Seit Mitte März ist der Einkaufstourismus in unserer Region eingebrochen. Schweizer, die einzig deshalb nach Deutschland einreisen, um dort einzukaufen, müssen bei ihrer Rückkehr mit einer Buße von 100 Franken rechnen. Das trifft die Region hart: In den Landkreisen Waldshut, Lörrach und Konstanz seien allein im Lebensmitteleinzelhandel bis zu 60 Prozent der Einnahmen weggefallen, so der Gewerbeverein „Pro Bad Säckingen„.

Profitieren dafür jetzt Handel und Gewerbe in der Schweiz umso mehr von der eingeschränkten Reisefreiheit? Denn immerhin geben die Eidgenossen laut der Großbank Crédit Suisse jährlich rund zehn Milliarden Franken im Ausland aus, ein Großteil davon fließt in die Nachbarländer wie Deutschland. Wir haben bei den Schweizer Einzelhandelsriesen Coop und Migros sowie den Gewerbeverbänden der grenznahen Kantone Basel-Stadt und Aargau nachgefragt.

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Wie stark hat die Schweizer Lebensmittelbranche von den Grenzschließungen profitiert?

„Seit Ende Februar haben die Warenkörbe unserer Kunden schweizweit spürbar zugenommen“, schreibt Migros-Pressesprecher Marcel Schlatter auf SÜDKURIER-Nachfrage. Auch Coop verzeichnet steigende Umsätze, seit die Grenzen zu Deutschland am 16. März geschlossen wurden. Und das, obwohl weniger Kunden in die Coop-Supermärkte kämen, wie Pressesprecherin Marilena Baiatu betont: „Gleichzeitig kaufen aber Personen, die nach wie vor unsere Supermärkte besuchen, durchschnittlich mehr Produkte ein.“

Vor allem Supermärkte profitieren von den Ausreisebeschränkungen: Die Kasse einer Migros-Filiale in der Stadt St. Gallen Ende März.
Vor allem Supermärkte profitieren von den Ausreisebeschränkungen: Die Kasse einer Migros-Filiale in der Stadt St. Gallen Ende März. | Bild: Ralph Ribi

Dass die Schweizer Lebensmittelbranche von Corona profitiert, bestätigen die Zahlen des schweizerischen Bundesamtes für Statistik, die bisher nur für den Monat März vorliegen: Der Einzelhandel mit Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren konnte demnach allein in diesem Monat ein Umsatzplus von 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielen.

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Konnten vor allem die Läden in der Grenzregion zu Deutschland ihre Umsätze steigern?

Laut Coop-Sprecherin Marilena Baiatu sei in den Grenzregionen eine erhöhte Nachfrage zu spüren. Davon profitieren auch kleinere Lebensmittelgeschäfte, bestätigt David Weber, Sprecher des Gewerbeverbands Basel-Stadt: „Die Kundenfrequenzen im Lebensmittelbereich haben mit der Grenzschließung zugenommen. Es gibt Beispiele von kleinen Lebensmittelgeschäften, die 60 Prozent mehr Umsatz machten.“

Auch im Kanton Aargau haben vor allem die Umsätze bei Lebensmitteln und Haushaltsgeräten zugelegt, sagt der Präsident des Aargauischen Gewerbeverbands, Kurt Schmid. Dahinter stecken für ihn zwei Gründe: „Einerseits die Empfehlungen des Bundes, dass die Bevölkerung zuhause bleiben möge und andererseits die Grenzschließungen.“

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Wie sieht es im restlichen Einzelhandel und der Gastronomie aus?

