Draußen blieb es trotz Gegendemonstration und Kundgebung mit knapp 2000 Teilnehmern friedlich, die Polizei meldete keine besonderen Vorkommnisse. Die Fetzen flogen drinnen in der Stadthalle Rottweil beim AfD-Landesparteitag. Am frühen Abend wurden Marcus Frohnmaier und Emil Sänze als Doppel-Landesspitze im Amt bestätigt.
AfD in Rottweil: Teilnehmer stellen Rechtmäßigkeit infrage
Der Parteitag war erst mit Stunden Verspätung gegen Mittag und unter rechtlichen Fragezeichen eröffnet worden, während weiterhin von einzelnen Teilnehmern die Absage gefordert und die Rechtmäßigkeit des Parteitags infrage gestellt wurde.
Grund waren die chaotischen Szenen vor der Halle am Samstagvormittag. Weil die für 1000 Personen zugelassene Stadthalle schon überfüllt war und geschlossen wurde, als draußen noch Hunderte Einlass begehrten, stand der Parteitag zwei Stunden lang auf der Kippe.

Gestartet werden konnte erst nach kompletter Räumung der Halle, wiedereingelassen wurden keine Gäste mehr, nur noch stimmberechtigte Mitglieder. Dutzende mussten danach mangels Sitzplatz stundenlang in der Stadthalle stehen und Tagesordnungsdiskussionen über sich ergehen lassen.
„Ich habe noch nie einen so miserabel vorbereiteten und durchgeführten Parteitag erlebt, und ich war schon auf vielen Parteitagen“, schimpfte ein AfD-Mitglied am Saalmikrofon.
Einspruch könnte Annullierung nach sich ziehen
Der Einspruch auch nur eines einzigen Mitglieds, das am Morgen nach stundenlangem Warten keinen Zutritt bekommen hatte und dann wieder abgereist war, könnte aber im Nachgang zu einer Annullierung des ganzen Parteitags führen – eine Horrorszenario für den Landesverband, vor allem auch wegen der Kosten von im sechsstelligen Bereich rund für eine solche Veranstaltung.
Noch einen Landesparteitag kann sich die AfD, zumal im Jahr von Kommunal- und Europawahl, kaum leisten. Auch die Wahl eines neuen Landesvorstands – der wichtigste Punkt – wäre damit im Nachgang ungültig und müsste wiederholt werden.

Die zwei Lager des zerstrittenen Landesvorstands zofften sich derweil kaum verdeckt auf offener Bühne, von Buhrufen, Pfiffen, Zwischenrufen, Unmutsäußerungen und Jubel aus den jeweiligen Lagern begleitet, und zunehmend genervt und lautstark verfolgt von AfD-Mitgliedern, die an den Scharmützeln im Landesvorstand gar nicht interessiert waren und auch nichts über die Ursachen wissen wollten.
Eine Aussprache darüber wurde mit einer Mehrheit von 63 Prozent abgelehnt, viele hatten nur die Nase voll und wollten über die AfD, die politischen Ziele und das Land reden – und nicht über Geschäfts- und Tagesordnungsanträge und Vorstandsstreitigkeiten diskutieren.
AfD-Vorstand wird zum Teil Mauschelei vorgeworfen
Ein klarer Sieg für das Führungsduo Sänze/Frohnmaier, denen von einem Teil des Landesvorstands Mauschelei bei einem Immobilienerbe vorgeworfen wird.
Deren Gegner im Landesvorstand – sieben von 13 Mitgliedern des Landesvorstands – zeigten sich jedenfalls zunächst nicht bereit, freiwillig abzutreten, damit ein gesamter neuer Landesvorstand gewählt werden kann. Sie wurden trotz heftigen Widerspruchs und von einzelnen vorgebrachten Zweifeln am demokratischen Prozedere en bloc abgewählt. Die Gegenrede von Raimond Hoffmann, bislang Schriftführer, der das Vorgehen am Rednerpult kritisierte, wurde mit lautstraken „Hau ab, Hau ab!“- rufen übertönt.

Die AfD-Co-Bundesvorsitzende Alice Weidel war eigens nach Rottweil gekommen, um für das Duo Frohnmaier/Sänze und Geschlossenheit im Landesverband zu werben. „Wir sind hier, weil wir uns Sorgen um den Landesverband machen, wir brauchen einen starken und geschlossenen Landesverband“, forderte Weidel. Im frenetischen Jubel über ihre Rede – gegen die Ampel-Regierung, gegen die Grünen, gegen eine Eindämmung der Migration – zeigte sich der Parteitag erstmals geeint. Weidel kassierte stehenden Applaus, blieb aber später nicht von Buhrufen verschont, als sie sich für einen zügigen Fortgang der Wahlen aussprach und Diskussionen unterbinden wollte – „Sie stehlen uns die Lebenszeit“ – und den Antrag eines Redners auf Verlängerung der Redezeit als“schwachsinnig“ bezeichnete. „Ich lasse mich doch nicht als schwachsinnig bezeichnen, das entbehrt jeden Anstands, das ist einer Bundesvorsitzenden nicht würdig!“ gab das AfD-Mitglied zurück.
Als Weidel selbst dann Frohnmaier und Sänze erneut als Kandidaten für die Landesspitze vorschlug, blieb das Lager der Gegner stumm – es gab keine Gegenkandidaten. Frohnmaier wurde mit 648 Stimmen – 75.7 Prozent der abgegebenen Stimmen wiedergewählt, Sänze erzielte mit 76,4 sogar prozentual ein besseres Ergebnis, erhielt aber mit 614 Stimmen weniger Zustimmung als Frohnmaier. Die Vorstandswahlen wurden am Abend fortgesetzt, am Sonntag geht der Parteitag in den zweiten Tag.
Friedliches Stadt- und Kulturfest in Rottweil
Ebenso wie das Stadt- und Kulturfest „Rottweil bleibt bunt und vielfältig“, zu dem ein breites Bündnis in der Stadt aufgerufen hatte. Rottweils Oberbürgermeister Christian Ruf freute sich bei der Kundgebung am Samstag, dass so viele Rottweiler sich aufgemacht hatten, um 200 Meter neben der Stadthalle gegen die AfD zu demonstrieren.

„Es ist Zeit, nicht mehr nur zu sagen, wofür man einstehen will – für Demokratie, Menschenrechte, Toleranz, sondern auch, wogegen: gegen Hass und Hetze, gegen Rechtsextremismus, gegen die AfD“, sagte Ruf.
Von den Trillerpfeifen und den Sprechchören bei der Kundgebung war aber in der Stadthalle nichts zu hören. Drinnen war es viel zu laut.