Theoretisch sollten Schweizer Kennzeichen auf deutschen Supermarkt-Parkplätzen kaum mehr zu sehen sein. Seit 23. Dezember gilt schließlich: Ohne Quarantäne geht nichts mehr im Grenzverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz, wenn man nur einkaufen oder eine Ski-Tour machen will. Kurz vor Weihnachten verschärfte die Landesregierung die entsprechende Verordnung.

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Deutlich weniger Schweizer Auto-Kennzeichen als vor Weihnachten

Praktisch waren auch während der Feiertage und im neuen Jahr Autos aus der Schweiz in Einkaufs-Hochburgen wie Konstanz oder Waldshut unterwegs. Deutlich weniger als vor Weihnachten, aber mehr als während der Grenzschließung im Frühjahr 2020.

Das hat zwei Ursachen. Erstens ist der Grenzübertritt für Einkäufe oder Ausflüge weiterhin erlaubt, sofern man dafür eine zehntägige Quarantäne in Kauf nehmen will. Wer dies unterlässt oder die häusliche Absonderung unterbricht, muss beim ersten Verstoß mit einem Bußgeld von 500 bis 10.000 Euro rechnen, wobei der Regelsatz bei 650 Euro liegt.

Zudem sorgt der auslegungsfähige Wortlaut der geänderten Verordnung für Unklarheit, wie SÜDKURIER-Recherchen belegen: einerseits bei den Händlern im deutschen Grenzgebiet; andererseits bei der Polizei, die neben den Ordnungsämtern für die Kontrollen zuständig ist.

Wer noch etwas anderes zu tun hat, darf auch in Deutschland einkaufen

Denn für Bewohner des Grenzgebiets gelten bei Aufenthalten von weniger als 24 Stunden im anderen Land nach wie vor keinerlei Einschränkungen. Außer dieser Kurzaufenthalt geschieht „überwiegend aus touristischen Gründen oder zu Zwecken des Einkaufs“.

Anders ausgedrückt: Wer nicht nachweislich nur zum Einkaufen nach Deutschland oder zum Ausflug in die Schweiz will, sondern daneben auch einen beruflichen, schulischen, medizinischen, pflegerischen oder familiären Grund hat, darf sich die Quarantäne sparen.

Dass Schweizer in Deutschland einkaufen, wie Daniela Wagner aus Schupfart (Kanton Aargau) im Sommer 2020 in Bad Säckingen, ist weiterhin ...
Dass Schweizer in Deutschland einkaufen, wie Daniela Wagner aus Schupfart (Kanton Aargau) im Sommer 2020 in Bad Säckingen, ist weiterhin möglich – solange es nicht der „überwiegende“ Grund für die Einreise ist. | Bild: Chris Iseli

Auslegungsfähiger Verordnungstext erschwert Möglichkeit zur Kontrolle

Bei der Polizei ist man über das Wörtchen „überwiegend“ wenig erbaut. „Für die Durchführung von Kontrollen ist das unglücklich, die Rechtslage erscheint nicht ganz klar“, sagt etwa Uwe Vincon, Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit am Polizeipräsidium Konstanz.

Uwe Vincon, Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Konstanz.
Uwe Vincon, Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Konstanz. | Bild: Polizeipräsidium Konstanz

Nicht immer sei der Fall so deutlich, wie bei dem bislang einen angezeigten beanstandeten Schweizer Einkaufstouristen, der sein Vergehen laut Vincon zudem gleich eingestand. Selbst ein Schweizer Auto-Kennzeichen auf einem Supermarkt-Parkplatz sei „nicht unbedingt ein Hinweis auf eine Einkaufsfahrt. Oft wohnen auch Beschäftigte der Unternehmen in der Schweiz und fahren Autos mit ausländischen Nummernschildern“, gibt der Polizei-Sprecher zu bedenken.

Ministerium: „Ausgestaltung der Kontrollen obliegt Polizeipräsidien“

Dabei hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor Weihnachten noch sein Unverständnis über Personen ausgedrückt, die „aus Jux und Tollerei ins Ausland fahren“ und nannte die Quarantäne als Konsequenz für dieses „unvernünftige“ Verhalten.

