Seit bald zehn Jahren regieren die Grünen in verschiedenen Koalitionen in Baden-Württemberg. Oberster Lenker der Verkehrspolitik ist seit 2011 mit Winfried Hermann ebenfalls ein Grüner. Doch eine echte Verkehrswende ist im Land nicht in Sicht. Diese Erkenntnis gehört zu den Ergebnissen des zweiten Bawü-Checks, einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des baden-württembergischen Tageszeitungen, durchgeführt vom Allensbacher Institut für Demoskopie (IfD).

Auf das Auto will kaum einer verzichten

Bild 1: Auto unverzichtbar, Ja zu Tempolimit, wenig Begeisterung für S21: So denkt Baden-Württemberg über die Verkehrspolitik im Land
Bild: Bernhardt, Alexander

Verkehrspolitik und Mobilität werden zwar zunehmend unter Klimaschutzaspekten diskutiert. Doch das Mobilitätsverhalten der Menschen im Land hat sich nur bedingt verändert. Nach wie vor ist das Auto für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung das mit Abstand wichtigste Fortbewegungsmittel.

Gut drei Viertel der Baden-Württemberger nutzen ihr Auto täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich. Für die allermeisten von ihnen ist der eigene Pkw unverzichtbar und ein Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr keine echte Alternative. 68 Prozent derer, die täglich oder mehrmals in der Woche mit dem Auto unterwegs sind, schließen einen Umstieg auf den ÖPNV für sich aus, lediglich 20 Prozent sehen darin eine ernsthafte Alternative.

Baden-Württemberg im Investitionsstau

Bild 2: Auto unverzichtbar, Ja zu Tempolimit, wenig Begeisterung für S21: So denkt Baden-Württemberg über die Verkehrspolitik im Land
Bild: Bernhardt, Alexander

In der baden-württembergischen Bevölkerung herrscht ein breiter Konsens, dass in den letzten Jahren zu wenig in die Verkehrsinfrastruktur des Landes investiert worden ist. Davon sind 64 Prozent der Bürger überzeugt. Lediglich knapp jeder Zehnte ist der Auffassung, dass in den letzten Jahren ausreichend in den Bau und Erhalt von Straßen, Brücken und anderer Verkehrsinfrastruktur investiert wurde.

Im Vergleich mit einer Landesstudie des Allensbacher Instituts aus dem Jahr 2015 wird deutlich, dass sich der Eindruck, dass ausreichend in die Verkehrsinfrastruktur investiert werde, in den letzten Jahren sogar zurückentwickelt hat. 2015 hielt noch jeder Fünfte die Investitionen für ausreichend.

Stuttgart 21

Bild 3: Auto unverzichtbar, Ja zu Tempolimit, wenig Begeisterung für S21: So denkt Baden-Württemberg über die Verkehrspolitik im Land
Bild: Bernhardt, Alexander

Das Bahnprojekt Stuttgart 21 bewegte in der Hochphase der Auseinandersetzung um den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs große Teile der Bevölkerung. Mittlerweile hat das Thema an Aufmerksamkeit verloren, das Meinungsbild hat sich jedoch nur wenig verändert. Aktuell stehen vier von zehn Baden-Württemberger S21 kritisch gegenüber.

Verkehrsinfrastruktur mangelhaft

Bild 4: Auto unverzichtbar, Ja zu Tempolimit, wenig Begeisterung für S21: So denkt Baden-Württemberg über die Verkehrspolitik im Land
Bild: Bernhardt, Alexander

Analog zur Wahrnehmung des Investitionsstaus im Land fällt auch das Urteil über die bestehende Verkehrsinfrastruktur eher verhalten aus. Dabei bewerten die Bürger die Autobahnen in Baden-Württemberg tendenziell noch etwas positiver als die Straßen im Nahbereich. Immerhin jeder Zweite stellt den Autobahnen in Baden-Württemberg ein gutes Zeugnis aus, 46 Prozent auch den Straßen in ihrer näheren Umgebung. 39 Prozent beurteilen die Straßen im Nahbereich hingegen pauschal kritisch, weitere 13 Prozent ziehen die Bilanz, dass die Straßen in einem ganz unterschiedlichen Zustand sind.

Der schlechte Zustand vieler Straßen gehört aus Sicht der baden-württembergischen Bevölkerung dementsprechend auch zu den großen verkehrspolitischen Herausforderungen des Landes. 45 Prozent sehen im schlechten Zustand vieler Straßen ein großes Problem.

