Schulschließungen, Fernunterricht, neue Regeln – das vergangene Schuljahr verlief wegen Corona alles andere als normal. Und nach den Sommerferien startet am Montag erneut der Unterricht in Baden-Württemberg unter Pandemiebedingungen. Was aber erwartet Schüler, Lehrer und Eltern?

Im Gespräch mit Vertretern der drei Gruppen wird deutlich: So wirklich weiß das derzeit noch niemand. „Wir sind gespannt“, sagt Susanne Pantel, Lehrerin am Friedrich-Hecker-Gymnasium in Radolfzell. „Wir haben massiv Hygienepläne ausgearbeitet und sind da vorbereitet“, ist sie sich sicher. So werde etwa der Schulhof aufgeteilt und jeder Klasse ein Bereich zugewiesen, es gebe ein Wegeleitsystem und Desinfektionsmittel.

Sorge wegen Reiserückkehrer

Unklar sei aber etwa, ob viele Reiserückkehrer unter den Schülern sind und ob ein Teil von ihnen sich dann in Quarantäne begeben muss. Außerdem seien manche Hygienevorgaben abhängig von den Voraussetzungen an den verschiedenen Schulen im Land schwer umzusetzen – am Friedrich-Hecker-Gymnasium könne etwa zum Teil nicht quergelüftet werden, weil Fenster aus Unfallschutzgründen nicht geöffnet werden können.

Auch der Vorsitzende des Landesschülerbeirats, David Jung, machen die Pläne des Bildungsministeriums, sich in diesem Schuljahr auf das Kernkurrikulum zu konzentrieren, zwar zuversichtlich. Zudem gebe die Verordnung des Kultusministeriums zum Schulbetrieb, etwa dem Ausschluss vom Unterricht, Sicherheit. Er sagt aber: „Ich glaube, die Situation aktuell ist so speziell, dass man gar nicht wirklich kurzfristig sagen kann, ob es funktioniert und wie es funktioniert.“ Flexibilität sei wichtig.

Susanne Pantel, Lehrerin am Radolfzeller Friedrich-Hecker-Gymnasium
Susanne Pantel, Lehrerin am Radolfzeller Friedrich-Hecker-Gymnasium | Bild: Becker, Georg

Genauer Verlauf ist unklar

Wenig Sorgen gibt es beim Präsenzunterricht. Laut David Jung ist man sich im Landesschülerbeirat einig, dass dieser gut funktionieren kann – „aber nur unter der Bedingung, dass die Infektionszahlen nicht exorbitant ansteigen.“ Auch Susanne Pantel ist guter Dinge, obwohl sie noch unsicher ist, ob die Aufhebung der Maskenpflicht im Unterricht in großen Gruppen funktionieren kann.

Und sie will sich nichts vormachen: Auch, wenn Schulen im Unterricht auf eine strikte Trennung der Klassen achten, können die Schüler nicht vollkommen isoliert werden – im Bus, in Vereinen und in den Familien haben sie schließlich noch Kontakt zu zahlreichen anderen Personen.

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Wie viel Präsenzunterricht ist überhaupt möglich?

Wehe aber, wenn der Präsenzunterricht aufgrund des Infektionsgeschehens auf einmal nicht mehr möglich sein sollte. Petra Rietzler, stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats, sagt: „Wir wissen, dass es höchstwahrscheinlich nicht so laufen wird, dass es immer Präsenzunterricht geben wird“ – man hoffe aber, dass nur vereinzelt Schüler oder Klassen nach Hause geschickt werden, und dann auch nur für eine kurze Zeit. Und sie ist sich unsicher, „ob das wirklich so funktioniert mit dem Fernunterricht„.

Zwar sei „das digitale Lernen sicher viel eingeübter“, als zu Beginn der Pandemie, aber könne wirklich vermieden werden, dass Schüler, die sich nicht in der Schule aufhalten, nicht zurückgelassen werden?

Generell ist Petra Rietzler zwar zuversichtlich, was die Vermittlung des Stoffs im kommenden Schuljahr angeht: „Wenn das klappt mit dem Fernunterricht, wenn die Schulen trotzdem großteils aufhaben, dann ist es, glaube ich, möglich, dass das Wichtigste unterrichtet wird.“ Allerdings sieht sie die Schulen in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Schüler nicht vernachlässigt werden, und Kinder, die besonders viel Aufholbedarf haben, nicht zurückgelassen werden.