Die Quarantäne-Pflicht aus einem Risikogebiet, zu dem Anfang Januar 2021 auch die Schweiz weiterhin gehört, gilt inzwischen auch bei ...
Die Quarantäne-Pflicht aus einem Risikogebiet, zu dem Anfang Januar 2021 auch die Schweiz weiterhin gehört, gilt inzwischen auch bei Einkaufs- oder Tourismus-Fahrten. | Bild: Stefan Puchner

Auch kündigte Strobl an, die Landespolizei „überwacht die Einhaltung der Corona-Verordnung Einreise-Quarantäne in den grenznahen Landkreisen“. Den Beamten dort fehlt es aus der Politik dagegen bisher an konkreter Handhabe für Kontrollen, wie aus Polizeikreisen zu vernehmen ist. Ein Ministeriumssprecher sagt hierzu auf Anfrage: „Die jeweilige Ausgestaltung der Kontrollen obliegt den regionalen Polizeipräsidien.“

Uwe Vincon spricht die Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen an. Im konkreten Fall bedeutet das: Nicht jeder Fahrer eines Wagens mit Schweizer Kennzeichen müsse seinen Kofferraum öffnen. Handle es sich aber unverkennbar um eine Einkaufsfahrt, würden die Beamten auch „umfangreich und streng kontrollieren“, so Vincon.

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Edeka-Märkte in Konstanz stellen keine Ausfuhrscheine mehr aus, Kaufland schon

Wenig Spielraum zur Interpretation erkennt Jürgen Norbert Baur. Der Inhaber mehrerer Edeka-Märkte in und um Konstanz sagt: „Unsere Mitarbeiter stellen keine Ausfuhrscheine für Schweizer Kunden mehr aus, das würde keinen Sinn ergeben.“

Jürgen Norbert Baur, Inhaber und Geschäftsführer der Edeka Frischemärkte Baur.
Jürgen Norbert Baur, Inhaber und Geschäftsführer der Edeka Frischemärkte Baur. | Bild: Scherrer, Aurelia

Ohnehin kämen nur vereinzelt Schweizer zum Einkaufen. „Das allgemeine Verständnis der Verordnung ist: Einkaufsfahrten über die Grenze sind nicht mehr erlaubt“, so Baur.

Der Supermarkt-Discounter Kaufland wiederum stellt laut einer Unternehmenssprecherin in seinen Filialen „auf Nachfrage“ Ausfuhrscheine aus.

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Drogeriekette dm hält Einkäufe von Schweizer Kunden für „nicht mehr möglich“

Ähnlich wie Lebensmittelhändler Baur versteht die Drogeriekette dm, sonst Magnet für Einkaufstouristen, die derzeitige Regel. Gebietsleiterin Caroline Düwel sagt: Laut der im Land geltenden Corona-Verordnung „ist ein Einkauf von Schweizer Kunden nicht mehr möglich, das gilt auch für unsere dm-Märkte in der Grenzregion zur Schweiz. Wir bemerken bereits, dass weniger Schweizer unsere dm-Märkte besuchen.“

Dass kaum mehr Kunden aus der Schweiz zum Einkaufen kommen ändert nichts daran, dass der Zoll weiterhin Ausfuhrscheine stempelt.
Dass kaum mehr Kunden aus der Schweiz zum Einkaufen kommen ändert nichts daran, dass der Zoll weiterhin Ausfuhrscheine stempelt. | Bild: Felix Kästle

Für die Edeka-Mitarbeiter von Jürgen Norbert Baur könnte der zweite Kundenschwund aus der Schweiz binnen einem Jahr Folgen haben. Über die Feiertage, erklärt Baur, wollte man die Kurzarbeit noch vermeiden. „Jetzt überlegen wir, ob und wann wir sie einführen“, so Baur gegenüber dem SÜDKURIER.

Drastische Umsatzverluste für Lebensmittelhändler

Das ausbleibende Geschäft mit Schweizer Kunden sorge für 25 Prozent Umsatzverlust – auch für Lebensmittelhändler wie Baur, der im Vergleich zum Großteil des übrigen Einzelhandels seine Geschäfts trotz Lockdowns öffnen darf. Fehlende Touristen und Studierende würden das Minus auf 35 Prozent steigen lassen.

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Allein durch nicht mehr verkaufte Weihnachts-Vorbestellungen aus der Schweiz seien die Edeka-Märkte unter seiner Regie auf Waren im Wert von 20.000 Euro „sitzen geblieben“. Diese seien an die Tafeln oder Mitarbeiter verschenkt worden, weil nicht mehr alle von der Ausnahme der Quarantäne-Pflicht für diese Vorbestellungen erfuhren oder davon Gebrauch machten.

Eine Rückkehr der Schweizer ist so schnell nicht vorstellbar

„Den derzeitigen Umsatzrückgang können wir nicht mehr auffangen“, sagt Jürgen Norbert Baur, der gleichzeitig nicht verhehlt, dass der Einzelhandel in der Region starke vergangene Jahre hatte, somit Rücklagen bilden konnte und er überzeugt ist: „Wir werden das überleben.“

Stellt sich die Frage, wie lange die Zeit des Überlebens dauern wird: Eine schnelle Rückkehr der Schweizer Kunden scheint durch die Verlängerung des Lockdowns vorerst nicht vorstellbar. Bislang gilt als Frist: „Solange es die pandemische Lage erfordert.“