„Was verdienst du?“ Das ist oft eine der ersten Fragen, wenn Nathalie Matern (26) als Ausbildungsbotschafterin an Schulen unterwegs ist. Sie ist Schreinermeisterin und liebt ihren Beruf. Der Verdienst ist zweitrangig. „Was nutzt ein hohes Gehalt, wenn der Job keinen Spaß macht?“, will sie von ihren Zuhörern wissen. Das Problem vieler junger Leute: Sie haben keine Ziele. Das hat Matern beobachtet.

Auch deshalb möchte sie fürs Handwerk begeistern, bringt Bilder von ihren Schreiner-Arbeiten mit und räumt mit Vorurteilen auf. Natürlich wird man beim Arbeiten auch mal dreckig, sagt sie. Wenn man alte Küchen ausbaut etwa. Erstaunlich, was da manchmal zum Vorschein komme.

Beim Girls‘ Day an der Schule hat sie mit den Teilnehmerinnen einen Schmuckständer aus Holz gebaut. Zwei Mädchen konnte sie für ein Praktikum in ihrer Schreinerei gewinnen. Am Marianum in Hegne unterrichtet Matern Kinder im Werken.

Ihre Projekte können sich die Schüler aussuchen und unter Anleitung eine Murmelbahn, Schwerter oder einen Klassenbriefkasten bauen. Solche Angebote sollte es an Schulen öfter geben, findet Matern. Nur so könne man die Kinder früh fürs Handwerk begeistern.

Eigentlich wollte sie Architektur studieren

Eigentlich wollte die Konstanzerin Architektur studieren. Oder Kunst. Auf jeden Fall etwas Kreatives. „Ich habe schon immer gerne gezeichnet“, sagt sie. Über 300 ihrer Kinder-Werke hat ihre Mutter aufgehoben. Um bessere Chancen fürs Studium zu haben, wurde ihr geraten, zunächst ein Handwerk zu erlernen.

Nach einem Praktikum bei den Technischen Betrieben Konstanz (TBK) hat Matern sich für die Schreinerei entschieden. Da war sie eine von drei Frauen bei 20 Lehrlingen. „Ich möchte mehr Frauen fürs Handwerk begeistern. Viele von ihnen haben regelrecht Angst davor.“ Zu unrecht, findet sie. Da gehe es nicht mehr in erster Linie um Muskelkraft.

Technische Hilfsmittel erledigen die schweren Arbeiten, Maschinen sind längst nicht mehr so laut und schwergängig wie früher, der Arbeitsschutz werde groß geschrieben. Gerade das Schreinern sei ein sehr kreativer Beruf, schwärmt Matern.

Das Handwerk bietet Vielseitigkeit

Was sie schätzt, ist die Vielseitigkeit. „Ich kann Türen und Fenster einbauen, Böden verlegen und natürlich Möbel bauen: von Tischen, über Sideboards und Stühle bis hin zu Kleiderschränken. Und am Ende sieht man immer, was man geschafft hat.“ Mittlerweile hat sie ihren eigenen Schreinerei-Betrieb „The Woodling“ in der Reichenau Waldsiedlung.

Während ihre männlichen Kollegen während der Ausbildung eher pragmatisch waren, zeichneten sich die Mädchen durch ihre Detailverliebtheit aus. Frauen finden öfter alternative Lösungen, hat die Schreinermeisterin festgestellt.

Frauen sind im Kundenumgang diplomatischer

Und auch im Kundenumgang seien sie oft diplomatischer. Sie rät jungen Menschen, sich nach der Schule erst einmal auszuprobieren. „Die meisten gehen drei oder vier Wege, bevor sich sich für einen Beruf entscheiden“, sagt sie.

Ihr Gesellenstück war ein Sideboard aus Bambus. Zweieinhalb Wochen hatte sie Zeit dafür. Für ihre Meisterprüfung in Ravensburg hat sie ein ähnliches Modell zum Aufhängen angefertigt. Mit einer aufwändig gestalteten japanischen Türfüllung.

Begeisterung für Origami-Objekte

Mit derart filigranen Projekten ist die Handwerkerin dann auch mal 300 bis 400 Arbeitsstunden beschäftigt. Sie sei ein sehr großer Fan japanischen Designs, sagt Nathalie Matern. In ihrer Freizeit faltet sie mit großer Begeisterung Origami-Objekte.

In ihrer nach dem Meisterabschluss gegründeten eigenen Schreinerwerkstatt, „The Woodling“, baut sie am liebsten Küchen. Etwas, das täglich genutzt wird und wo man deshalb schnell feststellt, ob es gut und zweckmäßig gearbeitet ist.

Ihr Lieblingsholz ist Esche

Außerdem kocht sie selbst sehr gern, und weiß, worauf es bei einer guten Einrichtung ankommt. In einer individuell angefertigten Küche aus ihrem Lieblingsholz Esche fährt dann zum Beispiel die Küchenmaschine automatisch aus dem Schrank, und Türen werden platzsparend durch Rollläden ersetzt.

Natürlich hat sie neben der eigenen Küche auch den Rest ihrer Wohnung in der Konstanzer Innenstadt, in der sie mit ihrem Freund zusammenlebt und der ebenfalls Schreiner ist, mit selbst gefertigten Möbeln eingerichtet.

Ob sie es bedauert, nicht studiert zu haben? „Auf keinen Fall“, beteuert Nathalie Matern. „Ich bin froh, dass ich es nicht gemacht habe.“ Sie hätte dann sehr viel Mathe machen müssen, das liege ihr gar nicht. Und nach wie vor ist ihr Beruf auch ihr liebstes Hobby.