David Jung, Vorsitzender des Landesschülerbeirats.
David Jung, Vorsitzender des Landesschülerbeirats. | Bild: Sabine Busse

Schwer, im Fernunterricht auf alle genau einzugehen

Eine große Herausforderung, findet Susanne Pantel. Es sei enorm schwer, auf alle Schüler genau einzugehen, wenn diese zuhause sind – denn sie ist schließlich nicht nur für den Fortschritt der Schüler zuständig, deren Klassenlehrerin sie ist. Sondern auch für die Kinder, die sie als Fachlehrerin unterrichtet. Insgesamt eine große Zahl. Neben dem Unterricht all diese Schüler zu kontrollieren, sei schwer machbar. Da sei Unterstützung nötig. Generell aber versuchen die Lehrer, „bestmöglich den normalsten Unterricht zu machen“ – auch, wenn vermutlich schon ein bisschen weniger vermittelt werden könne oder Übungsphasen verkürzt werden müssen und es in Fächern wie Sport und Musik schwerer ist, unter Hygienebedingungen zu unterrichten.

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Technische Voraussetzungen fehlen

Und dann ist da ja noch das Problem mit der Technik: Wie Daniel Jung bemängelt, seien die Voraussetzungen für einen Fernunterricht, der über das Internet gehalten werden muss, nicht überall gut. Zwar sei das Sofortausstattungsprogramm der Landesregierung, durch das Schulen mit mobilen Endgeräten ausgestattet werden sollen, „zum Großteil gut gelaufen.“ Aber: „Der Internetausbau ist nicht in allen Regionen ausreichend.“

Das sieht auch Susanne Pantel so. Und sie sieht sich und ihre Kollegen nicht gut genug mit Technik versorgt: „An der Ausstattung hat sich in dem halben Jahr wenig bis gar nichts getan“, kritisiert sie. Für die Ausstattung sei der Schulträger verantwortlich, an ihrer Schule aber hätten die Lehrer bis heute keine Dienstgeräte. Auch gebe es kein Wlan. Und auch die Ausstattung der Schüler sei im Fernunterricht nicht immer ideal: „Wir haben alle das Problem, dass auch nicht alle Familien ausgestattet sind.“ Laut Petra Rietzler ist es außerdem nicht selbstverständlich, dass Eltern zuhause erneut die Betreuung und Förderung der Kinder übernehmen.

Ein Schüler sitzt am ersten Schultag zu Beginn des Unterrichts mit Mundschutz in einem Klassenzimmer in Bayern. In Baden-Württemberg ...
Ein Schüler sitzt am ersten Schultag zu Beginn des Unterrichts mit Mundschutz in einem Klassenzimmer in Bayern. In Baden-Württemberg müssen im Unterricht bisher noch keine Mundschutzmasken getragen werden. | Bild: Karl-Josef Hildenbrand

Hybridunterricht wird eine Herausforderung

Besondere Schwierigkeiten wird es in Susanne Pantels Augen geben, wenn es zu einer hybriden Unterrichtsform kommen sollte, bei der ein Teil der Schüler sich in der Schule und ein Teil zuhause aufhält. Zum einen müsse sie die daheim gebliebenen Schüler von der Schule aus unterrichten – aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten unmöglich -, zum anderen konnten während der Schulschließung Schüler zum Teil dennoch betreut werden, wenn sie zuhause nicht arbeiten könnten. Befindet sich ein Teil der Klassen aber ohnehin im Schulgebäude, gebe es dafür aber weder Betreuungspersonal, noch Räume.

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Ein weiteres Problem der Lehrer: Viele von ihnen haben ebenfalls Kinder, die sich im Fall eines Hybridunterrichts teilweise daheim aufhalten, aber durch die Abwesenheit ihrer Eltern nicht betreut werden können. Zusätzlich sei bezüglich digitaler Lernplattformen nicht ganz klar, mit welchen Tools gearbeitet werden könne, zudem sei der Materialaustausch schwierig.

Petra Rietzler, stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats
Petra Rietzler, stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats

Kommunikation nicht ideal

Zudem bemängelt Susanne Pantel die Art der Kommunikation mit den Schulen: In den meisten Belangen fühlt sie sich zwar gut informiert, allerdings seien viele Informationen, etwa die Anweisung, Übersichtspläne für den im vergangenen Jahr gelernten Stoff zu schreiben, erst spät gekommen. Und auch Anweisungen und Vorgaben, die über die Ferien an die Schulen geschickt wurden, seien nur an Schulleitungen und Sekretariate adressiert worden, die in den Ferien aber gar nicht immer besetzt seien. Sie wisse nur, was sie bezüglich Hygieneanforderungen erwarte, weil die Schulleitungen in den Sommerferien dauerhaft gearbeitet habe – das könne aber schließlich nicht erwartet werden.

Wie das Schuljahr verlaufen wird, bleibt also abzuwarten – Landeselternbeirätin Petra Rietzler appelliert aber: „Man muss zuversichtlich bleiben.“