Im großen Saal des Konstanzer Landgerichts geht es um Drogen. Vier Kilo Kokain um genau zu sein. Vier Kroaten sollen die Drogen aus Holland über Frankfurt in den Hegau gefahren haben. Tomislav Duzel verteidigt den Kopf der Bande.
Nichts Außergewöhnliches – eher Routine. Der Anwalt aus Konstanz hat schon Schlimmeres gesehen. Mafiosi, die im idyllischen Schwarzwald ihr Geld waschen. Rocker, die an abtrünnigen Mitgliedern grausame Exempel statuieren. Zuhälter, die Prostituierte bis zur Bewusstlosigkeit verprügeln.
Viele Angeklagte haben eines gemeinsam
Was sind das für Menschen, die erbarmungslos und rachsüchtig für ihr eigenes Recht kämpfen? Duzel glaubt: Sie alle vereint ihre unendliche Gier nach mehr. Mehr Geld gleich mehr Einfluss. Mehr Einfluss gleich mehr Macht. Mehr Macht gleich mehr Geld. Ein Strudel, der Mitglieder organisierter Kriminalität in die Untiefen des Verbrechens hinab zieht.
Tomislav Duzel kennt sie alle – beruflich versteht sich. Und darauf ist er stolz. Man merkt dem Anwalt trotzdem an, dass er nur ungern über so manchen ehemaligen Mandanten redet. Diskretion scheint eine besonders wichtige Sprosse auf Duzels Karriereleiter zu sein. Und: „Bei einigen bin ich froh, dass das Kapitel abgeschlossen ist. Sagen wir es so.“
Angst vor Rache? „Das kenne ich nicht“
Angst vor Racheanschlägen wegen einer Verurteilung hat Duzel aber nicht. „Sonst könnte ich meinen Job an den Nagel hängen. Nein, nein. Das kenne ich nicht“, sagt er. Sein Leichtsinn lässt sich erklären. Denn der 50-Jährige stapelt tief. Unseriöse Garantie auf eine geringe Strafe gibt er nie. Nur so viel: „Ich gebe alles für meinen Mandanten, was ich habe. Was am Ende dabei rauskommt, kann man nie vorher wissen.“ Diese Zurückhaltung ist so etwas, wie seine persönliche Lebensversicherung. „Wenn man diesen Fehler macht – und es mag solche Anwälte geben – kann es ungemütlich werden.“

Heute, knapp 20 Jahre nach dem Berufseinstieg in Konstanz, blickt er zurück und sagt: „Dass ich mich um solche Extremfälle kümmern werde, war nicht absehbar. Und ich muss gestehen: vieles war reiner Zufall.“
Alles nur Zufall
Wie das Verteidigen von Rotlicht-Paten zum Beispiel. Duzel lernt einen Mann aus dem Bekanntenkreis kennen. Er arbeitet zufällig als Türsteher in einem Bordell. Sein Chef gerät in die Mühlen der Justiz. Duzel bekommt den Auftrag und gewinnt. Sein Erfolg spricht sich herum. In der Szene setzt man auf Kompetenz und Loyalität. Duzel bringt beides mit und macht sich einen Namen. „Mittlerweile kommen die Mandanten von ganz allein“, erzählt der Mann mit grauem Haar und Poloshirt in einer piekfeinen Bar am Ufer des Bodensees.
Tomislav Duzel wird für seinen eigenwilligen Stil vor Gericht bekannt: Er fechtet Prozesse über Wochen und Monate aus, stellt Anträge für den Umbau des Sitzungssaals und lässt Gutachten in Auftrag geben – wenn nötig.
„Manchmal musst du die Spielregeln, die vor Gericht gelten, eben ausschöpfen, um erfolgreich zu sein. Das ist zulässig, auch wenn das manchmal nicht gefällt. Aber das ist mir egal“, sagt er. Denn an erster Stelle steht immer der Mandant. Und häufig geht seine zermürbende Taktik auf.
Wie man hört, schätzen ihn die Kollegen als fleißigen Arbeiter und gewieften Strategen, der seine juristischen Winkelzüge, wie ein Schachspieler, im Voraus akribisch plant.
„Geld spielt eine untergeordnete Rolle“
Was bleibt ihm auch anderes übrig? Um im Strafrecht zwischen all den durchschnittlichen Advokaten zu bestehen, muss man sich entweder mit weniger Geld als im Zivilrecht zufrieden geben, oder Vollprofi sein. „Ich habe mich damals für die Berufung entschieden. Geld spielt eine untergeordnete Rolle. Heute passt beides. Und ich bin froh, dass es so gekommen ist.“

Daran geglaubt, dass er sich irgendwann zu einem Schwergewicht unter den Strafrechtlern durchkämpfen wird, hat er immer. Selbstbewusst gibt er zu, nachdem er einen Schluck seines geliebten Espressos herunterschluckt: „Ich bin gut in dem, was ich tue. Und wenn man etwas kann, hat man überall Erfolg.“ Die bösen Buben von Konstanz bis Flensburg und Köln bis Chemnitz kennen seinen Namen. Duzel ist immer und überall unterwegs – ein Advokat auf Reisen sozusagen.
Reaktionsvermögen, Spontanität und Improvisation
Vorbereitungen treffen und Emotionen schaffen allein reichen aber nicht, um vor Gericht zu bestehen. Gute von sehr guten Anwälten unterscheidet, findet Duzel, ein ausgeprägter Sinn für Reaktionsvermögen, Spontanität und Improvisation. „Im Prozess kann es plötzlich kippen. Und dann musst du da sein“, sagt er. Gerade wenn Belastungszeugen gegen seinen Mandanten schießen – dann geht Duzel auf Konfrontation. „Dieses Recht habe ich. Und man merkt erst, wenn man nachbohrt, nicht locker lässt, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt.“

Die Königsdisziplin ist und bleibt das Schlussplädoyer. Ein verbaler Schlagabtausch zwischen Verteidiger und Staatsanwalt, der über Sieg oder Niederlage, Freiheit oder Gefängnis, Macht oder Ohnmacht entscheidet. „Die Kunst ist es auf die Gegenseite binnen Sekunden zu reagieren. Und du musst überzeugend sein, eine Aura ausstrahlen“, beschreibt es Duzel.
Nur dann stehen die Chancen gut, dass der Strafjurist erhobenen Hauptes das Parkett des Gerichtssaals verlässt und auch in Zukunft die Größen des Verbrechens vor dem Gefängnis bewahrt.