Ein kurzer Blick auf die Altersstruktur der Abgeordneten im Landtag von Baden-Württemberg macht schnell deutlich: Die Generation der 18- bis 30-Jährigen ist kaum vertreten. Bislang ist keiner zwischen 18 und 25 Jahren alt und nur einer unter 30. Doch das wird sich ändern, wenn der neue Landtag im Mai das erste Mal antritt.
Grüne mit drei Mitzwanzigern im Landtag
Bei den Grünen beispielsweise haben sich bei der Landtagswahl vor knapp zwei Wochen drei Mitzwanziger einen der begehrten Plätze in Stuttgart gesichert. Einer davon ist Niklas Nüssle. Der 26-Jährige aus Wutöschingen im Landkreis Waldshut ist, wie er dem SÜDKURIER erzählt, sogar nur das drittjüngste Parteimitglied im Landtag. Seine beiden jüngeren Parteifreunde sind jeweils 1995 geboren. „Es freut mich natürlich, unter den Jugendlichen nicht alleine zu sein“, sagt Nüssle.
Trauschel ist „das Küken“ im Landtag
Und dann gibt es bei der FDP noch eine Frau, die mit ihren gerade einmal 22 Jahren den Sprung in den Landtag geschafft hat, was sie nach eigener Aussage „total verrückt“ findet: Alena Trauschel aus Ettlingen im Landkreis Karlsruhe ist sozusagen „das Küken“ – sie ist parteiübergreifend die jüngste Abgeordnete. Doch nicht nur das: Trauschel ist mit 22 Jahren und einem Monat zum Zeitpunkt der Wahl sogar die Jüngste aller Abgeordneten in der Geschichte des Landtags.
Der jüngste Abgeordnete der SPD ist 34 Jahre alt
Sowohl Niklas Nüssle als auch Alena Trauschel sind aber nach wie vor Ausnahmen, zumindest wenn es nach dem Alter geht. Bei der SPD beispielsweise ist der jüngste Abgeordnete, wie die Landesgeschäftsstelle auf SÜDKURIER-Anfrage informiert, Jan-Peter Röderer aus Ebersbach. Und das mit bereits 34 Jahren. Auch nur ein paar Jährchen jünger ist nach Angaben der CDU-Geschäftsstelle „das Nesthäkchen“ der Christdemokraten. Matthias Miller aus dem Wahlkreis Böblingen wurde 1991 geboren.
Angst wegen ihres jungen Alters haben die Nachwuchs-Politiker Niklas Nüssle und Alena Trauschel nicht. Sie blicken voller Vorfreude den kommenden fünf Jahren entgegen. Aber was reizt einen jungen Politiker überhaupt an der Landespolitik?

Nüssle: „Ein wichtiges Zeichen für den Landtag“
„Meine Herzensthemen, die mich generell in die Politik gebracht haben, sind auch der Grund, warum ich in den Landtag einziehen wollte“, erklärt Niklas Nüssle, der sich im Wahlkreis Waldshut bei der Landtagswahl das Direktmandat geholt hatte. Er betont: „Wir Grünen sind natürlich auch die perfekte Partei für junge Mitglieder, das sage ich ganz selbstbewusst.“ Er finde es gar nicht komisch, sondern gut, dass es vermehrt junge Leute im Parlament gibt: „Das ist ein wichtiges Zeichen für den Landtag.“
Das Wissen aus dem Studium einbringen
Der 26-Jährige hat Chemie- und Bioingenieurswissenschaften studiert und sich nach eigener Aussage viel mit erneuerbaren Energien beschäftigt. Für den Klima- und Umweltschutz will er sein Wissen nun auf Landesebene einbringen: „Mein Anliegen ist es, dass die Energiewende in unserer Region ein Erfolg wird. Auf Landesebene werden viele wichtige Planungen für den Klimaschutz getroffen“, betont Nüssle, der ein Jahr nach seinem Eintritt in die Partei Vorsitzender des Kreisverbandes Waldshut wurde, 2019 den Einzug in den Wutöschinger Gemeinderat schaffte und sich zudem einen Sitz im Kreistag holte. Großen Wert legt Nüssle auf das Thema Mobilität: „Da hat der Landtag eine starke Entscheidungsmacht, die es zu nutzen gilt.“
Nervosität wich der Euphorie
Trotz seiner 26 Jahre ist die Politik alles andere als Neuland für den Wutöschinger. Extrem aufregend sei es dennoch gewesen, als frisch gebackener Abgeordneter das erste Mal nach Stuttgart zu fahren. „Es ist gerade sehr spannend für mich. Man weiß einfach nicht ganz genau, was einen erwartet.“ Er habe aber auf jeden Fall bei der ersten Fraktionsversammlung sofort das Gefühl gehabt, die Kollegen schon lange zu kennen. „Die Nervosität wich der Euphorie“, sagt er.
