Der Pegel des Bodensees sinkt und sinkt. Ist das die Zukunft? Werden wir uns an das Niedrigwasser im Sommer gewöhnen und anpassen müssen? Der SÜDKURIER hat darüber mit Manuela Nied gesprochen. Die promovierte Hydrologin ist bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg zuständig für die Ermittlung der Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt.

Manuela Nied, promovierte Hydrologin von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), Bereich Hydrologie und Hochwasservorhersage.
Manuela Nied, promovierte Hydrologin von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), Bereich Hydrologie und Hochwasservorhersage. | Bild: Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW)

Am 15. August lag derBodenseepegel vor Konstanz bei 305 Zentimetern – und damit über 90 Zentimeter tiefer als der Mittelwert, der an diesem Datum gemessenen Pegelstände seit 1850. „Das ist schon eine sehr außergewöhnliche Situation“, sagt Nied. Der Wert am 15. August sei der drittniedrigste je für dieses Datum gemessene Wert. Tiefer stand der Pegel an einem 15. August einzig 2003 mit 298 Zentimetern und 1949 mit 299 Zentimetern.

Rekordtief ist wohl bald erreicht

Und es könne gut sein, dass die saisonalen Tiefstwerte in den kommenden Wochen unterschritten werden, so Nied. Auch der für Ende der Woche angekündigte Regen werde wohl kaum helfen. „Da müsste es wirklich ausgiebig regnen: Über mehrere Tage ein richtig schöner Landregen.“

Wer baden will, muss weitere Wege gehen: Das Wasser hat sich zurückgezogen. Hier ein Bild vom Ufer in Konstanz-Staad.
Wer baden will, muss weitere Wege gehen: Das Wasser hat sich zurückgezogen. Hier ein Bild vom Ufer in Konstanz-Staad. | Bild: Marcel Jud

Der Hauptgrund für den rekordverdächtig niedrigen Pegel sei, dass es im Winter sehr wenig geschneit habe und der liegengebliebene Schnee in den Alpen anschließend sehr schnell geschmolzen sei. „Charakteristisch für den Bodensee ist eigentlich, dass der Pegel seine Maximalstände jeweils in den Sommermonaten erreicht.“

Dann wird der See üblicherweise durch das Schneeschmelzwasser aus den Alpen über den Rhein gespeist. Zwar spielten auch die Verdunstung des Wassers durch die starke Sonneneinstrahlung der vergangenen Wochen eine Rolle – sowie der Wind, der Wasser abtransportiert. „Der Hauptfaktor ist aber ganz klar der fehlende Niederschlag und die in diesem Jahr schon im Frühsommer abgeschlossene alpine Schneeschmelze“, erklärt Nied.

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Eine Trendwende kündigt sich an

Dieses Jahr jedenfalls verläuft entgegen dem Trend: So führte der See Anfang des Jahres mehr Wasser als im Mittel der vergangenen über 170 Jahre. Ab März lag er jedoch unter dem saisonal zu erwartenden Wert und seit Ende Mai sogar deutlich tiefer.

Wie es im kommenden Jahr aussehen wird, ob der Bodensee dann wieder sein durchschnittliches Pegelniveau der Vorjahre erreichen könnte, lasse sich nicht vorhersagen. In langer Perspektive müsse man sich aber wohl an niedrigere Pegelstände als bisher im Sommer gewöhnen.

Der Bodensee-typische Zyklus – hoher Pegel im Sommer, tiefer im Winter – werde sich wohl abschwächen, auch durch eine Häufung des Niederschlags im Winterhalbjahr, wie Nied erklärt. Ein Austrocknen des Bodensees jedenfalls sei nicht zu befürchten, da es sich bei ihm um einen riesigen Wasserspeicher handele und seine großen Zuflüsse wie der Alpenrhein auch künftig nicht austrocknen werden. Letztendlich sei es aber schwierig, vorherzusagen, ob ein steigender Pegel in den Wintermonaten jenen im Sommer kompensieren kann.

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Lässt sich das alles noch stoppen?

Der Pegel anderer Gewässer in Baden-Württemberg wie die Dreisam in Freiburg, deren oberirdisches Bett stellenweise bereits ausgetrocknet ist, seien im Gegensatz zu Rhein und Bodensee weniger von der Schneeschmelze abhängig. „Sie werden mehr durch den Niederschlag gesteuert.“ Deshalb weise die Dreisam anders als der Bodensee keinen charakteristischen Jahresgang mit hohen Abflüssen in den Sommermonaten und niedrigen in den Wintermonaten auf.

Stoppen jedenfalls lässt sich der Trend zu tieferen Seewasserständen in den Sommermonaten aufgrund fehlender Schneerücklagen nicht mehr. „Dazu bräuchte es massiver Klimaschutzmaßnahmen.“ Die Speicherbewirtschaftung rund um den Bodensee, also das Speichern von Wasser etwa in Stauseen, könne der Entwicklung gegebenenfalls etwas entgegenwirken. Bereits jetzt würden in den Wintermonaten – mit bisher tieferen Pegelständen – diese Speicher den Bodensee speisen.

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