Das könnte Sie auch interessieren

Tempolimit steht hoch im Kurs

Bild 5: Auto unverzichtbar, Ja zu Tempolimit, wenig Begeisterung für S21: So denkt Baden-Württemberg über die Verkehrspolitik im Land
Bild: Bernhardt, Alexander

Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz wird regelmäßig auch über ein generelles Tempolimit auf Autobahnen diskutiert. Verkehrsminister Winfried Hermann gilt als ein Befürworter einer Geschwindigkeitsbegrenzung und wird dabei von einer relativen Mehrheit der Baden-Württemberger unterstützt. 47 Prozent würden ein generelles Tempolimit auf den Autobahnen begrüßen, nur gut jeder Dritte spricht sich eindeutig gegen eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit aus.

Vor die Wahl gestellt, fänden 37 Prozent der Bürger eine Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern am besten, 31 Prozent plädieren für eine Begrenzung auf 140 km/h.

Das könnte Sie auch interessieren

Keine Präferenz für den öffentlichen Nahverkehr

Bild 6: Auto unverzichtbar, Ja zu Tempolimit, wenig Begeisterung für S21: So denkt Baden-Württemberg über die Verkehrspolitik im Land
Bild: Bernhardt, Alexander

Da sowohl der öffentliche Nahverkehr als auch der Zustand des Straßennetzes von der Bevölkerung kritisch gesehen werden, stehen für die große Mehrheit Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr auch nicht in Konkurrenz zum Ausbau des Straßennetzes. Im Gegenteil: 56 Prozent plädieren dafür, dass zukünftig sowohl in den Ausbau des ÖPNV als auch in den Bau und die Sanierung von Straßen investiert werden soll. Nur 17 Prozent halten die Erneuerung des Straßennetzes für ein vorrangiges Ziel der Verkehrspolitik, 23 Prozent den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Lediglich in der jungen Generation spricht sich eine relative Mehrheit dafür aus, zukünftig vor allem in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu investieren. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass das Auto für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung weiterhin das mit Abstand wichtigste Fortbewegungsmittel darstellt.

Wechsel aufs E-Auto

Bild 7: Auto unverzichtbar, Ja zu Tempolimit, wenig Begeisterung für S21: So denkt Baden-Württemberg über die Verkehrspolitik im Land
Bild: Bernhardt, Alexander

Die Alternative zum Verzicht auf das eigene Auto wäre im Sinne des Klimaschutzes der Umstieg auf ein Fahrzeug mit einer emissionsarmen Antriebstechnologie. Doch obwohl die Mehrheit überzeugt ist, dass der Elektromobilität die Zukunft gehört und die Politik diese Antriebstechnologie auch fördert, fehlt es dieser Antriebsart nach einem breiten Rückhalt in der Bevölkerung.

Immerhin für jeden Dritten käme es in Frage, sich in den nächsten Jahren ein Elektroauto zu kaufen. Damit liegen die Potentiale für Elektroautos im Südwesten deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Aufgeschlossen sind besonders die junge und die mittlere Generation.

Das könnte Sie auch interessieren

Schlechte Straßen, Staus, teure Tickets

Bild 8: Auto unverzichtbar, Ja zu Tempolimit, wenig Begeisterung für S21: So denkt Baden-Württemberg über die Verkehrspolitik im Land
Bild: Bernhardt, Alexander

Neben dem schlechten Zustand der Straßen, zählen zu den großen Verkehrsproblemen im Land nach Auffassung der Bürger die Überlastung durch den Verkehr, Defizite im öffentlichen Nahverkehr sowie die schlechte Verkehrsanbindung. 52 Prozent halten die hohen Preise im ÖPNV für das größte verkehrspolitische Problem im Land, 50 Prozent die vielen Staus, 43 Prozent auch den Mangel an Parkmöglichkeiten in den Innenstädten.

Weitere 41 Prozent sehen in der Überlastung der Innenstädte ein großes Problem, 38 Prozent in der schlechten Verkehrsanbindung ländlicher Regionen generell, knapp jeder Dritte zudem in der schlechten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Themen, die im Zusammenhang mit dem Umweltschutz diskutiert werden, gehören aus Sicht der Mehrheit weit weniger zu den verkehrspolitischen Baustellen.