Bürgermeister mit 18 Jahren? Das könnte schon bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr Realität werden – der Landtag hat gerade eine entsprechende Reform des Kommunalwahlrechts beschlossen. Doch was braucht es, um schon früh im Leben Verantwortung für eine Gemeinde tragen zu können?

Sie alle wurden mit 25 Jahren gewählt und waren mal mehr oder weniger lang der jüngste Bürgermeister oder die jüngste Bürgermeisterin in Baden-Württemberg, einer sogar der jüngste in der ganzen Bundesrepublik: Marian Schreier wurde vor acht Jahren Bürgermeister in Tengen (rund 4700 Einwohner, Kreis Konstanz). Yvonne Heine leitet seit 2021 die Geschicke in Riedhausen (740 Einwohner, Kreis Ravensburg), bei ihrer Wahl. Und der heute 26-jährige Maik Rautenberg führt seit knapp einem Jahr das Rathaus in Veringenstadt (2150 Einwohner, Kreis Sigmaringen).

Yvonne Heine hat sich überall persönlich vorgestellt

Wer jetzt glaubt, hier drei ganz ähnliche junge Menschen mit gleichen Motiven und Karriereplänen kennenzulernen, der täuscht. Am ehesten sind die drei sich wohl darin einig, wie vielfältig das Bürgermeisteramt ist. „Es ist eine der spannendsten politischen Aufgaben, weil man mit der ganzen Bandbreite an gesellschaftlichen Themen zu tun hat“, sagt Marian Schreier, der gerade an seinen ebenfalls erst 26 Jahre alten Nachfolger Selcuk Gök übergibt.

Aber wie kommt das in der Bevölkerung an, wenn sich 25-Jährige für das Bürgermeisteramt bewerben? Yvonne Heine folgte in Riedhausen auf Ekkehard Stettner, der fast 30 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde leitete. „Ich kenne Leute hier in der Gemeinde, die in meinem Alter sind und früher dachten, Stettner bedeute Bürgermeister – einfach, weil sie niemand anderen in dem Amt kannten“, sagt die inzwischen 27-Jährige.

„Ich habe mir im Vorfeld mehr schlechte Gedanken zur Rolle meines Alters gemacht, als es nötig gewesen wäre“, so Heine. Sie habe sich im Wahlkampf bei allen persönlich vorgestellt. „Das hat, glaube ich, die Meinung vieler verändert.“

„Kompetenz ist keine Frage des Alters“

Auch Maik Rautenberg hat in Veringenstadt Haustürwahlkampf gemacht. Eine gewisse Skepsis habe er dabei durchaus erlebt: „Von ein paar Leuten habe ich schon gehört, ich sei sehr jung.“ Offenkundig konnte er sie aber von sich überzeugen. Damit ist er im Kreis Sigmaringen nicht alleine: In Sauldorf wurde im Dezember Severin Rommler im Alter von 26 Jahren zum Bürgermeister gewählt.

Maik Rautenberg, Bürgermeister von Veringenstadt im Kreis Sigmaringen.
Maik Rautenberg, Bürgermeister von Veringenstadt im Kreis Sigmaringen. | Bild: Moll, Mirjam

Für Marian Schreier hat das Alter vor allem als Oberbürgermeisterkandidat für Stuttgart eine Rolle gespielt. Er findet das legitim: „Es ist natürlich total berechtigt die Frage zu stellen, ob jemand mit 30 Jahren Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt werden kann.“ Man müsse den Nachweis führen, dass man es kann. „Meine Überzeugung ist: Kompetenz ist keine Frage des Alters“, sagt Schreier.

Eine Amtsperiode: So lang wie das halbe Leben

Was alle drei unabhängig voneinander berichten: Sowohl in ihrer jeweiligen Verwaltung als auch im Kontakt zu anderen Bürgermeistern habe ihr junges Alter nie eine negative Rolle gespielt. Vielmehr seien Amtskollegen immer sehr hilfsbereit.

Neben diesen Fremdbildern spielt das Selbstbild eine wesentliche Rolle, wenn junge Menschen Bürgermeister werden wollen. Schließlich verpflichten sie sich mit 25 für ein Drittel ihrer bisherigen Lebenszeit. Bei 18-Jährigen würde eine Wahlperiode fast die Hälfte der erlebten Zeit bedeuten.

