Herr Prinz von Baden, Ihr Familienname ist zugleich die erste Hälfte des Landesnamens Baden-Württemberg? Wie fühlt sich das an?

Ich wurde da hineingeboren. Für mich war der Name immer normal. Alles andere ist eine Projektion von außen. Ich heiße Baden und bin in Baden geboren, das ist alles.

Ihr Vater ist Max Markgraf von Baden, Ihre Mutter stammt aus der Familie Habsburg. Wurden sie dann bewusst als Adelsspross erzogen oder genossen Sie eine bürgerliche Erziehung?

Da frage ich Sie: Ist die Erziehung eines Hirten auf einer Alm denn bürgerlich? Diese Frage klingt in meinen Ohren seltsam. Ich sage es einmal so: Ich bin hier auf Schloss Salem aufgewachsen. Dieser Ort hat mich mehr als alles andere geprägt: Wenn Sie sich umdrehen, sehen Sie überall historische Dokumente, Bilder der Vorfahren, antike Möbel. So etwas formt einen. Als Mensch stehe ich aber nicht in einem Museum, sondern mit beiden Füßen auf der Erde. Ich bin ein Mensch des 21. Jahrhunderts. Das ist entscheidend.

Sie nannten es gerade Projektion. In der Tat interessieren sich viele Bürger der Bundesrepublik für den Adel und alles, was zwischen Badezimmer und Kaisersaal so passiert. Man könnte meinen, dass manch einem in einer Monarchie wohler wäre.

Ein Stück weit verstehe ich das Interesse. In einer Zeit, die sich extrem schnell wandelt, wollen sich die Menschen fest an etwas knüpfen. Sie suchen historische Verankerung. Durch seine langen Familiengeschichten verkörpert der Adel ein solches Fundament. Staatsrechtlich stellt sich diese Frage natürlich nicht. In Deutschland wird die Staatsform nicht hinterfragt, wir leben in einer Republik, und das mit großem Selbstverständnis.

Stellt Ihnen ihre Herkunft manches Privileg bereit?

Das würde ich so nicht sagen. Alles im Leben hat zwei Seiten. Ich sehe viele positive Seiten, die daraus wachsen. Ich kann Erfahrungen sammeln, die nicht alltäglich sind, sondern durchaus besonders. So konnte ich an der Beerdigung meines Großonkels Prinz Philip auf Schloss Windsor teilnehmen. Und ich habe einen Besitz geerbt, der wertvoller Teil der Region ist. Da kann ich gestalten, und das tue ich gerne. Ich habe aber als Unternehmer gerade in schwierigen Zeiten eine große Verantwortung für Mitarbeiter, für meine Familie und das gesamte historische Erbe. Das sind sehr große Verpflichtungen.

Interview im Schloss Salem (von links): Bernhard Prinz von Baden mit den SÜDKURIER-Redakteuren Walther Rosenberger und Uli Fricker. ...
Interview im Schloss Salem (von links): Bernhard Prinz von Baden mit den SÜDKURIER-Redakteuren Walther Rosenberger und Uli Fricker. – Der Herr auf dem Bild ist Bernhard Gustav von Baden-Durlach, Markgraf und später Kardinal. | Bild: Fricker, Ulrich

Das Interesse an der englischen Königin und ihrer Familie ist enorm. Wie kann man das erklären?

Das ist so, und ich finde es beeindruckend. Im Vereinigten Königreich bestehen Institutionen, die zeigen, dass es neben dem „Mainstream“ auch andere und sehr lebendige Realitäten gibt. Wir sprechen alle häufig von Vielfalt – Traditionen und Werte des englischen Königshauses gehören auch zu dieser Vielfalt. Auch sie prägen das Bild des wunderbaren Europas.

Als sie die Verantwortung von Ihrem Vater übernahmen, waren Sie gerade einmal 27 Jahre alt und unterbrachen Ihr Studium. Sie verkauften drei von vier Schlössern und anderes mehr.

Ja, das war so. Das war damals nicht einfach und eine harte Zeit. Mir half aber die Kraft der Jugend und vielleicht genoss ich auch in so mancher schwierigen Situation eine Art “Welpenschutz“. Ich war jedenfalls risikofreudiger und unverkrampft, und konnte so meine Aufgaben kraftvoll angehen und dabei schnell lernen.

