Im Prozess gegen den freigestellten Inspekteur der baden-württembergischen Polizei, Andreas R., hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart am Freitag eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten für den 50-jährigen Angeklagten gefordert.
Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass sich der Angeklagte im November 2021 der sexuellen Nötigung einer jüngeren Polizeibeamtin schuldig gemacht habe.
Zudem wurde beantragt, die Strafe auf zwei Jahre zur Bewährung auszusetzen und eine Geldauflage gegen Andreas R. in Höhe von 16.000 Euro zu verhängen, die hälftig jeweils der Stuttgarter Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt, Wildwasser e.V., sowie der Sozial- und Gerichtshilfe-Einrichtung PräventSozial zugehen soll.
Nebenklage schließt sich an
Nebenklage-Vertreter Holger Rohne aus dem Anwaltsteam der heute 34-jährigen Polizeibeamtin schloss sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft inhaltlich an und verzichtete auf einen eigenen Strafantrag. „Und geht es nicht um ein scharfes Urteil, sondern um die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens“, sagte Rohne anschließend.
Rohne hatte am Freitag noch ein Papier unter den Medienvertretern verteilen lassen, in dem er den Prozessverlauf aus Sicht der Nebenklage zusammenfasste. „Das Gericht hat bis zum Ende der Beweisaufnahme nichts gehört, was den Angeklagten hätte entlasten können. Im Gegenteil“, heißt es darin, und weiter: „Egal, wie das Urteil ausgeht: Der Versuch, die Nebenklägerin zu diffamieren und die Rollen zu tauschen, ist gescheitert. Und wenig überraschend. Opfer ist eben doch nur die Nebenklägerin.“
Das Papier ist als Gegenpol zu einem Pressestatement zu verstehen, das die Verteidigung von Andreas R. schon vor Prozessbeginn im April öffentlich machte und in dem die Nebenklägerin als Lügnerin bezeichnet wurde. Wegen dieser und weiterer Äußerungen über die 34-jährige Beamtin muss sich Ricarda Lang, Strafverteidigerin von Andreas R., zudem seit diesem Donnerstag in einem Zivilverfahren ebenfalls vor dem Landgericht einer Unterlassungsklage stellen.
Verteidigung wird wohl Freispruch fordern
Lang wollte sich im Anschluss an die Plädoyers am Freitag weder zur Strafmaßforderung der Staatsanwaltschaft noch zu ihrem eigenen Schlussantrag äußern. „Das könnte ihr euch denken“, sagte die Strafverteidigerin wenig auskunftsfreudig nach Sitzungsende im Vorbeigehen gegenüber den wartenden Journalisten. Gemäß ihrer im Lauf des Prozesses verfolgten Strategie, Andreas R. als Opfer einer ungerechtfertigten Beschuldigung darzustellen, dürfte mit dieser Äußerung nur die Forderung nach einem Freispruch in Frage kommen.
Auch die Frage, ob Andreas R. von seinem Recht auf eine Schlusswort Gebrauch machte, und falls ja, wie er sich äußerte, ließen die Verfahrensbeteiligten unbeantwortet. Der 50-Jährige, auch an diesem Freitag vor Gericht von seiner Ehefrau begleitet, hatte sich während des seit zweieinhalb Monaten andauernden Verfahrens nicht ein einziges Mal öffentlich geäußert.
Vieles passiert hinter verschlossener Türe
Die Plädoyers selbst, die sich über mehrere Stunden bis zum Freitagnachmittag hinzogen, wurden gemäß Gerichtsverfassungsgesetz unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten. Mitteilungen über die Inhalte sind demnach verboten. Dies schreibt das Gesetz für die Plädoyers und auch für das letzte Wort des Angeklagten zwingend vor, wenn zuvor die Öffentlichkeit bereits ganz oder teilweise ausgeschlossen wurde.
Das war der Fall: Große Teile des Prozesses, etwa die Aussagen des Angeklagten oder der Nebenklägerin, erfolgten zum Schutz der Persönlichkeitsrechte und der Intimsphäre teils der Nebenklägerin, teils des Angeklagten oder einzelner Zeugen, hinter verschlossener Tür. Entsprechend durften auch alle Verfahrensbeteiligten keinen weitergehenden Kommentar zu den Inhalten der Plädoyers abgeben.
Das zu verhängende Strafmaß liegt im Fall eines Schuldspruchs zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Bei einer Verurteilung zu einem Jahr oder mehr würde Andreas R., dem derzeit das Führen der Dienstgeschäfte verboten ist, automatisch aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden. Auch bei einer geringeren Strafe wäre eine Entlassung möglich. An das Strafverfahren schließt sich ein Disziplinarverfahren im Innenministerium an.
Das Urteil vor dem Landgericht soll am kommenden Freitag, 14. Juli, verkündet werden. Immerhin dieses soll nach derzeitigem Stand aber samt Begründung in öffentlicher Sitzung ergehen, wie der Vorsitzende Richter Volker Peterke am Freitag ankündigte: „Dem steht derzeit nichts entgegen.“