Als „einmaliges Tor zum Donautal„ wirbt die Stadt Mühlheim auf ihrer Homepage für ihre verborgenen Schönheiten. Eine Gruppe von 14 Bürgern nahm diese Ansage allzu wörtlich, als sie am 16. Januar erst gemeinsam wanderte und den Schneegang dann auf einer private Waldhütte ausklingen ließ.
Die Wanderung wurde zum Scheunentor für die Verbreitung des Corona-Virus: 32 Infektionen sind nach bisherigem Stand das Resultat des Ausflugs in die verschneite Landschaft zwischen junger Donau und steilen Kalkfelsen.

Zehn Haushalte feiern in einer Waldhütte
Für das Image der beschaulichen Kleinstadt sowie für den gesamten Kreis Tuttlingen bedeutet der Vorgang ein schwerer Schlag. Die Geselligkeit widersprach wichtigen Corona-Regeln: Die Teilnehmer stammten aus zehn Haushalten, was gegen die Auflagen verstößt. Als Virenschleuder entpuppte sich dann der Abschluss im geschlossenen Raum der Hütte. Der gemeinsame Hock dauerte weit über 20 Uhr hinaus, was der Sperrstunde ab 20 Uhr zuwiderläuft.
Da Mühlheim ein kleiner Ort ist (3600 Einwohner), stieg die 7-Tages-Inzidenz auf den bedenklichen Wert von fast 1000. Inzwischen sei er auf eine Inzidenz von 497 gesunken, berichtet das Landratsamt Tuttlingen mit deutlichem Aufatmen. Der Landkreis beobachtet seine Statistik genau, seitdem die Werte im Herbst 2020 einen hohen Stand erreicht hatten. „Wir waren bereits auf einem guten Weg, den Schwellenwert von 100 zu unterschreiten“, sagte Behördensprecherin Julia Hager. Durch die ungezügelten Ausflügler kletterte er nach oben.

„Es muss wieder Ruhe einkehren“, schreibt der Bürgermeister
Der Bürgermeister der historischen Stadt ist sichtlich genervt von den Vorgängen, zumal alle Regelbrecher aus seiner Kommune stammen. „Ich habe mich seit einer Woche mit fast nichts anderem beschäftigen können, als mit diesem Vorfall. Es ist jetzt genug und es muss wieder Ruhe einkehren“, schreibt der Politiker dem SÜDKURIER auf Anfrage.
Zu einem Gespräch war er nicht bereit; er wolle sich endlich wieder anderen Dingen zuwenden, mailt er kurz. Seitdem die Corona-Zahlen hochgingen steht auch Kaltenbach im medialen Trommelfeuer. Dass Mühlheim weniger mit seinen Naturschönheiten als mit massivem Regelbruch durch die Schlagzeilen geistert, ärgert den Bürgermeister.
Kaltenbach und der Tuttlinger Landrat Stefan Bär dringen auf scharfe Ahndung. In jeweils scharfen Stellungnahmen äußern sie ihren Unmut. „Die Beteiligten haben sich gegenseitig angesteckt und später andere infiziert. Das muss hart bestraft werden“, sagte Kaltenbach der Bild-Zeitung. Die Nachverfolgung gestaltete sich schwierig. Einige der Winterwanderer – Männer und Frauen zwischen 35 und 60 Jahren – zierten sich anfangs mit Details über den eigentlich verbotenen Ausflug.
Leichtsinn oder Absicht? Ortsvorsteher wird deutlich
Emil Buschle wird noch konkreter. Der Ortsvorsteher von Stetten, das an der anderen Seite der Donau liegt, ist wütend. Die Verzweiflung ist ihm deutlich anzumerken. „Da waren welche bei der Wanderung dabei, die leugnen, dass Corona gefährlich ist. Für die ist das nicht schlimmer als ein Schnupfen“, wird er in Medienberichten zitiert. Besonders an einem der Wanderer lässt der langjährige Ortsvorsteher kein gutes Haar. „Das ist bei dem Methode. Der hält sich an nichts.“
Eine Straftat wurde bisher nicht nachgewiesen
Freilich könnte die Gruppe noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen, ohne dass die Teilnehmer hart bestraft werden. „Im Moment haben wir keine Hinweise auf eine Straftat“, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz auf Nachfrage. Der Stand: Regelverstöße ja, aber keine evidenten Straftaten. Die Staatsanwaltschaft sei bisher nicht eingebunden, berichtet die Polizei und verweist anderslautende Meldungen in den Bereich der Legende. „Hier wurde in den vergangenen Tagen viel spekuliert“, wundert sich der Polizeisprecher.
Dazu gehöre auch die Annahme, dass ein Infizierter das Virus in seine Firma getragen hat, obwohl er von seiner Ansteckung gewusst habe. Das sei noch nicht erwiesen, so die Polizei. Mit Bußgeldern müssten die Wanderer aber höchstwahrscheinlich rechnen. „Das kann theoretisch bis in den vierstelligen Bereich hinein gehen“, hieß es.