Jetzt wird er endlich deutlich mehr Zeit am See verbringen können. Im Weinberg bei Hemmenhofen auf der Höri, den er zusammen mit ein paar Stammtischfreunden und professioneller Unterstützung pflegt. Spätburgunder, eine Liebhaberei. „Ich bin da immer wieder gerne am Werkeln gewesen“, sagt Christoph Dahl. Und da ist ja auch noch sein Segelboot, das im Hafen von Moos liegt und wieder mehr bewegt werden will.

Das an spannenden politischen Stationen reiche Leben von Christoph Dahl, der in ein paar Wochen 71 Jahre alt wird, nimmt in diesen Tagen erneut eine Wendung – mit Kurs auf ruhigere Gefilde, aber wieder frischem Wind in den Segeln. An diesem Dienstag wurde Dahl nach 14 Jahren als Geschäftsführer der Landesstiftung Baden-Württemberg in Stuttgart in den Ruhestand verabschiedet.

Die Landesstiftung 14 Jahre lang geprägt

Dass Regierungschef Winfried Kretschmann in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der BW-Stiftung den tief im CDU-Lager verorteten Dahl mit überaus wertschätzenden Worten verabschiedete, darf durchaus ernst genommen werden.

Dahl habe sich durch großes Engagement und „durch ein feines Gespür für relevante gesellschaftliche Entwicklungen“ ausgezeichnet, lobte Kretschmann am Dienstag, und massiv zur öffentlichen Sichtbarkeit der Stiftung beigetragen. Eine persönliche Wertschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruht, wie Dahl bestätigt.

Langjährige Wertschätzung: Winfried Kretschmann (links), als Ministerpräsident Aufsichtsratschef der BW Stiftung, und Geschäftsführer ...
Langjährige Wertschätzung: Winfried Kretschmann (links), als Ministerpräsident Aufsichtsratschef der BW Stiftung, und Geschäftsführer Christoph Dahl (Mitte), bei einer Aufsichtratsitzung 2018. | Bild: BW Stiftung

Die „Blutgrätsche“ von Mappus

Die Beziehung Dahl-Kretschmann – sie hätte sich einst auch unter ganz anderen persönlichen Werdegängen entwickeln können. Denn Dahl war 2006 als Regierungssprecher ganz dicht dran, als der CDU-Ministerpräsident Oettinger – Teilen seiner Partei weit voraus – nach der Landtagswahl ernsthaft erwog, die Grünen als Koalitionspartner ins Boot zu holen. Deren Landtags-Fraktionschef Winfried Kretschmann hätte damals kaum jemand Kult-Potential attestiert.

Eine „Blutgrätsche“ von CDU-Fraktionschef Stefan Mappus aber beendete jäh die viel diskutierte schwarz-grüne Sondierung. Oettingers Koalitionspartner wurde erneut die FDP, aber die Machtverhältnisse in der CDU hatten sich Richtung Mappus verschoben. Und statt 2006 kleiner Regierungspartner der CDU zu werden, verschwand Kretschmann mit den Grünen wieder in der Opposition. Vorerst.

Immer nahe am Zentrum der Macht

Aber Oettingers Tage im Land waren gezählt und damit auch die von Dahl im Zentrum der politischen Macht. Im Februar 2010 gab Oettinger sein Amt als baden-württembergischer Ministerpräsident auf, der Wechsel als EU-Kommissar nach Brüssel war schon ausgemacht.

Stefan Mappus übernahm die Regierungsgeschäfte im Land. Und für den langjährigen Oettinger-Gefährten Christoph Dahl wurde eine passende Anschlussverwendung außerhalb des neuen – und kaum ein Jahr währenden – Mappus-Machtkosmos gefunden: Als Geschäftsführer an der Spitze der Landesstiftung, ein Amt, das Dahl im Mai 2010 antrat.

Zuvor war der gebürtige Reutlinger, studierte Germanist und Historiker sowie gelernte Journalist nach Stationen bei einer Tageszeitung und im Wirtschaftsministerium fast zwei Jahrzehnte lang an Oettingers Seite und dessen enger Vertrauter gewesen, zunächst (von 1991 bis 2005) als Pressesprecher der CDU-Fraktion im Landtag, ab 2005 als Oettingers Regierungssprecher im Staatsministerium.

Eine enge politische und persönliche Verbindung, die bis heute besteht und auch ins Private wirkte: Dahl heiratete Oettingers damalige Büroleiterin in der Landtagsfraktion, Susanne Eisenmann – die spätere CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021.

