundliches Land, der ÖPNV soll kundenfreundlicher werden und in den Köpfen den Menschen im Land soll ein Mobilitätsumdenken eingesetzt haben“. Das hatte sich der Verkehrspolitiker und Bahnexperte damals vorgenommen, als er von der Berliner Bühne der Bundespolitik in die Landespolitik und in Kretschmanns erstes Kabinett wechselte.

Vor allem für die CDU im Autoland wurde Hermann mit seinem erklärten Ziel, das Auto zugunsten anderer Verkehrsmittel zurückdrängen zu wollen, damit sofort zum Feindbild. Verbotsminister, Autohasser, personifizierte Feststellbremse, grüner Ideologe – kein anderer grüner Minister wurde derart offensiv angefeindet wie der Mann mit dem Brilli im Ohr.

Der Radfahrminister: So wird Winfried Hermann gerne dargestellt.
Der Radfahrminister: So wird Winfried Hermann gerne dargestellt. | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

Im Wahlkampf 2015 und 2016 gab es keine Veranstaltung des damaligen CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf, in dem er nicht den grünen Teufel Winfried Hermann an die Wand malte, der den Baden-Württembergern an ihr Heiligs‘ Blechle gehe, in ein Volk von Fußgängern, Bahn- und Radfahrern verwandeln und sie mit Schleichfahrt auf den Autobahnen strafen wolle. Inzwischen sitzen Wolf und Hermann friedlich gemeinsam auf der Regierungsbank und sind per Du.

Es zeigt sich: Auch nach zehn Jahren Winfried Hermann im Verkehrsministerium ist das Auto immer noch den meisten Bürgern unverzichtbar, steckt die Verkehrswende in den Kinderschuhen, lässt das Tempolimit auf den Autobahnen auf sich warten, sind die Verkehrsemissionen viel zu hoch, die Zahl der zugelassenen Elektrofahrzeuge gering und stehen die Autos mehr als je zuvor im Stau.

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Trotz der großen Anstrengungen der grün geführten Landesregierung und der Kommunen, die Verkehrswende und eine neue Mobilität in Gang zu bringen, ist für die überwiegende Mehrheit der Menschen im Südwesten Verkehr vor allem immer noch individueller Autoverkehr. In den ländlichen Regionen weit mehr als in den urbanen Zentren.

Alternativen fehlen

Gleichzeitig gestaltet sich der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Kapazitäten schwierig, vor allem im ländlichen Raum fehlen alternative Mobilitätsangebote zum eigenen Auto. Die Menschen sollen das Auto stehen lassen und umsteigen – aber da ist vielerorts nichts zum Umsteigen.

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Knapp jeder Dritte stellt der Verkehrspolitik der grün-schwarzen Landesregierung dennoch ein gutes Zeugnis aus, 39 Prozent der Bürger bewerten sie kritisch – aber ein Drittel weiß zu wenig darüber, um sich ein Urteil zu bilden. Dieses Bild zeigt der zweite Teil des BaWü-Checks der baden-württembergischen Tageszeitungen, bei dem das Institut für Demoskopie Allensbach diesmal die Bürger zur Verkehrspolitik des Landes, zum Zustand der Verkehrsinfrastruktur und zu den aus ihrer Sicht größten verkehrspolitischen Herausforderungen befragte.

Wenn knapp zwei Drittel der Bürger (64 Prozent) der Auffassung sind, dass in den letzten Jahren zu wenig in Verkehrsinfrastruktur investiert wurde, meinen sie damit vor allem den Bau und Erhalt von Straßen und Brücken – und nicht Radwege und Schiene. Mehr Radwege oder Carsharingangebote stehen auf der Wunschliste dagegen weit unten.

Bild 2: Ist Verkehrminister Winfried Hermann an seinen Zielen gescheitert? Der BaWü-Check zeigt: Ganz so einfach ist es nicht
Bild: Bernhardt, Alexander

Die Wahrnehmung, dass das Land zu wenig Geld in die Infrastruktur steckt, hat sich in Hermanns Amtszeit als Verkehrsminister sogar deutlich verstärkt. 2015 hielt in einer Landesstudie des Allensbacher Instituts noch jeder Fünfte die Investitionen des Landes für ausreichend, beim BaWü-Check des Jahres 2020 sind es nur noch neun Prozent der Bürger.

Ein Viertel kennt ihn nicht

Es ist ein zweifelhaftes Kompliment für Winfried Hermann, dass viele Bürger die Schuld daran nicht bei ihm sehen – denn mehr als einem Viertel der Baden-Württemberger (26 Prozent) ist der grüne Verkehrsminister völlig unbekannt. Und über ein Drittel der Bürger (36 Prozent) weiß so wenig über seine Arbeit, dass sie sich kein Urteil darüber zutrauen.

„Dicke Bretter zu bohren“

Matthias Lieb, Landesvorsitzender des VCD, begleitet Hermanns Wirken schon einige Jahre. Soll er den Minister bewerten, fällt das Urteil insgesamt doch positiv aus. „Es ist schon deutlich erkennbar, dass es in der Verkehrspolitik ein Umdenken gegeben hat, es wurden die richtigen Themen gesetzt“, sagt Lieb und nennt als jüngstes Beispiel die von Hermann gerade vorgestellten Pläne zur Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken, von denen sich Lieb speziell im ländlichen Raum viel erhofft. „Aber manche Maßnahmen dauern sehr lange, bis sie umgesetzt werden und wahrgenommen werden können. Und in der Verkehrspolitik muss man sehr dicke Bretter bohren.“

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Aber die Klimaschutzbewegung und das wachsende Bewusstsein in der Bevölkerung, welche Verantwortung jeder Einzelne auch mit seinem Mobilitätsverhalten für den Klimawandel trägt, könnte Hermann beim Bohren dieser dicken Bretter helfen.

Der Nachwuchs denkt und lenkt um

Denn während vor allem bei der älteren Generation Mobilität mit dem Auto verbunden ist, zeigt der BaWü-Check, dass bei den nachwachsenden Generationen bereits ein Umdenken eingesetzt hat. Sie reden nicht nur vom Klimaschutz, sondern sind auch bereit, sich entsprechend zu verhalten. Für sie ist der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel doppelt so wichtig wie der Ausbau von Straßen und die Bereitschaft, auf Elektroautos umzusteigen, deutlich höher.

Und mittlerweile gibt es nun auch eine relative Mehrheit in der Bevölkerung für ein Tempolimit – das Bewusstsein dafür ist gewachsen, dass ein Tempolimit auf den Autobahnen neben deutlich weniger Emissionen auch mehr Sicherheit mit sich bringt. Das war eines der Ziele, für das sich Winfried Hermann seit zehn Jahren im Land verkämpft hat.

„Politik beginnt im Kopf. Menschen können umdenken, ihr Verhalten ändern. Ich will gerne meinen Beitrag in der Geschichte sehen, dass die Menschen in Baden-Württemberg während meiner Amtszeit in der Mobilität umgedacht haben“, hatte Hermann 2011 gesagt. Erste Anzeichen dafür sind zumindest da. Und Hermanns Amtszeit könnte ja auch noch in die Verlängerung gehen. Bei der Landtagswahl 2021 tritt der 68-Jährige noch einmal an.