Wildbienen summen durch den Garten am Rheinufer. Ein Gärtner wuchtet eine schwere Schubkarre über den frisch angelegten Acker. Stefan Meier (55), Mitinitiator dieses Gartenidylls, bückt sich und zieht ein Radieschen aus dem Boden: „Die sind jetzt richtig reif und knackig“, freut er sich und zupft weiter.

2016 hat der promovierte Geograf und ausgebildete Theaterpädagoge das Urban-Gardening-Projekt „Stadtoasen“ in Bad Säckingen ins Leben gerufen.

„Auf einer verwilderten Wiese haben wir Bürger hier in Tausenden Arbeitsstunden unseren Garten geschaffen“, sagt er stolz und erklärt das Konzept: „Wer mitschafft, darf auch ernten.“

Beerenbüsche, von Kindergartengruppen gehegte Hochbeete, Kräuterspiralen, blühende Blütenpracht – alles, was das Hobbygärtner-Herz höherschlagen lässt, gibt es hier. Außerdem Asthäufen, Nistkästen und einen Platz der Artenvielfalt, der Lebensraum und Informationen bietet.

Lebenskrise gab die Initialzündung

Dem Verein gehört ein Fairteiler im Schlosspark. „Dafür holen unsere Ehrenamtlichen täglich abgelaufene Lebensmittel von Alnatura und Edeka und stellen sie den Säckingern zur Verfügung“, sagt Meier, „wir haben über die Jahre sicher Hunderte Tonnen vor der Tonne gerettet.“

Meier, der im Aufsichtsrat der Reha-Kliniken und des Awo-Kreisverbandes sitzt, hat mehr als zehn Jahre vier Mal jährlich Repaircafés organisiert, um alte Radios und Räder vor dem Wegwerfen zu retten.

Seit 2024 ist der zweifache Vater und Großvater zusätzlich zu seiner 80-Prozent-Festanstellung als Geograf beim Kanton Aargau im Bad Säckinger Gemeinderat (SPD).

Woher nimmt er die Kraft und Zeit? „Ich war vor etwas mehr als 15 Jahren in einer Lebenskrise – wusste: Ich muss was ändern“, erinnert er sich. Er wollte sein Leben mit neuen, sinnstiftenden Dingen füllen.

Interesse an Nachhaltigkeitsthemen

Als Theater- und Kulturfan gründete er das „junge Theater“ der Festspielgemeinde Bad Säckingen – das er bis heute leitet und mit der er jedes Jahr Stücke auf die Bühne bringt.

Außerdem liest er damals viele Bücher, kommt durch seinen Psychotherapeuten, Freund und Mit-Gründer der Initiative „Murg im Wandel“, Karl Geck, in Berührung mit vielen Nachhaltigkeitsthemen.

„Dort haben wir einen Vortrag zum Urban-Gardening organisiert – also dachte ich: Warum nicht in Säckingen umsetzen? Dann gab es einen Abend zum Thema Repaircafés und ich dachte wieder: Das machen wir mit dem Awo-Ortsverein auch!“

Stadtoasen bekommen Zuwachs

Die Ideen gehen nicht aus: In diesem Jahr haben die Stadtoasen Zuwachs bekommen: Der Acker nebenan wurde gepachtet und ist samt neuem Gewächshaus bepflanzt mit allen Gemüsesorten, die am Hochrhein rund ums Jahr gedeihen.

Solawi Rheinacker heißt der neu gegründete Schwesternverein – das steht für solidarische Landwirtschaft. „Jedes Mitglied bekommt wöchentliche eine Gemüsekiste aus dem – alles garantiert bio, saisonal und hyperregional“, sagt Stefan Meier.

Mit 115 Mitgliedern ist die Stadtoasen-Gemeinde nach Corona-Dämpfer-Jahren so groß wie nie. Solawi hat aktuell 30 Mitglieder und ist offen für mehr. „Wäre doch schade, wenn das frische Gemüse keine Abnehmer findet.“

Weil seine zahlreichen Engagements viel Zeit in Anspruch nehmen, hat er kürzlich die Organisation der Repaircafés abgegeben. Und seine Lebenskrise? „Ist Geschichte“, sagt er. Das Schaffen und Wirken in der Gemeinschaft gebe ihm so viel Kraft. Er weiß jetzt: „Die Menschen denen man begegnet und mit denen man ins Tun kommt – das ist das, was im Leben wirklich zählt!“