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„Man muss sich der Aufgabe auf jeden Fall bewusst sein“, sagt Rautenberg. Und Marian Schreier betont die Bedeutung von Lebens- und Berufserfahrung, die man mit 25 einfach noch nicht haben könne. Das müssten junge Bürgermeister kompensieren – zum Beispiel mit besonders intensiver Vorbereitung auf Ratssitzungen.

Was können jüngere besser als ältere Bürgermeister?

Die hilft aber nicht in jedem Fall. Yvonne Heine hat zwar in Ludwigsburg öffentliche Verwaltung studiert, manche Überraschung hielt das Amt aber dennoch bereit: Als sie von ihrer Sekretärin eingeführt wurde, habe die ihr Behältnis mit einem Rosenkranz gezeigt mit den Worten: Hier kommen dann die Urnen rein. „Da hab ich gefragt: Wie, die Urnen?“, erinnert sie sich. Die kommen per Post vom Krematorium und müssen manchmal im Rathaus verwahrt werden. „Mit der Aufgabe hatte ich jedenfalls nicht gerechnet“, sagt Heine lachend.

Gibt es irgendetwas, das junge Verwaltungsleiter besser können, als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen? Yvonne Heine erkennt ein bisschen mehr Leichtigkeit in der jungen Generation – möchte die Stimmen der älteren aber nicht missen. „So ein gemischtes Feld ist gar nicht schlecht“, sagt sie.

„Ich glaube schon, dass man als Vertreter einer jüngeren Generation auf manche Themen einen anderen Blickwinkel hat“, sagt Marian Schreier. Digitalisierung bezeichnet er als offensichtliches Beispiel und die Bedeutung des Klimawandels. „Aber ganz grundsätzlich kann das natürlich auch jemand mit 60 machen“, so Schreier.

Marian Schreier, scheidender Bürgermeister von Tengen.
Marian Schreier, scheidender Bürgermeister von Tengen. | Bild: Elisa-Madeleine Glöckner

Auch die Höchstaltersgrenze für Bürgermeister soll fallen

Er beobachte, dass es noch einzelne Stimmen im politischen Betrieb gebe, die es kritisch sähen, wenn junge Menschen sich für Ämter bewerben. „Dabei können wir die Frage ja auch umgekehrt stellen: Wie lange kann man ein politisches Amt ausüben?“, fragt Schreier.

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Nachdem der Landtag die Kommunalwahlrechtsänderung beschlossen hat, lautet die Antwort darauf: bis zum Tod. Neben jüngeren Bürgermeistern kann es nämlich auch noch ältere geben – die Höchstaltersgrenze entfällt künftig. Diese Initiative ist natürlich auch dem zunehmenden Kandidatenmangel in der Kommunalpolitik geschuldet. Die Reform dürfte allerdings kaum bedeuten, dass bald überall 18-Jährige die Gemeindeverwaltungen leiten. Neben dem Zutrauen ins eigene Geschick müssen sie ja auch gewählt werden.

Bürgermeister mit 18 – ein bisschen zu früh?

Also Hand aufs Herz: Bürgermeister mit 18? „Ich hätte es nicht gemacht“, sagt Marian Schreier. Eine abgeschlossene Ausbildung hält er für wichtig bevor man in politische Führungsverantwortung kommt. Das dürfe in einer Demokratie zwar keine Voraussetzung sein. „Aber es ist wichtig, dass man auch andere Bereiche kennt.“

Auch Yvonne Heine hätte sich mit 18 noch nicht bereit gefühlt: „Gerade zwischen 18 und Anfang 20 machen die meisten einen enormen Sprung.“ Maik Rautenberg sagt: „Komischerweise gibt es kein spezielles Alter, bei dem ich gesagt hätte, dass ich mir die Position jetzt zutraue.“ 18 wäre ihm jedenfalls zu früh gewesen, allein mangels Berufserfahrung.

Am Ende klärt die wählende Bürgerschaft vor Ort, ob sie sich junge Kandidaten im Amt vorstellen kann. Marian Schreier: „Wahrscheinlich wird es häufig so sein, dass man dann zu dem Ergebnis kommt, dass es vielleicht doch noch ein bisschen zu früh ist.“