Im Hintergrund ist Stimmengewirr und das Rauschen der U-Bahn zu hören: Maik Wiedenbach ist gerade auf dem Weg von seinem Fitnessstudio im New Yorker Stadbezirk Manhattan an seinen Wohnort in Queens, als er mit dem SÜDKURIER telefoniert.

Vollgepackt sind seine Tage, auch als Wiedenbach im August zu Besuch in seiner alten Heimat am Bodensee ist. Hier trifft er alte Freunde und Bekannte – ein bisschen abschalten, während er in New York nach eigenen Angaben 80 Stunden in der Woche arbeitet.

Kunden mit schillernden Namen

Und dieser Arbeitseinsatz scheint sich auszuzahlen. Wiedenbach wurde dreimal in Folge von einem US-Männermagazin zum besten Personaltrainer New Yorks gewählt.

Und wenn der 46-Jährige von Kunden erzählt, die er bereits trainiert hat, ist es eine Auflistung der US-Prominenz. Es fallen Namen wie die der Popsängerin Jennifer Lopez, des Starfriseurs Chris Appleton oder des schwerreichen Fondsmanagers Bill Ackman.

Und nicht nur wer das nötige Kleingeld hat, lässt sich von Wiedenbach inspirieren: Seinen Beiträgen zu Fitness, Bodybuilding und Ernährung folgen auf Instagram über 58.000 Menschen und auf der Videoplattform TikTok über 280.000. Den Gefällt-Knopf zu Videos auf seinem TikTok-Kanal drückten insgesamt gar 2,6 Millionen.

Vom Bodensee nach New York

Wie schafft man es dorthin, wo Wiedenbach jetzt ist? Er erklärt, dass er seinen Erfolg vor allem der Selbstdisziplin und dem gesunden Ehrgeiz zu verdanken hat, die ihm sein Elternhaus mitgab. Und diese Eigenschaften haben Wiedenbach schon in jungen Jahren weit gebracht.

Maik Wiedenbach im Jahr 1993 als Mitglied des ersten Jugendgemeinderats von Radolfzell, dem er damals angehörte.
Maik Wiedenbach im Jahr 1993 als Mitglied des ersten Jugendgemeinderats von Radolfzell, dem er damals angehörte. | Bild: SK Archiv

In Radolfzell aufgewachsen, entdeckt er früh den Schwimmsport für sich, und gehört schnell zu den Besten – zunächst bei den Schwimm-Sport-Freunden Singen, später bei Sparta Konstanz. Wiedenbach schwamm zweimal bei Weltmeisterschaften mit.

Und noch heute belegt er in der Bestenliste der Spartaner Spitzenplätze: den ersten in 50 Metern Freistil mit einer Zeit von 23,87 Sekunden sowie den zweiten in 100 Metern Freistil mit einer Zeit von 53,46 Sekunden.

Auch der SÜDKURIER berichtete über die sportlichen Erfolge von Maik Wiedenbach: Wie hier im Juni 1992, als er für die ...
Auch der SÜDKURIER berichtete über die sportlichen Erfolge von Maik Wiedenbach: Wie hier im Juni 1992, als er für die Schwimm-Sport-Freunde bei den Jahrgangsmeisterschaften in Gottmadingen über 200 Meter Brust Erster wurde. | Bild: Jud, Marcel

Seine Erfolge im Schwimmen brachten ihn auch nach New York. Ein guter Freund habe ihn auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, als Sportstipendiat an einer US-Universität zu studieren, erzählt Wiedenbach. „Ich hatte Langeweile, wollte weg aus Radolfzell.“

Er habe ein paar Angebote gehabt und sich schließlich für New York entschieden. Zu Beginn des Jahres 1999 kommt Wiedenbach in der US-Metropole an. Er studiert Geschichte und Philosophie an der Fordham University, lernt dort seine spätere Frau kennen – und schwimmt daneben für das universitäre Sportteam bei Wettkämpfen. Wieder ist er erfolgreich, schafft es in die sportliche Hall of Fame seiner Universität.

Von der Uni an die Wall Street

2001 zieht es Wiedenbach nach dem mit Bestnoten abgeschlossenen Studium an die Wall Street. Dass aus dem studierten Geisteswissenschaftler ein Börsen-Makler wurde, klingt nur für deutsche Ohren etwas irritierend, wie Wiedenbach rückblickend erklärt: „Die Amis sind da anders, ihnen geht es darum, was du machst, nicht was du hast.“

Es sind turbulente Zeiten am größten Börsenplatz der Welt, als Wiedenbach dort anfängt. Über das Börsenjahr 2000 hat „Der Spiegel“ in einem Rückblick einst geschrieben: „Bis zum Ende des Jahres werden allein am Neuen Markt weit mehr als 100 Milliarden Euro einfach vernichtet“ – die sogenannte Dotcom-Blase war damals ebenso geplatzt wie der Glaube, die auf der digitalen Revolution fußende New Economy würde die Grundregeln des Kapitalismus außer Kraft setzen.