Respektables Anwesen: Das ehemalige Kloster Salem hat das Haus Baden an das Land verkauft. Ein Teil des Schlosses, die Prälatur, gehört ...
Respektables Anwesen: Das ehemalige Kloster Salem hat das Haus Baden an das Land verkauft. Ein Teil des Schlosses, die Prälatur, gehört der Familie noch. | Bild: Schule Schloss Salem

Sie sind umgeben von Ihren Ahnen. In diesem Raum sehen Ihre Ahnen Großherzog Friedrich I. und seine Frau Luise aus ihren goldenen Rahmen auf uns herab. Welche Rolle spielt die Geschichte in Ihrem Leben?

Ich denke sehr historisch. Die Aufgaben, die mir im Alltag begegnen, versuche ich historisch einzuordnen. Für mich ist die Geschichte eine große Hilfe und mancher Vorfahr ein Vorbild.

Ihr Urgroßvater diente als letzter kaiserlicher Reichskanzler 1918. Er moderierte den Abschied von der Monarchie und stärkte das Parlament. Das wurde ihm lange Zeit übelgenommen.

Prinz Max von Baden war an der Beendigung des Ersten Weltkrieges und an der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. maßgeblich beteiligt. Vor ihm habe ich größten Respekt. Er verzehrte sich an einer übermenschlichen Aufgabe und stellte das Wohl des Landes über sein persönliches Schicksal.

Ihre Mitarbeiter sprechen Sie mit Königliche Hoheit an. Tun sie das freiwillig? Oder sind Sie dazu verpflichtet?

Die Adelsprädikate sind abgeschafft worden. Darauf hat man kein Anrecht. Ich fordere das auch nicht ein. Aber es gibt traditionsbewusste Menschen, die diese Anrede fortführen. Andere reden mich als „Herr von Baden“ an, was im übrigen namensrechtlich nicht stimmt. Ich sehe das entspannt. Mit meinem Alltag hat das alles wenig zu tun.

Lange Geschichte mit Licht und Schatten: Bernhard Prinz von Baden, fotografiert im Schloss Salem.
Lange Geschichte mit Licht und Schatten: Bernhard Prinz von Baden, fotografiert im Schloss Salem. | Bild: Fricker, Ulrich

Sie sind auch Unternehmer. Wie würden Sie ihre Rolle im Wirtschaftsbetrieb beschreiben?

Ich bin heute weitaus weniger mit dem Tagesgeschäft betraut als früher. Die operative Führung der Markgräflich Badischen Verwaltung, unter der sich unsere einzelnen Betriebe gruppieren und die unsere wirtschaftlichen Aktivitäten steuert, obliegt meinem Bruder Prinz Michael. Ich bin dabei so etwas wie der Aufsichtsratsvorsitzende und als solcher mache ich mir über strategische Fragen Gedanken. Da geht es beispielsweise um Nachhaltigkeit, ein Thema, das nicht nur für landwirtschaftliche Betriebe wie unsere immer wichtiger wird.

Wo stehen Sie da gerade?

Ich möchte Nachhaltigkeit gestalten und fördern, solange wir in Zeiten des rapiden Klimawandels noch Spielraum haben. Denn ich liebe meine Heimat und ich will sie erhalten; und in gutem Zustand an kommende Generationen weitergeben. Wir haben unseren Ackerbau auf biologisch regenerative Wirtschaftsweise umgestellt. Das heißt wir verzichten nicht nur auf Chemie, sondern vermeiden möglichst, unsere Böden umzubrechen.

In Verbindung mit einer ausgeklügelten Fruchtfolge können wir so das Bodenleben regenerieren und Humus aufbauen. Denn nur dann nimmt der Boden CO2 dauerhaft auf. Die Umstellung ist eine große Herausforderung und mit Einbußen beim Ertrag verbunden. Und meine Familie lebt tatsächlich auch von unseren landwirtschaftlichen Erträgen.

Welche Bedeutung haben dabei die Wälder?

Der Forst ist der wichtigste “CO2-Staubsauger“, den wir in Deutschland haben. Seine Vitalität ist ein Schlüssel für das Klima. In der Forstwirtschaft setzen wir stark auf Baumartenvielfalt, um vitale, zukunftsfähige Waldstrukturen in Zeiten des Klimawandels zu erhalten. Außerdem hat unser Wald in so dicht besiedelten Regionen wie hier auch Erholungsfunktion für die Bevölkerung. Auch das will bei Eingriffen bedacht sein. Im Grunde geht es um die Frage, wie wir unseren Betrieb in Einklang mit Ökologie und gesellschaftlichen Anforderungen weiterhin wirtschaftlich betreiben können.

