Urs Riebel ist Fischer auf dem Untersee. Seine Familie betreibt auf der Insel Reichenau eine Fischhandlung mit eigener Räucherei und Bistro. Barsche, Hechte, Rotaugen oder Zander fängt er. Aber auch Felchen. Denn anders als im Obersee darf man das am Untersee noch.
Der Speisefisch sei in der Gastronomie sehr beliebt, sagt er. Der Bodenseefisch hat ein schmackhaftes Fleisch und wenig Gräten – „viel ist aber auch nur Marketing“, schmunzelt Riebel. Die Verfügbarkeit des Bodenseefelchen habe zu dessen Beliebtheit beigetragen. Lange Zeit sei das der Fisch gewesen, der „immer gut angeboten werden konnte.“

Das war aber noch vor seiner Zeit als Fischer. 2007 ist er in das elterliche Geschäft eingestiegen, danach gab es für das Felchen noch zwei, drei gute Jahre, sagt Riebel. „Rapide runter“ ging es mit dem Felchenbestand dann seit circa 2010.
Am Obersee ist die Lage keine bessere. 2022 wurden hier nur noch 21 Tonnen gefangen. Deshalb beschloss die Internationale Bodenseekonferenz (IBKF) 2023, dass ab dem 1. Januar 2024 für drei Jahre keine Felchen mehr aus dem Obersee gefangen werden dürfen.
Dass Fischer keine Felchen mehr aus dem See fischen dürfen, sei „alternativlos und richtig“ gewesen, sagt Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle in Langenargen.

Für ein Fazit zum Fangverbot, das nun seit einem Jahr in Kraft ist, sei es aber noch zu früh, sagt Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg in Langenargen. Erst in rund zwei Jahren werde man hoffentlich eventuelle Auswirkungen beobachten können.
Trotzdem gibt es zunächst eine gute Nachricht: „Die Bedingungen im See waren im vergangenen Jahr günstig für die Felchen. Im November und Dezember konnten wir kräftige Laichtiere beobachten“, so Brinker. Der viele Regen im vergangenen Jahr habe für Nährstoffe im See gesorgt, viel Wind gab es und es wurde erst später im Jahr warm. Durch ausreichend räuberisches Plankton hatten die Felchen genug zu fressen und damit „ordentlich Energie, um kräftig Eier zu legen“, sagt Brinker.
In der Vergangenheit sei auch der Stichling für das Felchen ein Problem gewesen. Ein kleiner Fisch und eine im Bodensee invasive Art, die als natürlicher Fressfeind des Jungfelchen und zudem als Nahrungskonkurrent gilt. Doch der sei mittlerweile verschwunden.
Im Frühjahr 2024 sei noch alles normal gewesen, doch später tauchten erstaunlich wenig Fische in Stichlingsnetzen auf. Warum, das wissen die Forscher nicht. Wenn das Massensterben im Tiefenwasser passiert, sinken die toten Fische zum Grund des Sees und werden nicht angespült. „Das kriegt man dann nicht mit“, sagt Brinker. Er vermutet eine Krankheit oder das Hochwasser hinter dem Stichlingsschwund.
Das Felchen ist noch nicht über dem Berg
Die Quagga-Muschel könnte nach Ansicht von Brinker beim Felchenbestand aber noch „ein Wörtchen mitsprechen“, wie er sagt. Die Muscheln filtrieren das Wasser, ernähren sich vom pflanzlichen Plankton und nehmen so den Felchen eine weitere Nahrungsgrundlage.
Und auch der Klimawandel könnte ein weiterer Problemfaktor sein. Das sei zwar eine bisher nicht wissenschaftlich erarbeitete These, werde aber aktuell untersucht. Das Felchen sei eine kälteliebende Art, die Erwärmung des Sees könnte den Speisefisch von seinen Nahrungsgründen abkoppeln.
Damit sich der Bestand weiter erholt, hofft Brinker auf eine stabile Wetterlage und ausreichend Algenwachstum: „Gern darf es kälter sein“, so Brinker.
Fangverbot am Untersee würde keinen Sinn machen
Ein ähnliches Fangverbot am Untersee braucht es laut Brinker nicht. Dort habe es im Moment noch einen guten Bestand, die Situation sei eine ganz andere als am Obersee.
Darüber ist Urs Riebel froh: Wenn es auch am Untersee ein Fangverbot gäbe, wäre das für die Riebels ein „grober Einschnitt“, wie er sagt, denn im Sommer mache das Felchen nach wie vor das Hauptgeschäft aus. 2024 habe man rund 27 Tonnen fangen können, in etwa so viel wie in Vorjahren.
Ob das Fangverbot am Obersee aber überhaupt etwas nützt, wagt er aber zu bezweifeln. „Da muss an vielen Stellschrauben gedreht werden“, sagt Riebel.