Die Bilder sorgten deutschlandweit für Aufsehen: Ein 25-Tonnen-Bagger fuhr im sonst beschaulichen Blumberg vor einem Jahr seine Schaufel aus und rammte sie in die Fassade eines brandneuen Wohnkomplexes – immer und immer wieder, bis das Bauwerk mit 31 Wohnungen an der Vorder- und Rückseite verwüstet war.

Im gemieteten Bagger saß der Bauunternehmer Matija P. Er zerstörte ausgerechnet jenes fast vollendete Bauwerk, an dem er selbst monatelang hart gearbeitet hatte. Am Donnerstag (25. August) muss sich der 48-Jährige dafür in Donaueschingen vor Gericht verantworten. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe sowie Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe.

Schätzte die Staatsanwaltschaft Konstanz den entstandenen Schaden zuletzt auf etwa 750.000 Euro, nennt Bauherr Ingo Fangerow im SÜDKURIER-Gespräch nun eine Summe von rund zwei Millionen Euro. „Das hätte ich nie gedacht, aber die Reparaturarbeiten der abgerissenen Balkone waren so komplex“, sagt Fangerow.

Demnach hätten die zerstörten Balkone, weil sie aufgrund ihrer Größe nicht transportfähig waren, vor Ort händisch zerlegt werden müssen. Und für die Wiederherstellung der frei auskragenden Balkone ohne Stützsäulen hätten 650 Einzelbohrungen im Stahlbeton mit einer Tiefe von bis zu einem Meter bewerkstelligt werden müssen. Daraus und aus der Reparatur der ebenso schwer beschädigten Glasfassade im Eingangsbereich hätten sich Kosten von 1,5 Millionen Euro ergeben.
Noch nicht verklagt
Hinzu kämen noch Mietausfälle in Höhe von etwa 350.000 Euro, die jedoch nicht den Berliner Immobilienentwickler, sondern jene zahlreichen Eigentümer treffen, die von ihm eine oder mehrere der 31 Wohnungen gekauft und nun meist als Anlegeobjekt vermietet hätten. „Wir mussten uns ein Jahr mit dieser Baustelle beschäftigen. Inklusive Kosten der Rechtsverfolgung und der Zwischenfinanzierung beträgt der Gesamtschaden nahezu zwei Millionen Euro“, so Fangerow.

Trotz des hohen Schadens habe er den Verursacher, Matija P., zivilrechtlich noch nicht belangt. „Das wollte ich noch prüfen, aber natürlich verklagen wir Herrn P., das machen wir im Anschluss“, sagt der im Hauptberuf als Rechtsanwalt tätige Berliner und meint damit den bevorstehenden Strafprozess. Seine Hoffnungen auf zumindest teilweise Wiedergutmachung des Schadens ist begrenzt.
Strafandrohung über 250.000 Euro
Denn der Wut-Baggerfahrer habe nicht einmal die Verfahrenskosten in Höhe von 5000 Euro für eine einstweilige Verfügung bezahlen können, die Fangerow beantragt hatte. Das Landgericht Berlin hatte den Antrag zunächst abgelehnt. In zweiter Instanz hat das Berliner Kammergericht der einstweiligen Verfügung doch noch stattgegeben.
Sie untersagte P. – bei Strafandrohung von bis zu 250.000 Euro – öffentlich zu behaupten, er habe nicht seinen gesamten, ihm zustehenden Lohn für das Blumberger Bauprojekt erhalten. Fangerow hofft, dass eine Versicherung wenigstens die Hälfte des Schadens ersetzen wird, was noch nicht gesichert sei.

Auch was die mögliche Bestrafung von Matija P. angeht, hat der Berliner Jurist einen eher nüchternen Blick. Der Verursacher werde nicht einmal ansatzweise eine vernünftige Bestrafung erhalten, weil es das Gesetz nicht hergebe. „Für das, was er den Mietern, Eigentümern und mir persönlich – ich habe ein Jahr Lebenszeit verloren – angetan hat, müsste er richtigerweise mehrere Jahre ins Gefängnis, aber das wird nicht eintreten“, so Fangerow.
„Sein wirtschaftliches Leben beenden“
Aus diesem Grund wolle er wenigstens dafür sorgen, dass das wirtschaftliche Leben des Wut-Baggerfahrers in Deutschland beendet werde. „Da es sich um Straftaten handelt, können unsere Ansprüche von zwei Millionen Euro nicht durch ein Konkursverfahren entschuldet werden. Ihm wird bis zur Verdienstgrenze maximal 1000 Euro pro Monat im Leben übrig bleiben – für immer“, so der Bauherr.
Immerhin das Motiv sei ihm klargeworden: Der Bauunternehmer Matija P. habe mit den Baggerattacken schwere Baumängel und Betrugshandlungen vertuschen und Beweise beseitigen wollen. „Die Angriffe richteten sich gegen neuralgische Punkte der Statik, wodurch das gesamte Haus zum Einsturz gebracht werden sollte“, meint Fangerow.
„Ein ganz klarer Fall von Betrug“
Demnach habe ihm der Wut-Baggerfahrer 31 Wohnungstüren zu einem hohen Preis verkauft und eingebaut, die innen jedoch hohl und ein Billigprodukt gewesen seien. „Wir mussten alle 31 Wohnungstüren tauschen, wodurch der Flur und Fliesen beschädigt wurden – ein Riesenschaden. Er (Matija P., Anm.) hat das Billigste vom Billigen genommen – ein ganz klarer Fall von Betrug. Da wird er schon in Geldnot gewesen sein“, vermutet Fangerow.