Viel Wert auf die Heimatregion
Ganz wichtig ist ihm weiterhin seine Region: „Ich habe weiter vor, so viel Zeit wie möglich in meinem Wahlkreis zu verbringen.“ Das sei in seinen Augen ein Vorteil des Landtags im Vergleich zum Bundestag. Denn Nüssle möchte sowohl im Gemeinde- als auch im Kreistag bleiben: „Ich will den Fuß weiter in der Türe haben. Und was den Klimaschutz angeht, sind es eben oft die Kommunen, die das Thema voranbringen können.“
Trauschel „überwältigt und dankbar“
Alena Trauschel wurde ein Tag nach der Wahl bewusst, dass es in der Geschichte des Landtags noch nie eine jüngere Abgeordnete gegeben hat. Die Studentin der Volkswirtschaftslehre spricht von einem überwältigenden Gefühl – und von großer Dankbarkeit: „Ich freue mich extrem, dass ich so viel Vertrauen bekomme.“ Verrückt sei das Gefühl gewesen, als sie in Stuttgart realisiert habe, dass dies für die kommenden fünf Jahre ihr Arbeitsplatz sein wird.
Die Generation unter 30 Jahren müsse, wie es Alena Trauschel ausdrückt, in der Landespolitik dringend mehr Gehör finden. Ihr Parabeispiel dafür: Digitalisierung: „Meine Generation ist damit groß geworden. Wir haben die Entwicklungsschritte miterlebt“, sagt die Ettlingerin, für die es ihr Herzensthema ist: „Ich weiß, welche Möglichkeiten es gibt und wie sich diese umsetzen lassen“, betont sie selbstbewusst.
Inhalt entscheidend, nicht das Alter
Dass sie erst 22 Jahre alt ist, sei in ihrer Partei kein Problem. Bei der ersten Fraktionssitzung sei sie sofort gut integriert worden: „Das schätze ich an der FDP. Wenn man inhaltlich argumentiert, spielt das Alter gar keine Rolle“, sagt sie. Und genau das wolle sie tun. Inhaltlich argumentieren.
Neben der Digitalisierung und der Bildungspolitik, die nach Trauschels Einschätzung eines ihrer Steckenpferde sein wird, ist ihr das Handwerk „wahnsinnig wichtig“: „Es gibt so tolle Ausbildungsberufe. Das müssen wir mehr fördern“, sagt sie.
Schlüsselerlebnis in der Schule
Seit 2017 ist sie Mitglied der FDP. Zudem ist Trauschel im Bundesvorstand, stellvertretende Vorsitzende des FDP-Stadtverbands Ettlingen und Mitglied im Landesvorstand der Liberalen Frauen. Doch warum zieht es Trauschel in der Landespolitik? Ein Schlüsselerlebnis in der 9. oder 10. Klasse, wie sie selbst erzählt, war der Grund dafür.
Eine Lehrerin, die damals nicht einmal 40 Jahre alt war, habe damals den Computer versehentlich heruntergefahren und anschließend behauptet, dass der PC abgestürzt sei. „Die ganze Klasse wusste, was Sache war“, erinnert sie sich. Mir hat das gezeigt, dass in Sachen Digitalisierung großer Nachholbedarf besteht.
Gewohnt, die Jüngste zu sein
Als Schülersprecherin habe sie sich bereits viel für bessere Bildung eingesetzt. „Ich habe die Grenzen erlebt, die man als Schule hat“, sagt sie. Und genau an solchen Stellschrauben könne man auf Landesebene drehen: „Wir müssen als Land die Autonomie der Schulen stärken“, sagt die Frau, die es gewohnt ist, sich gegen Ältere zu behaupten. Woher? Trauschel hat zwei Brüder, die sechs beziehungsweise acht Jahre älter als sie sind.