Die Koffer von Sabine und Bernd Albrecht sind gepackt. Dabei gibt es zu diesem Zeitpunkt noch keine Zusage, dass die MS Zaandam und die MS Rotterdam nach ihrer 11.000 Kilometer langen Irrfahrt um Südamerika herum endlich in den Heimathafen der Zaandam einlaufen dürfen: „Beide Schiffe werden die Grenze zu US-Gewässern erreichen und warten dort auf die Erlaubnis, einzufahren.“

So lautet die Ankündigung der niederländische Reederei Holland America Line, die noch am Mittwochabend verbreitet wurde. Doch noch hat der Gouverneur von Florida keine Zustimmung erteilt, dass das Schiff, das seit mehreren Wochen in keinem Hafen mehr einlaufen durfte, in Ford Lauderdale anlegen kann.

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Warten auf Florida

„Wir sind noch weit draußen“, sagt Sabine Albrecht am Telefon, die Leitung steht über WhatsApp. Trotzdem bereiten sich die Schiffe darauf vor. Noch spät in der Nacht informiert der Kapitän die Passagiere über die Maßnahmen. Sie sollen sich bereit machen.

Sabine und Bernd Albrecht warten in ihrer Kabine auf das Zeichen des Kapitäns, nach drei Wochen die Kabine wieder zu verlassen.
Sabine und Bernd Albrecht warten in ihrer Kabine auf das Zeichen des Kapitäns, nach drei Wochen die Kabine wieder zu verlassen. | Bild: privat

Die Koffer mussten vor die Tür gestellt werden, sie werden von der Crew desinfiziert und gelangen bis zur Ankunft der Passagiere zu Hause nicht mehr in deren Hände. Der Plan: Die Gäste an Bord sitzen bereit mit Handgepäck in ihren Kabinen. Ein unterzeichnetes Gesundheitsformular, das bestätigt, dass sie in den vergangenen 24 Stunden keine Beschwerden hatten, müssen sie parat haben.

Bereit zum Auschecken

„Wir sind wieder ganz gesund“, sagt Sabine Albrecht. Die Klimaanlage sei schuld gewesen, dass die beiden sich erkältet hatten, glaubt die Stockacherin. Es wird einen Gesundheitscheck geben, „wahrscheinlich wird die Temperatur gemessen“, vermutet die 67-Jährige. Wenn alles gut geht, sollen die derzeit 1200 gesunden Passagiere dann nach und nach von Bord dürfen.

Es dürfte die größte Hürde sein. Einmal von Bord, sollen die Passagiere direkt in Busse umsteigen, die Fahrgäste müssen Masken tragen und die Busse werden desinfiziert und gereinigt. Die Transporte dürfen keinerlei Umwege machen, die Fahrt geht vom Schiff direkt zum Flughafen.

Flugzeuge warten

Die Maschinen hat die Reederei gechartert, wie das Unternehmen mitteilt. „Damit übertreffen wir die Vorgaben des US-Zentrums zur Vorbeugung und Kontrolle von Krankheiten (CDC)“, betont die Reederei in der Ankündigung. Es ist das Ergebnis von tagelangen Verhandlungen, unter welchen Umständen eine Einschiffung in Ford Lauderdale möglich wäre.

Im Hintergrund waren seit Tagen die diplomatischen Drähte heiß gelaufen. Der Konstanzer Abgeordnete Andreas Jung hatte unter anderem den Koordinator für transatlantische Beziehungen, Peter Beyer, mobilisiert, der sich bei den amerikanischen Kollegen für eine Lösung einsetzte.

Trump als großer Retter

Zuletzt hatte sich Außenminister Heiko Maas zuversichtlich gezeigt, dass die Deutschen an Bord der beiden Schiffe bald nach Hause geholt werden könnten. US-Präsident Donald Trump sagte, er werde mit dem Gouverneur reden.

„Menschen sterben auf dem Schiff oder sind zumindest schwer krank“, sagte er dem Sender Fox-News. Er werde tun, was richtig ist. Der Präsident unterschlägt in seiner Botschaft, dass sich an Bord der beiden Schiffe 311 Amerikaner befinden, 52 davon aus Florida. Auf den Kreuzfahrtschiffen sind nach Angaben der Reederei auch vier Kinder unter 12 Jahren.

