Das Landgericht Waldshut-Tiengen hat den 29-jährigen Enrico B. (alle Namen geändert) am Montag zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Martin Hauser sah es als erwiesen an, dass B. im März 2023 seinen ehemaligen Geschäftspartner und Fahrer Antonio T. in einer Ferienwohnung in Stühlingen stundenlang festhielt, misshandelte und bedrohte. Das Urteil lautet auf Geiselnahme in Tateinheit mit Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Was ist passiert?

Am Abend des 7. März 2023 kam es zu dem Vorfall: Antonio T., Fahrer für Enrico B.s Escort-Damen, betrat die Ferienwohnung des Angeklagten und traf dort auf mehrere Männer. Enrico B., überzeugt von einer Affäre zwischen seinem Fahrer und seiner Freundin, fesselte ihn an einen Stuhl und schlug ihn mehrfach. T. solle gestehen.

Später bedrohte er ihn mit einer Schreckschusspistole, die er ihm in den Mund hielt oder drohte damit, ihn mit Säure zu verätzen. Die Anwesenden griffen nicht ein. Antonio T. gestand aber nicht. Erst nach Stunden ließ sein Peiniger von ihm ab und löste die Fesseln.

Der 29-jährige Enrico B. hatte sich unter falschem Namen in der Wohnung am Hochrhein eingemietet. Er wurde in der Schweiz bereits gesucht. Hier flog zuvor in Frauenfeld seine Cannabis-Plantage auf. Er lebte zuerst in Singen, später dann in Stühlingen.

Nach der Geiselnahme setzte sich der Täter in die Schweiz ab, wo er wenige Wochen später festgenommen wurde. Nach einer Haftstrafe wurde er im Juli 2024 nach Deutschland ausgeliefert. Darum wurde der Fall erst knapp zwei Jahre nach der Tat verhandelt.

„Dreifache Strafrahmenverschiebung“

Das Strafmaß fiel am Montag milder aus, als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Diese hatte eine Strafe von fünf Jahren beantragt – abzüglich zwei Monaten, die der Angeklagte bereits in der Schweiz verbüßt hatte. Das Gesetz sieht für Geiselnahme in der Regel fünf bis 15 Jahre vor.

Das Gericht folgte jedoch weitgehend den Argumenten der Verteidigung um Rechtsanwalt Björn Bilidt und Jule Kärcher aus Radolfzell, die nach Abzug der Schweizer Haft noch eine Strafe zwei Jahre forderten, ausgesetzt auf Bewährung.

Bilidt argumentierte vor Gericht für eine dreifache Strafrahmenverschiebung – wegen eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs, der tätigen Reue seines Mandanten (er ließ die Geisel frei) und der verminderten Schuldfähigkeit zur Tatzeit fest. Der Angeklagte hatte eigenen Angaben zufolge vor jener Nacht harten Alkohol getrunken und viel gekokst.

Aussprache jederzeit möglich

Nach Angaben von Bilidt soll es auch das klärende Gespräch zwischen Enrico B. und Antonio T. geben. Der Geschädigte hatte im Prozess betont, dass er weniger an einer finanziellen Entschädigung interessiert sei, sondern das Geschehene verstehen und verarbeiten wolle. Das Treffen sollte eigentlich nach der Haftentlassung stattfinden, könne aber auch jederzeit in der Justizvollzugsanstalt stattfinden, wenn Antonio T. dies wünsche, so Bilidt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verfahren gegen zwei mutmaßliche Komplizen, die in der Nacht dabei gewesen und den Misshandelten später noch daheim bedroht haben sollen, wurde abgetrennt. Es soll bald vor dem Jugendschöffengericht in Waldshut-Tiengen verhandelt werden.