Außerdem habe dieser bei den Rollläden – anders als für Notfälle vorgeschrieben – keine Antriebe mit Akku eingebaut. Im Brandschutzkonzept stehe das drin. „Bei Feuer in einer Wohnung passiert oft ein Stromausfall. Wenn dann die Jalousie unten bleibt, ist das wie ein Alupanzer – keiner kommt rein und raus“, so Fangerow. Allein durch diese im Brandfall lebensbedrohliche Einsparung habe Matija P. 35.000 Euro an Kosten einsparen wollen, so der Vorwurf.
„Erpresst, ausgenützt und nicht bezahlt“
Der SÜDKURIER hat versucht, P. und seinen Anwalt mit den neuen Vorwürfen zu konfrontieren – eine Reaktion blieb bis Erscheinen dieses Artikels jedoch aus. Im exklusiven SÜDKURIER-Gespräch vor einem Jahr zeichneteMatijaP. ein gänzlich anderes Bild. Er gab als Motiv für seinen Kurzschluss an, jahrelang ausgenützt, erpresst und für seine Arbeit nicht bezahlt worden zu sein, bis er einfach nicht mehr konnte. „Die Berliner“ hätten über seine finanzielle Notlage nach dem Bau eines Seniorenzentrums in Blumberg genau Bescheid gewusst und diese zu ihrem Vorteil ausgenutzt.

Zusatzleistungen über 430.000 Euro seien nicht bezahlt und Preise hinter seinem Rücken bei Lieferanten erfragt und nach unten gedrückt worden, damit er keinen Cent mehr verdiene, so Matija P. Monatelang sei er vertröstet worden, bis zu jenem 28. Juli 2021, an dem er bundesweit als Wut-Baggerfahrer bekannt werden sollte.
Am Ende des Arbeitstages, nachdem auch die Bauabnahme durch das Bauamt erfolgt sei, habe P. gegen 18 Uhr das Geld für die Zusatzleistungen eingefordert. Ingo Fangerow, Geschäftsführer der „Blumberger Sonnenblick Grundwert GmbH“, soll davon nichts wissen haben wollen.
Ein abgekartetes Spiel?
„Der Sinn des monatelangen Vertröstens war, den Wohnkomplex zu beziehen, ohne eine Unterschrift von mir als Bauleiter abzunehmen. Das ist die übliche Masche von Bauträgern. Dann hätte ich lebenslang auf eigene Kosten Mängel beseitigen müssen“, sagte P., der von einem abgekarteten Spiel sprach. Daraufhin sei er mit „1000 Gedanken im Kopf“ in seine Blumberger Arbeitswohnung gegangen, um gegen 19.30 Uhr auf die Baustelle zurückzukommen und den Bagger zu starten.

Ingo Fangerow weist die Vorwürfe - wie in früheren Gesprächen - entschieden zurück. 94 Prozent der Auftragssumme habe er Matija P. bereits bezahlt gehabt, obwohl viele Punkte noch nicht fertiggestellt gewesen seien. „Er war sogar überbezahlt“, sagt Fangerow.
Im SÜDKURIER-Gespräch erwähnt er jedoch auch offene Konflikte, die viel Geld gekostet hätten. „Das große Hauptdach hat er (Matija P., Anm.) dreimal bauen müssen, weil es fachlich immer wieder falsch war, bis es halbwegs gepasst hat. Da hat er in dem einen Bauteil grundlos 200.000 Euro versenkt“, so der Bauherr.
Bauherr zieht auch für sich Konsequenzen
Auch bei den Balkonabdichtungen habe es ähnlich grobe Mängel gegeben. „Er hat in vielen Dingen einfach Kohle verbrannt und vernichtet“, schildert Fangerow. Bei den Balkongeländern habe der Wut-Baggerfahrer eine vierfache Edelstahl-Verschraubung gewählt, obwohl auch eine zweifache gereicht hätte. Denn es mache einen Unterschied, ob nur zweimal in den Stahlbeton gebohrt werden müsse oder viermal.

Als Konsequenz der Ereignisse hat Fangerow für sich entschieden: „Ich ziehe mich komplett aus dem Baumarkt zurück. Ein begonnenes Projekt wird noch fertiggemacht, dann ist es aus. Das Risiko ist viel zu groß“, so der Berliner Anwalt, der beim Prozess in Donaueschingen als einziger Zeuge aus seinem Unternehmen aussagen wird. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.