Und als Wiedenbach an die Wall Street wechselt, steht die nächste Krise bereits bevor – für niemanden vorhersehbar, ausgelöst durch die Terroranschläge am 11. September 2001. Er sei damals in der Nähe des World Trade Centers gewesen, erinnert sich Wiedenbach: „Ich habe alles gesehen.“ – die Flugzeuge, die in die Zwillingstürme rasten, die Menschen, die in den Tod sprangen.

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Zwei Monate später, am 7. November 2001 erscheint im deutschen „Manager Magazin“ ein Artikel über Führungsnachwuchs. Unter anderen kommt dort Wiedenbach zu Wort. Die Herausforderung des Investmentbankings locke ihn, wird der damals 25-Jährige zitiert.

Das sei „wie Leistungssport. Ich weiß, dass ich 70 bis 80 Stunden die Woche arbeiten werde.“ Gleichwohl betont Wiedenbach schon damals, dass er nicht alles tun wolle: „volkswirtschaftsschädigende Devisenspekulation oder den Verkauf von Rüstungsaktien“ lehne er ab.

Von der Börse in die Muckibude

Wiedenbach hält es nicht lange an der Börse, auch wenn er erfolgreich ist, wie er im Rückblick erzählt. „Ich habe ein paar Jahre dort gearbeitet, aber dann hatte ich die Schnauze voll, weil es unterste Schublade war.“

Was er mit „unterster Schublade“ meint? Wiedenbach fasst es in einem Satz zusammen: „Von meiner Truppe damals bin ich der einzige, der nicht im Gefängnis sitzt oder tot ist.“

Von der Börse geht es ins Fitnessstudio, in dem Wiedenbach schon zuvor nach seinem Zwölfstunden-Arbeitstag als Börsen-Makler oft anzutreffen war. Doch jetzt ist er nicht mehr Kunde, sondern Trainer. Mit Krafttraining hatte Wiedenbach schon früh begonnen, „mit 15, 16“, wie er sagt. Doch der Wunsch, seinen Körper zu formen bestand da schon länger.

„Mit zwölf oder dreizehn habe ich mit meinem Vater im Fernsehen den Terminator gesehen. Und da habe ich zu ihm gesagt: So will ich werden.“ Und wer Wiedenbachs durchtrainierten Bodybuilder-Körper heute sieht, weiß dass er seinem Ziel auch als Erwachsener treu geblieben ist. Und 2012 kann er einen Titel bei einem Wettkampf der Bodybuilding-Organisation Musclemania holen.

Neben seiner Arbeit als Börsen-Makler erwirbt Wiedenbach in New York die Lizenz zum Personaltrainer und macht sich schließlich selbstständig. „Als Ein-Mann-Betrieb sozusagen: Du gehst ins Studio, bezahlst für den Raum und hast deine Kunden.“ Das habe er zunächst neben seinem Beruf an der Börse gemacht.

Nach Kunden muss Wiedenbach nicht lange suchen. Er findet sie an der Wall Street und macht sich schnell durch Mund-zu-Mund Propaganda als Trainer einen Namen unter Fondsmanagern und Brokern. „Ich habe sie auch in ihren Büros gecoacht.“ Das Geheimnis seines schnellen Erfolgs? „Es gibt nicht viele Bodybuilder, die lesen und schreiben können“, sagt Wiedenbach kurz und knapp.

Der Knick: Corona

Für ihn geht es weiter aufwärts, irgendwann kann er einen Vertrag mit einem Studio abschließen, schafft eigene Geräte an, baut ein kleines Trainerteam auf. Dann kommt 2020 Corona. Nicht nur erkrankt Wiedenbach selbst an der Virusinfektion. „Ich konnte nicht mal mehr um den Block laufen. Und ich habe auch zwei Jahre später noch Schwierigkeiten mit dem Atmen teilweise.“

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Auch kann der inzwischen zweifache Vater eine Weile niemanden mehr in seinem Studio trainieren, nur noch online über YouTube. Im September 2020 kann das Studio, dass Wiedenbach mit einem anderen Trainer-Team teilt, wieder öffnen. „Aber das war einfach ein Ghetto dort.“ Er sucht sich einen Standort und findet ihn in Manhattan.

Und der Laden läuft wieder. „Ich habe jetzt sieben Jungs, die für mich arbeiten.“ Doch das heißt nicht, dass sich der Chef dafür mehr Ruhe gönnt. Das beweisen nicht nur seine vielen Instagram-Beiträge und TikTok- sowie YouTube-Videos – er selbst betont, dass er an sieben Tagen die Woche ins Fitnessstudio gehe. Entweder um zu arbeiten oder um selbst zu trainieren. „Für mich ist das nicht einfach nur Arbeit, es ist mein Hobby.“