Herrliche Säle zieren Schloss Salem. Die ursprünglichen Bauherren kamen aus dem Orden der Zisterzienser.
Herrliche Säle zieren Schloss Salem. Die ursprünglichen Bauherren kamen aus dem Orden der Zisterzienser. | Bild: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Mit 135 Hektar besitzen sie eines der größten Privatweingüter Deutschlands. Da wirtschaften Sie aber noch nicht nach Bio-Kriterien?

Wir haben ein acht Hektar großes Bio-Weingut direkt an der Birnau, wo wir ökologische Anbauweisen erkunden und die Erkenntnisse auf andere Parzellen übertragen. Darüber hinaus legen wir umfangreiche Flächen mit schädlingsresistenten Sorten an, um diese für die Verwendung im Hauptbetrieb zu testen. Auf diese Weise konnten wir so einen schonenderen, weil Pflanzenschutzmittel vermeidenden Weinbau deutlich hochfahren.

Aber es stimmt: Der Großteil unserer Flächen wird im Weinbau noch konventionell bewirtschaftet. Im Bodenseeraum haben wir die Herausforderung, dass wir sowohl die Feuchte als auch die Höhe betreffend in einem Grenzgebiet für den Weinbau und besonders für den Bio-Weinbau sind. Das macht es mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit wirklich anspruchsvoll. Leider werden der erhöhte Aufwand und die Ernteausfallrisiken am Markt nicht honoriert. Aber ich bin davon überzeugt, dass der Markt dafür irgendwann kommen wird.

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Gerade in der Landwirtschaft geht der Umstieg auf „Grün“ aber vielen zu schnell. Ihnen nicht?

Mich beschäftigt das Thema gerade tatsächlich extrem. Und ich glaube, dass in diesem Zusammenhang politische Fehler gemacht werden.

Welche?

Nehmen sie ein Beispiel aus dem „Green Deal“ der EU. Selbstverständlich sind Klimaschutz und Artenschutz für uns alle von zentraler Bedeutung. Aber der Beschluss, 30 Prozent der EU-Flächen unter Schutz zu stellen, davon 10 Prozent unter strengen Schutz, wo jede Form von Bewirtschaftung ausgeschlossen werden soll, macht keinen Sinn. Besonders, weil angesichts der bei uns herrschenden Flächenknappheit hauptsächlich Wälder von der Unterschutzstellung betroffen sein werden.

Auch das Salemer Münster gehört inzwischen dem Land Baden-Württemberg.
Auch das Salemer Münster gehört inzwischen dem Land Baden-Württemberg. | Bild: Schloss Salem

Warum ist es sinnlos, Wälder sich selbst zu überlassen?

Ein Wald der nicht bewirtschaftet wird, bindet sehr viel weniger CO2 als nachhaltig bewirtschaftete Forste. Außerdem kann man Biodiversität in einem bewirtschafteten Wald gezielter erhalten und sogar fördern.

Wieso das?

Holz, das wir schlagen, wird beispielsweise zu Möbeln oder Häusern verarbeitet, die das Treibhausgas teils über sehr lange Zeiträume binden. Wenn Wälder durch Zersetzung verfallen, wird CO2 abgegeben. Wenn wir jetzt darangehen, Teile der wichtigsten CO2-Senke stillzulegen, erweisen wir dem Klima einen Bärendienst.

Haben Sie sich nie überlegt, in die Politik zu gehen?

Das wäre nichts für mich. Dafür habe ich zu viel Distanz zur Parteipolitik. Es befremdet mich, dass es so häufig nicht um die Sache zu gehen scheint.

Sie denken sehr stark ökologisch. Gibt es da ein Schlüsselerlebnis, wo sie begannen, über das Verhältnis von Natur und Produktion neu zu denken?

Die Kulturlandschaft ist der Schlüssel. Diese Landschaft zum Beispiel hier im Linzgau liebe ich. Ich betrachte sie als großen Garten, den wir erhalten müssen. Was ich schon an Bäumen gepflanzt habe! Das ist wichtig. Wenn ich sehe, wie die Landschaft zersiedelt wird, erschreckt mich das. Oder beispielsweise das Umsägen von Streuobstwiesen, für das wir aber nicht in erster Linie die Bauern verantwortlich machen sollten. Die Bauern sind völlig in die Defensive gedrängt. Was ein Bauer noch immer für die Gesellschaft leistet, wird viel zu wenig wertgeschätzt. Deshalb müssen wir den Eigentümern von Grund und Boden Anreize liefern, sich für Klima- und Artenschutz zu engagieren. Wir müssen also diese Leistungen in Wert setzen, aber nicht, wie im „Green Deal“ der Europäischen Union, mit pauschalen Stilllegungen. Das ist der falsche Weg.