Im Gegensatz zum Lebensmittelhandel durften die meisten anderen Läden sowie Restaurants und Bars in der Schweiz erst am 11. Mai wieder öffnen. Das hatte Folgen, sagt David Weber vom Gewerbeverband Basel-Stadt: „Gewisse Betriebe konnten mit Online-Shops oder Take-Away-Angeboten einen kleinen Teil des Umsatzes erhalten, andere Betriebe mussten ganz eingestellt werden.“

Nach dem Lockdown am 16. März leerten sich die Schweizer Städte: Das Bild zeigt verlassene Plätze, Straßen und Brücken in der Basler ...
Nach dem Lockdown am 16. März leerten sich die Schweizer Städte: Das Bild zeigt verlassene Plätze, Straßen und Brücken in der Basler Innenstadt am Tag drei des von der Regierung verordneten Stillstandes. | Bild: Kanton Basel Stadt

Seit der Wiedereröffnung aller Läden sei der Einzelhandel in Basel zwar alles in allem gut gestartet, so Weber: „Aber von einer Kompensation der Verluste kann natürlich keine Rede sein.“ Vor allem für die Gastronomie seien die verordneten Schutzmaßnahmen einschneidend, da Restaurants nur noch zwischen einem Drittel und der Hälfte ihrer Plätze belegen könnten.

Im Kanton Aargau ist noch keine Besserung der Situation festzustellen, wie Gewerbeverband-Präsident Kurt Schmid bedauert: „Die Kundenfrequenzen haben bislang nicht derart zugenommen, wie wir dies erwartet haben. Der Luxusmarkt, ein wichtiger Gradmesser, spielt noch nicht.“

Am 11. Mai durften wieder alle Läden in der Schweiz den Betrieb aufnehmen: Wenige Tage vor der Wiedereröffnung trägt ein Mitarbeiter im ...
Am 11. Mai durften wieder alle Läden in der Schweiz den Betrieb aufnehmen: Wenige Tage vor der Wiedereröffnung trägt ein Mitarbeiter im Warenhaus Globus in der Stadt Zürich eine Schaufensterpuppe durch den Laden. | Bild: Alexandra Wey/dpa

Dass in weiten Teilen des schweizerischen Einzelhandels noch lange nicht alles rund läuft, bestätigen die Zahlen des Bundesamtes für Statistik: Obwohl der Lebensmittelbereich stark zulegen konnte, sind die Umsätze im gesamten Einzelhandel im März im Vergleich zum Vorjahr um 5,6 Prozent zurückgegangen, im Bereich „Nicht-Nahrungsmittel“ um 15 Prozent.

Auch bei Coop konnten nicht alle Geschäftsbereiche von Corona profitieren, betont Pressesprecherin Marilena Baiatu: „Aufgrund der temporären Schließung von über 1.000 Non-Food-Geschäften und Gastronomie-Betrieben werden wir die Auswirkungen der aktuellen Situation klar negativ spüren.“

Profitiert hätten aber die Baumärkte und Gartencenter des Einzelhandelsriesen, die bereits Ende April wieder öffnen durften: „Der aktuelle Monat zählt zur Hochsaison von Coop Bau+Hobby. Entsprechend hoch war die Nachfrage und der Nachholbedarf nach der temporären Schließung“, so Baiatu.

Auch Baumärkte und Gartencenter profitieren von den Grenzschließungen: Sie durften bereits am 27. April wieder öffnen. Unser Bild zeigt ...
Auch Baumärkte und Gartencenter profitieren von den Grenzschließungen: Sie durften bereits am 27. April wieder öffnen. Unser Bild zeigt die Gartenabteilung eines Baumarktes in Mels, Kanton St. Gallen, am Tag der Wiedereröffnung. | Bild: Gian Ehrenzeller/dpa

Und was geschieht, wenn die Grenzen voraussichtlich ab Mitte Juni wieder für alle geöffnet sind?

Ob Großverteiler oder Gewerbeverbände: Alle wünschen sie sich, dass die neu gewonnenen Kunden den heimischen Supermärkten und Läden auch nach den Grenzöffnungen treu bleiben. Allerdings rechnet etwa David Weber vom Gewerbeverband Basel-Stadt damit, dass vor allem die Discounter den wieder einsetzenden Einkaufstourismus spüren werden.

Er hoffe, dass ein Teil der Bevölkerung die Vorteile des Einkaufs in der Nähe kennengelernt habe: „Grundsätzlich könnte Corona schon einen positiven Effekt auf die Wertschätzung gegenüber dem lokalen Handel und der Gastronomie bewirkt haben.“ Aber, betont Weber, viele Betriebe in Basel freuten sich auch wieder auf ihre Kunden aus dem Elsass und Südbaden.

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