Ma tuat wamma kaa, aber Mundart verändert sich. Und sie schwindet. Selbst in Baden-Württemberg – Hochburg der Dialekte – finden sich immer weniger Menschen, die sie pflegen, überhaupt noch beherrschen. Hubert Klausmann erforscht sie seit Jahrzehnten und glaubt: Mundart gehört auch an Schulen. Doch hier würden Dialektsprecher immer noch stigmatisiert.
Gründe für den Rückzug des Alemannischen
Dass sich gerade junge Leute immer weniger im Lokalkolorit unterhalten können, zeigen Studien, zum Beispiel die des Tübinger Ludwig-Uhland-Instituts an knapp 13.500 Kindern und Jugendlichen im Land. Woher kommt das, warum ist das so?
Dafür gibt es Gründe, heißt es bei der Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“. Hubert Klausmann leitet sie. Das Alemannische, sagt der Sprachforscher, habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert.
Grundsätzlich handelt es sich hierbei um eine Sprachregion, die südlich von Karlsruhe beginnt und bis in die Schweiz, bis nach Vorarlberg und Liechtenstein reicht und damit geradezu international Dialekte vereint. Selbst das Schwäbische gehört zum Alemannischen, erklärt Klausmann. Auch wenn Schwaben dies nur ungern hörten.

Mit der zunehmenden Mobilität hätte sich auch die Vielfalt der Dialekte verändert. Während sie vor 60, 70 Jahren vor allem ortsspezifisch zahlreich kultiviert wurden, haben sich nach Angaben des Sprachforschers durch den Einfluss des Standarddeutschen inzwischen viele Zwischenebenen gebildet.
Heißt: Die Menschen haben sich angepasst und sprechen in der Fläche Hochdeutsch, allerdings mit regionalen Besonderheiten, die sich nach den Gesprächspartnern oder auch dem jeweiligen Ort richten. „Das irritiert zum Beispiel Schweizer, die immer Dialekt sprechen“, sagt Klausmann. Aber auch Menschen von außen, die Mundart dort vermuten, wo eigentlich keine ist.
Alemannisch schwindet zugunsten des Hochdeutschen
Gerade in seiner Kleinteiligkeit weicht das Alemannische also immer mehr zugunsten des Hochdeutschen, prognostiziert Klausmann. Erhalten blieben Dialekte indes da, wo wenig Mobilität stattfindet, im stabilen ländlichen Raum mit wenig Baugebieten, etwa bei den Winzern. Außerdem natürlich bei den Schweizern, die eben immer im Dialekt sprechen. „Dort wird es so einen Schwund nicht geben.“
Klausmann findet die Entwicklung auf deutscher Seite bedenklich und kritisiert, dass Mundartsprecher nach wie vor diskriminiert werden. Wer nicht Hochdeutsch spricht, werde oft auch benachteiligt, sagt er. Das zeige sich in der Schule bei der Notenvergabe, aber auch im Berufsleben.
Dialekt würde bei uns nur im familiär-vertrauten Bereich verwendet. Gerade in der Schule empfinde man Mundart immer noch provinziell.
„Sprich doch verständlich“, heißt es dann.
„Kannst du dich nicht besser ausdrücken?“
„Wiederholst du das bitte auf Hochdeutsch?“
Dabei können Dialekte wichtig für die regionale Identitätsbildung von Kindern sein, gerade in einer globalisierten und immer stärker vernetzten Welt.
Viele Initiativen, die Dialekte fördern wollen
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat deshalb vor wenigen Jahren eine Dialektinitiative gestartet, die dem Sprachgebrauch des Landes neue Impulse geben soll. Auch sonst fehlt es in Baden-Württemberg nicht an Vorstößen.
Während der neue Dachverband der Dialekte einen mit 50.000 Euro dotierten Mundartpreis ins Leben rufen will, gehen Sprachvereine wie die Muettersproch-Gsellschaft in Bildungseinrichtungen, um das Alemannische direkt in den Alltag der Kinder zu tragen. Isch nooch gau gnua? Wahrscheinlich nicht.
Hubert Klausmann findet, dass der Dialekt gerade in der Schule präsenter sein müsste. In Schulbüchern, im Unterricht, damit er nicht verloren geht. Das Dilemma: Die Lehrer selbst sprechen schon keinen Dialekt mehr. Wie also das Alemannische authentisch weitergeben? Eine Frage, auf die es noch keine Antwort gibt, zumindest nicht institutionell.