Wer sich mit dem Ausbau der Gäubahn beschäftigt, wird unweigerlich mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert: Lebe ich da überhaupt noch? Arbeite ich da noch? Die Fragen drängen sich auf, wenn man auf den Zeitplan anschaut, nach dem die Verbindung verbessert werden soll. Bestenfalls in 20 Jahren, irgendwann in den 2040er-Jahren, soll der Ausbau zwischen der Schweizer Grenze und Deutschland abgeschlossen sein.
Für Nutzer der chronisch unzuverlässigen Verbindung sind das schlechte Aussichten. Kann man da nichts machen, kann man da nichts beschleunigen? Doch, sagen die SPD-Politiker Lina Seitzl und Hans-Peter Storz aus dem Kreis Konstanz. Die Bundestagsabgeordnete und der Landtagsabgeordnete haben einen Vorschlag gemacht, von dessen Wirkung auch das Landesverkehrsministerium überzeugt ist.
Grundsätzlich wird schon jetzt der Ausbau des südlichen Abschnitts der Gäubahn geplant, die Bahn fasst darin alle Maßnahmen von Böblingen bis zur Schweizer Grenze zusammen. Die Bahn geht davon aus, dass erst in drei Jahren die Vorplanung für alle Abschnitte südlich von Horb vorliegt. Das Problem, das Storz und Seitzl identifiziert haben: Die Abschnitte unterscheiden sich in ihrer Schwierigkeit stark, unter anderem geht es um einen komplizierten Tunnelbau bei Sulz am Neckar.
Einzelne Etappen vorziehen
Die Idee der SPD-Politiker ist, dass deswegen in der Planung einzelne Schritte vorgezogen werden, die einfacher zu realisieren sind und gleichzeitig schnell Wirkung entfalten. „Dies können nur die beiden sogenannten Doppelspurinseln sein“, erklärt Storz. Damit meint er den 16 Kilometer langen Abschnitt von Sulz bis Epfendorf und den neun Kilometer langen Abschnitt von Rietheim-Weilheim bis Tuttlingen. Sie sind bisher eingleisig und sollen künftig wieder zweigleisig werden.
Storz ist überzeugt, dass dieser Ausbau schon bis in vier Jahren geplant und genehmigt sein könnte, wenn man ab sofort mehr Priorität darauf legt. Das wäre dann deutlich schneller als das Bahn-Vorgehen, dass bis in drei Jahren nur die Vorplanung vorsieht, dann muss eine weitere Finanzierung sichergestellt werden und bis zur Planfeststellung würden hier dann nochmals Jahre vergehen.
Verkehrsministerium sieht mehrere Vorteile
Im Landesverkehrsministerium von Winfried Hermann (Grüne) ist man von dem Vorschlag überzeugt: „Um so bald wie möglich verkehrliche Vorteile für die Reisenden zur erreichen, wäre tatsächlich vor allem die vorgezogene Realisierung des zweigleisigen Ausbaus zwischen Sulz und Epfendorf sinnvoll“, erklärt Sprecher Benjamin Hechler.
Gleich zwei Vorteile sehe man: Es könnte stündlich eine schnelle IC-Verbindung geben, nicht zweistündlich wie heute. Und, gerade für den Schwarzwald reizvoll: „Es würde eine stündliche MEX-Direktverbindung zwischen Stuttgart und Villingen ermöglicht, die sonst nur durch einen sehr umfangreichen Ausbau im Bereich Schwenningen realisiert werden könnte“, so Hechler weiter. Das rege man bei der zuständigen DB InfraGO auch an.
Etwas komplizierter sieht das Ministerium den Ausbau des eingleisigen Abschnitts zwischen Rietheim-Weilheim und Tuttlingen. Dort müsse berücksichtigt werden, dass nach Angaben der DB InfraGO auch der Umbau von vier Haltepunkten erforderlich werden.
Doch wie realistisch ist diese Beschleunigung zumindest zwischen Sulz und Epfendorf? Die Bahn tritt auf die Bremse: Eine vorgezogene Umsetzung sei nicht möglich, „da die Bewertung des Nutzens auf Basis der Fortschreibung des Deutschlandtakts sowie der Zugzahlen 2040 erfolgen muss“, wie eine Bahnsprecherin es technisch formuliert.
Und, da beißt sich die Katze in den Schwanz: Erst wenn die Vorplanung abgeschlossen sei, könne man beurteilen, wie sinnvoll Einzelmaßnahmen sind. Eine Nachfrage, ob die Politik das durch ihr Eingreifen nicht doch vorab beschleunigen könnte, beantwortet die Bahn nicht konkret.
Denn diesen Weg versucht das Landesverkehrsministerium zu beschreiten: „Wir haben uns beim Bund dafür eingesetzt“, sagt Sprecher Hechler und dämpft doch die Erwartungen: „Die Chancen, die Realisierung vorgezogener Maßnahmen auszukoppeln, sind schwer einzuschätzen.“
Einfach einzuschätzen ist dagegen, wann die Gäubahn das nächste Mal nicht durchgängig verkehren wird. Zwischen Freitag, 18. Juli, 22 Uhr und Montag, 21. Juli, 5 Uhr, gibt es zwischen Rottweil und Eutingen wie schon am vergangenen Wochenende nur Schienenersatzverkehr. Was regelmäßige Sperrungen angeht, bleibt die Gäubahn also weiterhin zuverlässig.