Franz Untersteller wirkt entspannt unterm Blätterdach des Nürtinger Galgenbergparks. Sein Lieblingscafé im Außenbereich einer früheren Trinkhalle hat ihn mit Limonade und Cappuccino versorgt. Der 67-Jährige ist mit Sonnenbrille und relaxtem Poloshirt erschienen, auf dem Tisch liegen die Schlüssel zum grasgrünen E-Roller nebenan. „Es ist ja nicht so, dass ich jeden Tag von morgens bis abends arbeite“, sagt Baden-Württembergs früherer Umweltminister. „Dann hätte ich nicht aufhören müssen.“

Untersteller hat 2021 einen selbstbestimmten Abschied aus der Politik hinbekommen. Nach der Geburt dreier Enkel war er in sich gegangen. „Ich habe mir überlegt, was willst du eigentlich mit dem Rest deines Lebens?“, erinnert er sich. Seit 1983 im Landtag, erst als parlamentarischer Berater, seit 2006 als Abgeordneter, 2011 dann Minister – trotz guter Aussichten für seine Grünen kündigte er Anfang 2020 an, nach der Legislatur aufzuhören. „Ich wollte einfach auch neue Dinge machen.“

„Ein halbes Jahr keinen Finger gerührt“

Das war zunächst einmal: nichts. Neu genug für einen, der zehn Jahre lang 70 Stunden und mehr in der Woche gearbeitet hatte. Danach verbrachte er Zeit in Mexiko, wo er Familie hat, und rührte ansonsten, wie er sagt, „ein halbes Jahr keinen Finger“.

Man darf das nicht wörtlich verstehen – der Mann mit der Bürstenfrisur hat handfeste Hobbys, wenn er abschalten möchte. Untersteller hat Kurse im Schnitzen mit Kettensäge und zum Bau von Alpinski belegt. Er hat die Familiengeschichte bis zu einem Südtiroler Bauernhof im Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgt und fährt mit seiner Frau jedes Jahr zur Heuernte und zum Wandern in die Gegend. Zu Hause in Nürtingen zieht der gelernte Landschaftsgärtner Stauden und mexikanische Tomatillos. Ein viertes Enkelkind gibt es inzwischen außerdem.

Franz Untersteller im Außenbereich seines Nürtinger Lieblingscafés. Der frühere Landesumweltminister trägt die Farbe seiner Partei.
Franz Untersteller im Außenbereich seines Nürtinger Lieblingscafés. Der frühere Landesumweltminister trägt die Farbe seiner Partei. | Bild: Jens Schmitz

Einer wie er kann nicht ewig dem Müßiggang frönen. 2022 hat der Ex-Minister sich mit einer Beratungsfirma selbstständig gemacht. Er ist außerdem an einem digitalen Marktplatz beteiligt, der Eigentümer von potenziellen Windkraftgebieten mit Projektierern zusammenbringt. Untersteller ist Aufsichtsrat bei der Ferngas Netzgesellschaft bei Nürnberg und unterstützt den Deutschen Energieholzverband in Berlin.

Seine Beraterfunktion beim Mannheimer Energieversorger MVV zur Dekarbonisierung des Wärmesektors hat er im Frühjahr beendet, bevor es wieder zu viel wurde. „Die kamen damals auf mich zu, weil sie gesagt haben: ,Sie sind doch der erste in Deutschland gewesen, der kommunale Wärmeplanung gemacht hat‘“, sagt Untersteller. Und später, mit Blick auf das umstrittene Gebäudeenergiegesetz im Bund: „Also das, was Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck da 2023 aus dem Hut gezaubert hat, das hat Baden-Württemberg 2020 gemacht, und ich meine, man hätte manchen Fehler auch lassen können in Berlin.“

Seine Bilanz kann sich sehen lassen

Untersteller kann auf eine vorzeigbare Bilanz verweisen, neben dem Wärmesektor hat seine Politik im Solarbereich Maßstäbe gesetzt. Baden-Württembergs CO2-Ziele bis zum Jahr 2020 hat er erreicht, auch wenn die Corona-Pandemie dazu beitrug. Unter seiner Ägide wurde die finanzielle Situation von Natur- und Hochwasserschutz deutlich verbessert.

Nicht zuletzt löste Untersteller gemeinsam mit Agrarminister Peter Hauk (CDU) den Konflikt um das Volksbegehren „Pro Biene“, dessen angestrebtes Pestizid-Verbot die baden-württembergische Landwirtschaft bedrohte. Stattdessen einigten sich alle Beteiligten auf ein Biodiversitäts-Stärkungsgesetz, das Vorbildcharakter hat.

Umso fassungsloser hat Untersteller die Bauernproteste im Winter verfolgt. „Wie die Bauern mit dieser Regierung umgegangen sind – wenn ich da noch im Amt gewesen wäre, wäre mir der Kragen geplatzt. Die hätten überall einen Grund gehabt, sowas wie Biberach zu blockieren, aber nicht hier!“

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Bundespolitisch kann Untersteller sich Initiativen zur Befriedung des Endlager-Streits oder für einen höheren CO2-Einstiegspreis zugutehalten. Das größte subnationale Klimabündnis der Erde, die Under2Coalition mit 270 Regionen und Organisationen, war seine Idee.

Er würde sich wünschen, dass Erfolg in der Politik mehr Berücksichtigung findet – „nicht nur Dinge, die nicht funktionieren, oder vermeintliche Skandälchen.“ Untersteller weiß natürlich, dass manche Skandälchen selbst verursacht waren. Ende 2020 war der grüne Minister, der sich für ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen einsetzte, mit einer Geschwindigkeit von 177 Kilometern pro Stunde geblitzt worden. Erlaubt waren an der Stelle nur 120. „Nichts in meinen zehn Jahren hat so viele Schlagzeilen gemacht, egal was es war“, seufzt er heute. Trotzdem ist er dankbar seine Zeit in der Politik. „Für mich war das ein Glücksfall.“