Am Anfang war die Bereitschaft, auf geliebte Gewohnheiten zu verzichten, riesig. Nur wer einen triftigen Grund hatte, überquerte die Grenze. Nur wer einkaufen musste, ging aus dem Haus. Nur wer Oma und Opa pflegen muss, hat sie besucht.

Wer heute durch die Fußgängerzone schlendert, am Badestrand Handtücher ausbreitet, oder im Eiscafé sitzt, könnte denken: Die Krise wäre überstanden. Ein fataler Trugschluss. Deshalb verzeichnen Ordnungsämter und Polizei tausende Verstöße in der Region.

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Polizei zählt 29.000 Verstöße gegen Corona-Regeln im Land

In ganz Baden-Württemberg wurden zwischen 23. März und 16. Juli durch die Landespolizei knapp 29.000 Verstöße gegen Corona-Auflagen zur Anzeige gebracht. Der Großteil davon: Ordnungswidrigkeiten. Nur 1000 Mal wurde Strafanzeige erhoben.

Polizeipräsidium Konstanz: „absteigende Tendenz“

Im Bereich des Polizeipräsidiums Konstanz lagen im April und Mai die geahndeten Fälle im vierstelligen Bereich, „seither mit absteigender Tendenz. In den Monaten Juni und Juli war die Zahl einstellig“, sagt Polizeisprecherin Sandra Kratzer.

Eines ist sicher: die Gesamtzahl liegt deutlich höher. Warum? Verstöße zu bestrafen, ist in erster Linie Aufgabe der kommunalen Ordnungsämter. Die Polizei greift nur ein, wenn auf Streife zufällig ein Verstoß offenkundig wird. Ob Strafen folgen, entscheidet immer die Kommune im Einzelfall.

Die aktuellen Corona-Regeln

Im Landkreis Konstanz wurden rund 370 Anzeigen bearbeitet. Insgesamt trieben Ordnungsämter 13.500 Euro Strafgelder ein. In Singen musste man 588 Mal coronabedingt eingreifen. Die Stadt Konstanz verzeichnete 960 Verstöße. „Die Geldbußen bewegen sich durchschnittlich bei 140 Euro pro Fall“, erklärt Pressesprecher Walter Rügert. Bedeutet: Der Gesamtbetrag liegt bei etwa 134.000 Euro.

Radolfzell streicht die höchsten Bußgelder in der Region ein

Doch damit liegt die größte Stadt am Bodensee keineswegs an der Spitze Südbadens. Die Bußgeld-Trophäe für die höchsten Einnahmen bei Corona-Verstößen geht an Radolfzell. In der beschaulichen Stadt musste das Ordnungsamt zwar nur 258 Mal eingreifen – aber in Summe spülte es fast 195.000 Euro in die Kasse.

Wie kann das sein? Kommunen haben grundsätzlich einen Ermessensspielraum, wie empfindlich Geldbußen sein sollen. Radolfzell nutzt diesen aus und geht streng vor. Neben Verstößen gegen das Kontaktverbot und die Maskenpflicht wurden in der Gastronomie einige Male Hygieneauflagen nicht eingehalten. Die fallen deutlich stärker als andere Verstöße ins Bußgeld-Gewicht. Laut Stadtverwaltung gab es sogar Wiederholungstäter. Einmal musste die Höchststrafe von 25.000 Euro verhängt werden.

Kurios: Meersburg verhängt keine Bußgelder

Die Stadt Meersburg geht einen ganz eigenen Weg. Statt auf Bestrafung setzt man hier auf die Vernunft der Bürger. Kein einziger Euro Bußgeld wurde bisher verhängt. „Wir mussten einfach nicht so weit gehen, Strafen auszusprechen. Wir appellieren eher, wenn es zu einem Verstoß kommt“, sagt Sprecherin Diana Dollinger.

Auch in Waldshut-Tiengen gab es sehr wenige Verstöße gegen die Corona-Verordnung. Nur 150 Bußgeldverfahren wurden eingeleitet. Stephanie Meyer von der Stadtverwaltung glaubt: „Diese erfreulich niedrige Verfahrensanzahl mag auch als Beleg für den funktionierenden Austausch zwischen Bürgerschaft und der öffentlichen Hand gewertet werden.“

372 Bußgeldbescheide im Landkreis Sigmaringen

Obwohl es im Landkreis Sigmaringen zu Beginn der Corona-Krise die meisten Infizierten in der Region gab, wurden zwischen 26. März, also dem Beginn des Lockdowns, bis heute, 372 Bußgeldbescheide erlassen. In Summe kamen 41.000 Euro zusammen. In der Stadt Pfullendorf waren es 157 Verstöße und Geldbußen in Höhe von 15.000 Euro, in Bad Saulgau 314 Verstöße, die mit Bußgeldern geahndet haben.

58.000 Euro Geldbußen im Bodenseekreis verhängt

Im Bodenseekreis zählte man insgesamt 334 Delikte. Rund 58.000 Euro Geldbußen wurden verhängt. In Überlingen sind seit März 273 Bußgeldverfahren eingeleitet und rechtskräftig abgeschlossen worden. In vielen Fällen wurde gegen das Betretungsverbot am Uferbereich in Sipplingen aber auch in Überlingen verstoßen, wo an der Promenade ebenfalls zeitweise ein Betretungsverbot galt.

Sipplingens Ufer-Sperrung vom Landkreis gekippt

Kein Wunder: Erst vor wenigen Tagen beschloss Sipplingens Bürgermeister Oliver Gortat die Strände freitags bis sonntags zwischen 11 und 17 Uhr ganz zu schließen, weil die Menschen die Abstandsregeln nicht einhielten. Am Donnerstag kippte der Landkreis diese Entscheidung mit der Begründung: Gortats Vorstoß sei nicht verhältnismäßig. Nun will der Bürgermeister künftig Autos von außerhalb aus seiner Gemeinde verbannen.

Diese Probleme hat die Stadt Friedrichshafen nicht. Das Ordnungsamt sprach 950 Bußgelder aus. „Aktuell laufen 15 Verfahren gegen Personen, die die Einreisequarantäne nicht eingehalten haben“, sagt Sprecherin der Stadt, Andrea Kreuzer. Der Rahmen für Bußgelder erstreckt sich hier von 150 Euro bis 10.000 Euro.

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Im Landkreis Waldshut verstoßen die Menschen hauptsächlich gegen Maskenpflicht und Abstandsregeln

70 laufende Verfahren wegen Corona-Regel-Missachtung laufen derzeit im Landkreis Waldshut. 89 wurden bereits abgeschlossen. „Anfangs richteten sich die Bußgeldverfahren gegen Verstöße zu Öffnungen von Betrieben sowie Quarantäneverstöße und Ansammlungen von Personen. Derzeit sind es hauptsächlich Verstöße gegen die Maskenpflicht und Abstandsregeln„, erklärt Landratsamtssprecherin Susanna Heim. In Summe kamen Geldbußen von über 28.800 Euro zusammen.

In Villingen-Schwenningen haperte es bei den Kontaktbeschränkungen

243 Bußgeldbescheide und Verwarnungen wurden im Schwarzwald-Baar-Kreis erlassen. Insgesamt 20.000 Euro wurden so eingenommen. In Villingen-Schwenningen gab es 764 Verstöße gegen die Corona-Verordnung seit Beginn der Kontakt- und Abstandsregeln. Die allermeisten, also 656, gehen auf das Konto derjenigen, die sich nicht an die Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum halten wollten. In Donaueschingen bearbeiteten Ordnungshüter 93 Anzeigen. Man kommt insgesamt auf 9.500 Euro Bußgeld.