Am Sonntag um 20.20 Uhr strahlt die ARD den neuen Schwarzwald-Tatort aus. Die Gerichtsszenen dafür sind jedoch nicht in Freiburg, sondern im Karlsruher Landgericht gedreht worden.

Nach den Worten von Regisseur Rudi Gaul war es nicht einfach, für die Folge „Ad Acta“ einen Gerichtssaal zu finden, der einerseits den drehtechnischen Anforderungen genügt und „zugleich visuell-optisch auch die Art von hoher Gerichtsbarkeit repräsentiert, die Ehrfurcht hervorruft und Unbestechlichkeit suggeriert“. Er habe speziell bei diesem Film Raumtiefe gebraucht, da er mit beobachtenden Optiken arbeiten wollte. „Das Landgericht war dafür das perfekte Motiv“, sagt Gaul.

Innenaufnahme des Schwurgerichtssaals im Landgericht Karlsruhe. Dort entstanden die Gerichtsaufnahmen für den neuen Schwarzwald-Tatort.
Innenaufnahme des Schwurgerichtssaals im Landgericht Karlsruhe. Dort entstanden die Gerichtsaufnahmen für den neuen Schwarzwald-Tatort. | Bild: Uli Deck/dpa

Richter werden zu Komparsen

„Besonders toll war, dass uns die Richterinnen und Richter dort während des Drehs mit Expertise zur Seite standen“, sagt er und verrät, dass diese als Komparsen in den Szenen aus dem Schwurgerichtssaal auftreten.

Die neue Episode dreht sich um den Mord an einem Anwalt. Dieser Teil wurde tatsächlich in der Nähe von Freiburg gefilmt, wie eine Sprecherin des Südwestrundfunks (SWR) mitteilte, nämlich in der Umgebung von Merzhausen. Der markante Hof von Kommissar Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) wiederum liege in Oberried, ebenfalls im Freiburger Umland.

Ein Freispruch mit Fragezeichen

Die Folge ist auch dank der guten Bildgestaltung in jeder Hinsicht sehenswert. Die Handlung beginnt mit einem Freispruch, das Publikum im Gerichtssaal jubelt: Rainer Benzinger hat es wieder mal geschafft. Die Klientel des Verteidigers stammt aus der dunklen Seite der Gesellschaft. Der Jurist vertritt bevorzugt Rocker, Rechtsradikale und Clan-Mitglieder, er hat eine beeindruckende Erfolgsquote.

Rainer Benzinger (August Zirner) macht bei den Ermittlungen im Mord an seinem Stiefsohn keine Kompromisse, sondern schützt die Kanzlei.
Rainer Benzinger (August Zirner) macht bei den Ermittlungen im Mord an seinem Stiefsohn keine Kompromisse, sondern schützt die Kanzlei. | Bild: Christian Koch/SWR

Schon allein die Besetzung dieser Rolle mit August Zirner ist ein Gewinn für den Film. Kurz drauf wird Benzingers Stiefsohn Tobias ermordet. Die Tat gleicht einer Hinrichtung. Der junge Mann arbeitete in der Kanzlei seines Stiefvaters, er hatte einen Umschlag mit 100.000 Euro dabei.

Angesichts der zweifelhaften Kanzlei-Mandanten vermuten Berg und Franziska Tobler (Eva Löbau) von der Kripo Freiburg zunächst, dass die organisierte Kriminalität ihre Finger im Spiel hat. Eine Schlüsselszene des Films ist ein Gespräch zwischen Tobler und einer Richterin. Die Polizistin fragt nach Gerechtigkeit und bekommt die desillusionierende Antwort, vor Gericht gehe es vor allem um Schadensausgleich.

Handlungsreiches Drehbuch

Bernd Lange ist der Schöpfer des Freiburger Duos, er hat seinerzeit auch das Drehbuch zum Debüt von Tobler und Berg geschrieben. Dieses Mal bringt er den Vater der Kommissarin ins Spiel: Die Stelle der Dezernatsleitung ist vakant.

Tobler senior (Michael Hanemann) kann sich seine Tochter sehr gut als neue Chefin vorstellen, von Berg hält er dagegen eher wenig. Lange deutet außerdem an, dass der pensionierte Polizist von einem Schatten in Bergs Vergangenheit weiß – dieser Teil der Geschichte wird jedoch nicht aufgelöst.

Franziska Tobler (Eva Löbau, von links) führt Nader Mansour (Hassan Akkouch) und Maki Benzinger (Akiko Hitomi) zur Leiche ihres Mannes ...
Franziska Tobler (Eva Löbau, von links) führt Nader Mansour (Hassan Akkouch) und Maki Benzinger (Akiko Hitomi) zur Leiche ihres Mannes und Sohnes. | Bild: Patricia Neligan/SWR

Die große Stärke des Films ist das sehr dicht umgesetzte handlungsreiche Drehbuch: Lange wirft zu Beginn diverse Fäden aus, die natürlich nur dem Anschein nach in keinerlei Zusammenhang zueinander stehen. So stellt sich zum Beispiel heraus, dass die Pistole, mit der Tobias Benzinger erschossen worden ist, schon einmal Tatwaffe war: Vor 12 Jahren ist bei einem Streit zwischen Rockern und einem albanischen Clan ein unbeteiligter Passant getötet worden.

Was es mit der Spielkarte auf sich hat

Der Kanzleichef, nach Ansicht des ehrlich empörten Berg „ein Drecksack vor dem Herrn“, hatte damals erreicht, dass der Mörder mit einer lächerlichen Haftstrafe davonkam, die Waffe war seither verschwunden. Ein selbstredend nur scheinbar nebensächliches Detail ist die abgerissene Spielkarte mit Kordel: Dieses Indiz ist die Spur, die ins Archiv der Kanzlei führt.

Um Platz und Aktenordner zu sparen, ist für Verwaltung und Justiz einst die sogenannte badische Aktenheftung erfunden worden: Die Papiere werden gelocht und durch eine Kordel verbunden, eine Spielkarte dient zur Stabilisierung. Aufgrund der Digitalisierung ist die Methode allerdings mehr und mehr ungebräuchlich.

„Man kennt seine Pappenheimer“

Regisseur Rudi Gaul.
Regisseur Rudi Gaul. | Bild: Jörg Carstensen/dpa

Gegenüber dem SÜDKURIER sagt Regisseur Rudi Gaul über den 13. Tatort aus Freiburg: „Die moralische Frage, die dieser Film aufwirft, ist überregional und rührt an das Dilemma, inwiefern sich Ermittler überhaupt für Fragen der Gerechtigkeit zuständig fühlen dürfen.“ Justiz und Polizei liefen sich immer wieder über den Weg: „Man kennt seine Pappenheimer.“

Auch die privaten Handlungsstränge des Duos Tobler und Berg seien stark in der regionalen Vetternwirtschaft verankert, zumal sich für beide auch die Frage nach dem persönlichen und beruflichen Weiterkommen in diesem regionalen Kontext stelle. Dieses Thema wird auch im nächsten Tatort aus Freiburg („Die große Angst“, Frühjahr 2025) mitschwingen.