Politisches und privates Paar: Susanne Eisenmann, damals Kultusministerin von Baden-Württemberg, und ihr Ehemann Christoph Dahl im Jahr ...
Politisches und privates Paar: Susanne Eisenmann, damals Kultusministerin von Baden-Württemberg, und ihr Ehemann Christoph Dahl im Jahr 2018 beim Landespresseball. | Bild: Marijan Murat

„Eine glückliche Fügung“, nennt Dahl heute den Perspektivenwechsel von 2010. Er schwenkte mit Herzblut auf die neue Aufgabe um, die mit dem Regierungswechsel 2011 unter Kretschmanns Ägide zudem eine neue, überparteiliche Ausrichtung erfuhr und künftig weniger als Auffangbecken für Projekte, für die in den Ministerien kein Geld mehr übrig war, als vielmehr als treibende gesellschaftliche Institution am Puls neuer Entwicklungen fungierte.

In den Bereichen KI-Förderung, Inklusion und Integration unterstützte die BW-Stiftung unter Dahl schon Projekte, als diese Themen noch weit unter dem politischen Radar liefen.

In Sorge um die Demokratie

„Wissenschaft, Gesellschaft, Klima“, nennt Dahl bei einem Gespräch in seinen letzten Amtstagen die Themenbereiche, die aus der Rückschau bei den Stiftungsprojekten unter seiner Ägide die wichtigsten waren. „Auch als Regierungssprecher kann man bestimmte Dinge bewirken. Aber mit der Stiftung kann man wirklich gesellschaftlich etwas bewegen“, sagt Dahl heute.

Zuletzt waren es vor allem die Themen standhafte und wehrhafte Demokratie, Rechtsstaat und politische Bildung, die ihn umtrieben. Entsprechend ist der neue, sein letzter Handlungsschwerpunkt der Stiftung das Thema „Resilienz“, mit verschiedenen Programmen und einem Magazin. „Die Demokratieprogramme, die wir zusammen mit der Landeszentrale für politische Bildung machen, haben für mich höchste Priorität“, sagt Dahl.

Christoph Dahl, Geschäftsführer der BW Stiftung, bei der feierlichen Aufnahme von Stipendiaten im Programm „Talent im Land“ im ...
Christoph Dahl, Geschäftsführer der BW Stiftung, bei der feierlichen Aufnahme von Stipendiaten im Programm „Talent im Land“ im Stuttgarter Neuen Schloss im Februar 2024. | Bild: BW Stiftung/Bjoern Haenssler

Als Geschäftsführer nutzte Dahl das Potenzial der Stiftung auch immer wieder, um schnell auf aktuelle Themen und Erfordernisse einzugehen, bei denen die Politik deutlich länger gebraucht hätte. „Mit der Stiftung konnten wir in bestimmten Bereichen schon Pionierarbeit leisten. In der Corona-Zeit war es zum Beispiel das Covlab, der fahrbare Corona-Testlabor-Truck“, nennt Dahl ein typisches von der Stiftung finanziertes Projekt, „den haben wir losgeschickt, als Testen noch gar nicht flächendeckend möglich war.“

Schnell und flexibel reagierte die Stiftung unter Dahl auch auf die Flüchtlingsbewegungen – mit Stipendien zur Anerkennung beruflicher Qualifikation und Weiterbildung, mit dem Forschungsprojekt „Furchtlos“ an der Uni Konstanz, das sich mit Flüchtlingstraumata befasst; oder auch mit Soforthilfe Stipendien für ukrainische Studierende nach dem russischen Angriff.

Neu im Kuratorium des Kulturforums Mainau

„Das wird mir schon fehlen“, sagt Dahl. „Aber insgesamt habe ich großes Glück gehabt in meinem Leben, ich hatte viele spannende Stationen, es war eine tolle, aufregende Zeit. Und ich habe nie bereut, was ich gemacht habe.“ An Aufgaben und Vorhaben fehlt es ihm auch künftig nicht. Von den fünf Kindern, die Christoph Dahl mit in die Ehe mit Susanne Eisenmann einbrachte, haben die beiden inzwischen „viereinhalb Enkel“.

Hobby-Winzer: Den Weinberg bei Hemmenhofen bewirtschaftet Dahl mit Freunden und Profi-Unterstützung.
Hobby-Winzer: Den Weinberg bei Hemmenhofen bewirtschaftet Dahl mit Freunden und Profi-Unterstützung. | Bild: Christoph Dahl/privat
Spätburgunder und Seeblick.
Spätburgunder und Seeblick. | Bild: Christoph Dahl/privat

Und dem Ehrenamt bleibt Dahl ohnehin verpflichtet. Gerade erst ist eines dazugekommen, das seine Verbindung zum See weiter stärkt: Dahl, seit langem immer wieder zu Gast auf der Mainau und mit der Familie Bernadotte bekannt, kam gerne der Anfrage nach, Kuratoriumsmitglied des Europäischen Kulturforums Mainau zu werden. Am Montag wurde seine Berufung offiziell.