Streng bewachte Angeklagte, die sich mehrmals an einem Prozesstag einer Leibesvisitation durch die Justiz unterziehen und dafür nackt ausziehen müssen. Ein offenbar tief zerstrittenes Verteidigerteam der Angeklagten Vitalia B., 42-jährige russische Lebensgefährtin von Prinz Reuß, das offen vor Gericht gegeneinander arbeitet. Unvollständige, veraltete oder viel zu spät zugestellte Prozessakten.

Ein Angeklagter, dem kein Ladekabel für seinen Leselaptop im Gefängnis zur Verfügung gestellt wird. Einer, der zwar ein Kabel, aber kein Passwort für den Leselaptop hat. Verteidiger, die bemängeln, kaum Zeit zur Absprache mit ihren Mandanten zu haben.

Der Donnerstag bringt diese Details ans Licht. Es ist der zweite Verhandlungstag im Terror- und Hochverratsprozess gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß und acht weitere Angeklagte in Frankfurt, darunter Johanna Findeisen aus Frickingen im Bodenseekreis, die laut Anklage eine Verschwörung mit dem Ziel eines gewaltsamen Sturzes der Bundesregierung gebildet haben sollen.

„Diese Leibesvisitationen sind mit der Unschuldsvermutung nicht vereinbar. Das lässt mich einigermaßen fassungslos zurück“, sagt Roman von Alvensleben, Anwalt von Heinrich XIII. Prinz Reuß, der hier als Rädelsführer angeklagt ist.

Reuß will aussagen

Von Alvensleben führt auch aus, dass sein Mandant Prinz Reuß gerne aussagen würde. Dass er sagen würde, „zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Gedanken der Gewalt gegen die Bundesrepublik gehegt zu haben“, und dass er, von Alvensleben, gerne darstellen würde, warum er sich bei der Verlesung der Anklageschrift an das Märchen des Rattenfängers aus seiner Heimatstadt Hameln erinnert fühlte. Seitens seines Mandanten habe es keine Gewalttaten gegeben, keiner der Angeklagten habe bislang auch nur wegen einer Sachbeschädigung vor Gericht gestanden.

Die Bundesanwaltschaft wirft neun Männern und Frauen vor, Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese unterstützt zu haben. Prinz Reuß habe dabei als ein Rädelsführer agiert. Es soll ein gewaltsamer Umsturz geplant gewesen sein.

Verteidiger stellen Justiz in Frage

Der Vorwurf eines geplanten Umsturzes aus Sicht für von Alvensleben eine Ansammlung von unzulässigen Wertungen und Mutmaßungen auf Basis vieler unzusammenhängender Mosaiksteine. Dem Gericht wirft er vor, diese Anklageschrift überhaupt akzeptiert zu haben. „Ich habe kein Vertrauen in eine Justiz, die eine solche Vorverurteilung meines Mandanten möglich gemacht hat“, so von Alvensleben.

Reuß-Co-Anwalt Hans-Otto Sieg fordert, den Haftbefehl gegen Prinz Reuß auszusetzen: „Die Anklage verschweigt, dass es keinen konkreten Plan zum Umsturz gab, der realistisch überhaupt umsetzbar war, und wer wann wie wo beteiligt sein sollte. Es hat zu keiner Zeit eine echte Gefahrenlage für die Bundesrepublik bestanden.“

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Verteidigung will Prozess unterbrechen lassen

So endet der zweite Verhandlungstag vor dem achten Strafsenat des Oberlandesgerichtes Frankfurt in der eigens für den Prozess errichteten Außenstelle Sossenheim nach einer erneuten Antragsflut schon am Mittag. Gut möglich, dass der Prozess nun schon kurz nach Beginn erst einmal für ein paar Wochen unterbrochen wird.

Denn fast alle Verteidigerteams beantragen Aussetzung des Verfahrens oder mindestens eine Pause von mehreren Wochen, um auf den aktuellen Aktenstand zu kommen, beklagen vor Gericht teils gravierende Mängel im Informationsfluss und der Verfahrenskommunikation. Angeblich ging den Verteidigerteams erst am Montagabend der Link zu sechs neuen Aktenordnern mit mehreren Tausend Seiten zu.

Beschwerden auch von Findeisen-Verteidigung

Auch Hans Böhme aus Johanna Findeisens Anwaltsteam beklagt, dass seiner Mandantin ein Teil der Akten fehlten und seitens der Justizvollzugsanstalt immer wieder Hemmnisse bei der Vorbereitung in den Weg gelegt würden. „Darauf kann man keine ordnungsgemäße Verteidigung stützen“, beklagt Böhme.

Johanna Findeisen selbst schweigt, wie alle anderen Angeklagten an diesem Tag. Für ihre Verteidiger geht die Anklage gegen die 53-Jährige aus Frickingen und ihre Einordnung in das Verschwörungsszenario sowie in die Nähe von Reichsbürgern völlig fehl.

Der Generalbundesanwalt äußert sich nicht zu den Vorwürfen. Der Vorsitzende Richter verspricht, sich um die rechtzeitige Zustellung von Akten zu kümmern, auch die Frage, ob Leibesvisitationen nötig sind, will er prüfen.