Stupfen – diesen Begriff, den man nur im Dialekt so schön sagen kann, verwendet Mariele Stiehl (21) aus Tengen (Landkreis Konstanz) immer wieder. Er bedeutet so etwas wie „anstoßen“. Dafür steht Mariele: Dinge anstoßen, von denen andere etwas haben.
Ein Beispiel: Am Schmotzigen Dunschtig holt die Blumenfelder Narrenzunft Kistenfeger den Narrenbaum im Wald. „Aber früher nur die Männer. Für die Frauen gab‘s ein Frauenfrühstück“, erklärt sie.
Hier hat sie gestupft und dafür gekämpft, dass die Frauen auch mit dürfen. 2020 war es so weit. Eine kleine feministische Revolte, die die junge Frau beflügelt. Einmischen lohnt sich, so ihr Fazit.
Praxissemester im Frauenhaus
Mit dieser Energie geht sie auch an ihr Studium der Sozialen Arbeit an der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Danach will sie sich für Kinder, Jugendliche oder Frauen einsetzen. Die Rechte der Frauen sind ihr wichtig.
„Frauen sind strukturell benachteiligt. Gewalt gegen Frauen ein Unding. Dass sie für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer, ist nicht fair“, stellt sie fest. Man müsse die Dinge anpacken. Kein Mensch sollte aufgrund des Geschlechts benachteiligt werden.
Sie spricht von Täter-Opfer-Umkehr, die man nicht stehen lassen darf. Und von Prävention. Dafür will sie sich einsetzen als angehende Sozialarbeiterin. Gelegenheit hat sie dazu. Sie macht ihr Praxissemester im Frauenhaus in Konstanz.
Nur Frauen im Vorsitz des Bürgervereins
Einsatz bringt sie auch als Vorsitzende des Bürgervereins Schloss Blumenfeld. Alle drei Vorsitzenden sind Frauen. „Das ist auch nicht üblich bei Vereinen“, betont Stiehl.
Der Bürgerverein setzt sich für das Schloss im Dorf ein. In diesem alten Gemäuer befand sich früher ein Pflegeheim. Als dies geschlossen wurde, stand das ortsbildprägende Gebäude leer.

Ein kultureller Anziehungsort
Dann rief die Stadt einen „Summer of Pioneers“ aus. Menschen, die digital von überall aus arbeiten können, zogen ins Schloss. Zusätzlich zu ihrer normalen Arbeit brachten sie sich ein.
„Was machen die mit meinem Schloss?“, fragte die Blumenfelderin Mariele Stiehl und klinkte sich schnell in die entstehende Bewegung ein. Das ehemals leerstehende Gebäude wurde zu einem kulturellen Anziehungspunkt.
Monatliche Hofkonzerte
Es gibt inzwischen monatliche Hofkonzerte, Kunstausstellungen und Nachbarschaftsformate. Im Großraumbüro des Schlosses kann man sich zum Coworking treffen. In Blumenfeld mit seinem Laptop Urlaub machen. Also vom Schloss aus arbeiten. Und in der Freizeit den Hegau genießen. Aus der Pionierarbeit entstand die Zukunftsort Schloss Blumenfeld GmbH.
Auch die GmbH steht nicht alleine da. Engagierte Bürger aus Blumenfeld, anderen Orten und vom ebenfalls neu entstandenen Bürgerverein helfen mit. Eine davon ist Mariele Stiehl.
Schlossführungen und Feierabendhocks
Sie bietet Schlossführungen an und organisiert die Feierabendhocks für die Nachbarschaft. Sie will sich weiter einbringen. Für die Zukunft des Schlosses. Für die Menschen in ihrem Dorf. Und für die Frauen und Kinder, die es nicht so gut haben.
Hinter Mariele liegt eine Kindheit in dörflicher Idylle. Sie erzählt, wie sie Kastanien gesammelt und diese dem Damwild bei der Bibermühle gefüttert haben.
Sie hat Erinnerungen an den ehemaligen Bauernhof und an den Wasserfall. Und an den Dorfbrunnen, in dem sie als Kinder gebadet haben. „Der Brunnen ist heute noch das Blumenfelder Schwimmbad“, erklärt sie und schmunzelt.