Sie war eine, die gerne das große Rad mit gedreht hat, Dinge bewegen und verändern wollte. 2021 wollte sie Ministerpräsidentin von Baden-Württemberg werden, Winfried Kretschmann ablösen. Dann fuhr Susanne Eisenmann, in der grün-schwarzen Landesregierung seit 2016 Kultusministerin, im März 2021 als CDU-Spitzenkandidatin mit 24,1 Prozent das schlechteste Wahlergebnis ein, das ihre Partei im Land je hinnehmen musste.

Die Verwerfungen mit Teilen der CDU-Spitze brachen nach der Wahl offen aus. Sie stand allein da, viele gingen auf Distanz. Eisenmann übernahm Verantwortung, verkündete unmittelbar nach dem Wahldebakel ihren Rückzug aus der Politik. Symbolisch das Bild nach der CDU-Landesvorstandssitzung, als sich alles um den neuen Hoffnungsträger Manuel Hagel drängte. Eisenmann kam damals zuletzt an den wartenden Presseleuten vorbei. Ganz allein.

Danach wurde es still um sie. Die politische Blase in Stuttgart rechnete damit, dass Eisenmann nach kurzer Übergangszeit wieder mit einem wichtigen Amt auftauchen würde. Sie wurde auch bald wieder aktiv. Aber sie blieb unter dem Radar – bis heute.

Untätig ist sie nicht

Schon bald nach der Wahlniederlage hatte Edzard Reuter, früherer Daimler-Chef, sie für das Engagement bei Helga- und Edzard-Reuter-Stiftung, deren Ziel Völkerverständigung ist, gewonnen. Seit Mai 2023 ist Eisenmann Vorstandsvorsitzende der Stiftung. Zusätzlich ist die 59-Jährige Schirmherrin des Stuttgarter Vereins „Education Unlimited“, der junge Menschen aus Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützt.

Und schließlich ist die Stuttgarterin, frühere Schulbürgermeisterin und Kultusministerin Vorsitzende des Trägervereins der Stuttgarter Waldschule und verfolgt als solche weiter Bildungspolitik im Land hautnah – an 900 Schülern von Grundschule bis Gymnasium.

Andere Zeiten: Thomas Strobl, damals Chef der Landes-CDU, gratuliert Eisenmann zu ihrer Wahl als Spitzenkadidatin für die Wahl 2021.
Andere Zeiten: Thomas Strobl, damals Chef der Landes-CDU, gratuliert Eisenmann zu ihrer Wahl als Spitzenkadidatin für die Wahl 2021. | Bild: Thomas Kienzle

Viel Leerlauf haben ihre Tage nicht. Aber sie lassen Luft für etwas selbstbestimmte Zeit. Ehemann Christoph Dahl, wie sie selbst ein in CDU-Wolle gefärbter Homo Politicus, gerade als Chef der BW-Stiftung in Ruhestand gegangen, hatte fünf Kinder mit in die Ehe gebracht, es gibt mehrere Enkel und einen Hund zu betreuen sowie ihre zehnjährigen Nichten, ein Zwillingspärchen, mit denen sie viel Zeit verbringt.

„Ich genieße es sehr, mehr Zeit für die Familie und für Freunde zu haben, nicht mehr in ein enges Terminkorsett gezwungen zu sein, mit Tagen, die von morgens ums sechs bis nachts um halb zwei gehen“, sagt sie. Und dass ihr nicht mehr aufgedrängt werde, mit wem sie sich auseinandersetzen muss.

Ein Rhythmus, der zuvor 30 Jahre lang ihr Leben prägte, von Mai 1991, ihrem ersten Tag als Büroleiterin des damaligen CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden Günther Oettinger, bis zum Ende ihrer Amtszeit als Kultusministerin im Mai 2021.

„Es geht nicht um Wellness“

Fehlt es ihr nicht, das große Rad in der Politik? Eisenmann überlegt lange, bevor sie antwortet. „Wer am großen Rad drehen will, muss auch bereit sein, auf dieser Ebene zu streiten. Immer für alles einzustehen, es überhaupt niemandem recht machen zu können, unter Dauerfeuer zu stehen, auf unterstem Niveau persönlich angegangen zu werden“, sagt sie in nüchternem Ton. „Der Preis dafür ist hoch. Man bekommt nie etwas zurück, Lob gibt es nicht in dem Metier.“

Sie sei persönlich und privat stabil aufgestellt gewesen. „Politik ist kein Wohlfühlbecken, da geht es nicht um Wellness. Aber das macht schon etwas mit einem. Jetzt bin ich nicht mehr beständig unter Beschuss. Das fehlt mir nicht“, sagt sie.

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Der Grund ihres Rückzugs aus der Politik, sagt sie heute, sei nicht das Scheitern als Spitzenkandidatin gewesen. „Wer sich einer Wahl stellt, kann sie auch verlieren. Da muss man nicht aus der Politik aussteigen. Der Grund waren die Umstände. Wie manche versucht haben, das rettende Ufer zu erreichen, sich ihren Dienstwagen zu sichern. Das war der Punkt für mich zu sagen: Jetzt ziehe ich die Reißleine.“

Austritt aus der CDU? „Warum sollte ich?“

Sie tritt nicht nach, will nicht von der Seitenlinie aus hineinrufen. Nur über die CDU, deren Mitglied sie ist, erlaubt sie sich ein paar öffentliche Sätze. „Ich wurde ja gefragt, ob ich austrete. Warum sollte ich?“, fragt sie. Die CDU ist ihre Partei. „Aber natürlich bin ich nicht mit allem einverstanden.“

Ihr Blick auf Partei und Gesellschaft ist besorgt. Seit sie kein prominentes Amt mehr hat, sprechen Menschen aus ihrem großen Freundeskreis, zudem auch viele Wirtschaftsleute gehören, offener mit ihr, hat sie festgestellt. „Und da nehme ich zum Teil eine Entfernung vom Staat wahr, die mich erschreckt.“

Auch deshalb sagt sie, dass eine moderne konservative Partei wichtiger denn je wäre. Aber das sieht sie gerade nicht in der CDU, nicht im Land, nicht im Bund. „Da geht es mir zu viel um Mehrheiten und zu wenig um konservative Politik. Wenn man immer dahin geht, wo der Wähler gerade ist und was er gerade will, wenn man sich immer anpasst an Strömungen – das halte ich nicht für den richtigen Weg. Und nicht gut fürs Land.“