Am Donnerstag heulten in ganz Gammertingen erneut viele Sirenen, es gab Durchsagen und Warnsignale. Betroffen waren diesmal alle Schulen des sonst so beschaulichen Laucherttal-Städtchens mit 6500 Einwohnern. So manchen Gammertinger dürfte dieser Probealarm – nur wenige Tage nach dem Brandinferno beim Reifen-Großhändler Bruno Göggel – erneut aufgeschreckt haben.

Neben dem Geruch von verbrannten Reifen liegen seit Samstag auch viel Unruhe und Verunsicherung der Bevölkerung in der Luft. „Es gibt genügend besorgte Bürger, die sich bei uns und beim Landratsamt gemeldet haben“, sagt der Gammertinger Bürgermeister Holger Jerg dem SÜDKURIER und bittet die Bürger um Verständnis, dass die Antworten eine gewisse Zeit brauchen würden.

Kein Anspruch gegenüber Firma Göggel?
In der Zwischenzeit hat die Stadt 800 Handzettel mit Informationen in den zum Brandort nächstgelegenen Wohngebieten verteilt. Darin sind auch Kontaktdaten einer nordrhein-westfälischen Haftpflichtversicherung der Firma Reifen Göggel angegeben, die für mögliche Schäden Dritter haftet. Irritierend war für einige Empfänger jedoch ein Absatz in dem Schreiben, das suggerierte, man solle sich bei Schäden erst einmal an die eigene Feuerversicherung wenden.
Doch nun stellt Bürgermeister Jerg gegenüber dem SÜDKURIER klar: „Falls jemand wirklich einen Schaden hat, etwa weil seine Photovoltaik-Anlage wegen Ascheteilen nicht mehr (Strom, Anm.) produziert, dann soll er sich an die Schadensabwicklung der Firma Göggel wenden.“
Doch die Sorgen seiner Bürgerinnen und Bürger dürften noch ganz andere sein, nachdem Stadt Gammertingen und Landratsamt Sigmaringen am Montag davor gewarnt hatten, Obst und Gemüse aus dem Garten zu verzehren. Eine verunsicherte Gammertingerin sagte dem SWR-Radio: „Ich habe zwei Salatköpfe von meiner Schwiegertochter gekriegt, die habe ich gleich in den Müll geschmissen. Es ist doch im Radio gekommen, dass man die nicht essen soll.“
„Gesund wird das nicht mehr sein“
Der 16-jährige Dorian Calabrese aus der Gammertinger Nachbarstadt Trochtelfingen sagte dem SÜDKURIER nahe des Brandorts: „Man weiß nie, ob nicht irgendwelche Teilchen von der Explosion verteilt sind. Die ganze Ernte nicht verzehren zu können, wäre schlimm.“ Ein weiterer Gammertinger zeigte sich im SWR-Gespräch enttäuscht: „Wir wollten auf bio machen und selber ernten – gesund wird das nicht mehr sein, definitiv nicht mehr. Da kann man waschen, so viel man will.“

Auch Bürgermeister Jerg räumte gegenüber dem SÜDKURIER ein, dass es Belastungen mit Schadstoffen gegeben habe. „Wenn Reifen brennen, dann wird es auch Freisetzungen geben“, so der Stadtchef.
Zwei von 18 Plätzen mit Rußpartikeln
Jerg habe laut eigenen Angaben alle 18 Spiel- und Sportplätze in Gammertingen untersuchen lassen und nur an zwei Plätzen seien Rußpartikel gefunden worden. „Waschen Sie ihr Auto besser nicht zu Hause, sondern in der Waschanlage, sonst kommen mögliche Schadstoffe beim nächsten Regen runter“, empfiehlt der Bürgermeister.

Eine seiner Mitarbeiterinnen, die nahe des Brandorts wohne, habe ihm berichtet, dass sie auf der Kinderschaukel im Garten Ruß gefunden habe. „Sie hat ihn gleich weggewaschen, lieber Vorsorge treffen“, sagt Jerg.
Zuständige Landrätin bis 21. August in Urlaub
Die Stadt habe auch Hinweise erhalten, dass in der Nachbargemeinde Neufra größere Aschestücke von verbranntem Plastik gefunden worden seien. „Wir haben ein Suchteam losgeschickt und nur an einer Stelle etwas gefunden: Zwei bis drei Plastikteile von einer Verpackungsfolie“, so der Bürgermeister.
Das Landratsamt Sigmaringen und die Firma Reifen Göggel würden allen Hinweisen nachgehen. Die zuständige Landrätin Stefanie Bürkle (CDU) ist jedoch noch bis 21. August in Urlaub, wie aus einer automatischen Abwesenheitsnotiz nach einer Mail-Anfrage des SÜDKURIER hervorgeht.

Wann die Ergebnisse vorliegen
Bürgermeister Holger Jerg würde der Bevölkerung gerne schon „alle möglichen Entwarnungen“ geben. „Alle warten sehnsüchtig auf die Untersuchungsergebnisse des Landratsamts. Sobald die da sind, werden wir die Bevölkerung informieren“, sagt Jerg.
Die Ergebnisse könnten am Wochenende oder zu Beginn der kommenden Woche vorliegen. Erste Schadstoffmessungen der Feuerwehr am vergangenen Wochenende hätten keine überschrittenen Grenzwerte ergeben.