Hoffnung auf ein gutes Ende

Für die Menschen an Bord ist die Hoffnung auf ein Ende der Odyssee nun fast mit Händen zu greifen. „Wir sind total aufgeregt“, sagt Sabine Albrecht am Telefon: „Meine Nerven liegen blank.“ Denn selbst, wenn die Schiffe anlegen dürfen, wissen die beiden nicht, wann sie von Bord dürfen. Albrecht vermutet, dass der Flug wohl nach Frankfurt gehen dürfte, von dort seien sie geflogen. „Wir sind unglaublich froh, wenn wir wieder aus der Kabine dürfen“, betont die Stockacherin.

Sabine und Bernd Albrecht glücklich an Bord der MS Zaandam. Zu diesem Zeitpunkt dürfen sie sich noch frei bewegen an Bord.
Sabine und Bernd Albrecht glücklich an Bord der MS Zaandam. Zu diesem Zeitpunkt dürfen sie sich noch frei bewegen an Bord. | Bild: privat

Hinter den beiden liegt eine Odyssee, die inzwischen durch die Medien geht. Die MS Rotterdam war dem Schwesterschiff zu Hilfe gekommen, um gesunde Passagiere zu übernehmen: 808 Passagiere sind auf die MS Rotterdam gewechselt. Auf der MS Zaandam gibt es vier Tote, 83 Gäste und 136 Crew-Mitglieder zeigten Grippe-artige Symptome, am 26. März waren zwei Patienten an Bord positiv auf das Corona-Virus getestet worden.

Seit dem 22. März sind alle Passagiere in Quarantäne in ihren Kabinen, die sie nicht mehr verlassen dürfen. Drei Wochen, teils in fensterlosen Kabinen auf wenigen Quadratmetern. Dennoch sind inzwischen auch auf der MS Rotterdam 14 Menschen erkrankt. Die Lage ist ernst. Noch am Mittwoch brachte ein Beiboot Medikamente zur MS Zaandam herüber, zwei Patienten ging es offenbar schlecht, schreibt uns Albrecht über WhatsApp.

Strenge Auflagen von Florida

Alles hängt nun von der Entscheidung des Gouverneurs Ron DeSantis in Florida ab. Der wollte die beiden Schiffe bisher nicht anlegen lassen: Die wenigen Versorgungsmöglichkeiten für Infizierte müssten für die eigene Bevölkerung freigehalten werden, hieß es. Ein Widerspruch, befinden sich doch 52 US-Bürger aus Florida an Bord. Am Mittwoch signalisierte DeSantis dann, dass es vielleicht doch einen Weg gebe – unter strengen Auflagen: Die ausländischen Passagiere sollten unter keinen Umständen Kontakt zur Bevölkerung Floridas bekommen.

Derzeit sind nach Angaben der Reederei 45 Passagiere leicht erkrankt oder nicht in der Lage, zu reisen. Sie müssen weiter in ihren Kabinen bleiben, bis sie genesen sind. Wann sie von Bord dürfen, muss in Absprache mit der Gesundheitsbehörde entschieden werden.

Die Albrechts sind froh, dass sie nicht zu den Patienten gehören. Sie sitzen in ihrer Kabine, bereit, sich auf den Weg zu machen. „Wir freuen uns darauf, mal etwas anderes zu sehen als nur das Wasser, das wird irgendwann schon eintönig“, gesteht sie. Am meisten, sagt Albrecht, „freuen wir uns auf unseren Garten“.

Update, 4. April 2020: 

Die Odyssee über den Pazifik endet für die Stockacher Sabine und Bernd Albrecht: Beide Passagiere der MS Zaandam, die wochenlang keinen Hafen anfahren durfte, können an diesem Freitagabend um 18 Uhr Ortszeit heimkehren: Ein gecharterter Flug bringt die beiden über Paris nach Frankfurt. Von dort werden die 67-Jährige und der 69-Jährige direkt nach Hause gefahren. Die Kosten für die Rückreise trägt die Reederei Holland America Lines.  (mim)