In Deutschland gibt es immer mehr Alleinerziehende. Beinahe jede fünfte Familie besteht laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus einem alleinerziehenden Elternteil. Auch die 46-jährige Sandra Schmidt ist alleinerziehend, seit der Trennung von ihrem damaligen Mann vor zehn Jahren kümmert sie sich um die beiden Kinder, den 16-jährigen Niko und die 18-jährige Caterina.

"Alleinerziehend als Begründung für alle Probleme zu nennen, halte ich für problematisch", so Schmidt, die aber auch klar stellt, dass sie es ohne die Unterstützung ihrer Eltern nicht geschafft hätte. "Das war damals eine sehr schwere Situation. Plötzlich stehst du finanziell vor dem Nichts, bist seelisch nicht ganz auf der Höhe und musst für die Kinder da sein", erinnert sich die in Bermatingen lebende Mutter. Ihr heutiger Ex-Mann zahlte jahrelang keinen Unterhalt, das Jugendamt musste in Vorleistung gehen. Diesen Vorschuss gab es damals nur für Kinder bis 12 Jahre, 180 Euro pro Kind. Seit 1. Juli 2017 können alleinerziehende Elternteile nun von der Geburt des Kindes an bis zu seiner Volljährigkeit den Unterhaltsvorschuss beantragen und beziehen. Eine Beschränkung auf eine gewisse Dauer oder eine Altersgruppe gibt es nicht mehr.

"In der Hinsicht bin ich sehr froh, dass sich etwas ändern wird", sagt Schmidt. Momentan zahle ihr Ex-Mann zwar Kindesunterhalt, dies könne sich aber jederzeit wieder ändern. Die Gründe dafür kennt sie nicht, sprechen tun beide seit der Trennung nicht mehr miteinander, kommuniziert wird höchstens per WhatsApp. "Das war eine sehr persönliche Geschichte zwischen uns und ging leider zulasten der Kinder." So habe er ihr immer wieder Steine in den Weg gelegt, zum Beispiel einen Pass nicht unterschrieben, sodass die Familie nicht verreisen konnte.

Sandra Schmidt ist gelernte Erzieherin und als Tagesmutter tätig. Gearbeitet hat die 46-Jährige auch während der Ehe, unter anderem im Mehrgenerationenhaus. "Das war mir wichtig, um Geld zu verdienen." Dadurch hatte sie sich ein gutes soziales Netzwerk aufgebaut, das sie in der schwierigen Zeit nach der Trennung unterstützte. Die Miete in dem Haus können sie sich leisten, weil die Eigentümer ihr entgegenkommen. "Da haben wir schon Glück gehabt". Sie weiß aus Gesprächen mit anderen alleinerziehenden Müttern, wie schwierig es ist, passenden und bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Die Organisation des kompletten Familienalltages bleibt an Schmidt hängen. Ob Kindergarten, Schule, Arzt, Versicherungen – die gesamte Verantwortung muss sie tragen. "Das war schon manchmal sehr hart, alles allein entscheiden zu müssen", so Sandra Schmidt, die zu ihren beiden Kindern ein inniges Verhältnis hat. Das merkt man direkt, als Tochter Caterina zum Gespräch hinzustößt. Für die 18-Jährige ist es kein Problem, über die Situation zu sprechen – zu ihrem Vater hat sich ein sehr distanziertes Verhältnis. "Eigentlich habe ich keinen Vater", findet Caterina klare Worte. Sie hat ihren Weg gefunden, damit umzugehen, den Vater habe sie nicht wirklich vermisst, erzählt sie. Die Mutter ist froh, dass ihre Tochter "aufgeräumt ist und mit der Situation abgeschlossen hat".

Ihr Sohn Niko hatte mehr zu kämpfen, suchte häufiger den spärlichen Kontakt zum Vater. Den Unterschied, ob man alleine oder zu zweit erzieht, konnte die 46-Jährige nicht ausgleichen. "Wenn ein Mann bei uns wohnen würden, würde es schon anders zugehen", ist sich Schmidt sicher. Die Vaterrolle habe gefehlt. Dadurch mussten die Kinder früh selbstständig werden, im Haushalt helfen und ihre Wäsche waschen. "Das war aber für alle in Ordnung, und sie haben beispielsweise nie von mir erwartet, dass ich sie zum Training, zur Schule oder zu Freunden fahre." Ihren Kindern gegenüber ist Schmidt immer sehr offen mit allem umgegangen, hat mit ihnen gesprochen und versucht, alles zu erklären.

"Ich wollte immer das gemeinsame Sorgerecht und für die Kinder Eltern bleiben", erzählt Schmidt, was allerdings nicht möglich gewesen sei. "Die Kinder gehen durch die harte Schule des Lebens", möchte sie die Lage nicht schön reden. Allerdings habe man zusammengestanden und ihr, die sich als "stolzen Menschen" beschreibt, sei es wichtig gewesen, nicht beim Amt vorstellig werden zu müssen. "Es ist meine Schuld, ich wollte Kinder, habe mir den Mann rausgesucht und so war auch klar, dass ich auf eigenen Füßen stehen muss, um für meine Tochter und meinen Sohn sorgen zu können."

Von der Gesellschaft wünscht sie sich, nicht als "nicht lebensfähig" hingestellt zu werden, so werden Alleinerziehende von vielen gesehen. "Wir leben unser Leben und sind bis auf die Unterhaltszahlungen finanziell unabhängig", so Schmidt. Abstriche macht sie bei sich selbst, den Kindern soll es an nichts fehlen. Was Sandra Schmidt nervt, sind Aussagen wie "Ist ja kein Wunder, die ist ja alleinerziehend". Wenn die Kinder früher schlechte Noten mit nach Hause gebracht haben, es Probleme oder Streitigkeiten gab, seien die Fehler von außen bei ihr gesucht worden. "Da wurde einem ein Stempel aufgedrückt." Mittlerweile habe sie aber aufgehört, es allen recht machen zu wollen. Sie rät Alleinerziehenden, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

Waltraud Zeller-Fleck (rechts)
Waltraud Zeller-Fleck (rechts) | Bild: Lukas Reinhardt

"Wir nehmen uns Zeit für Gespräche und hören zu"

Waltraud Zeller-Fleck vom Leitungsteam des Mehrgenerationenhauses über Netzwerke, Angebote und Wünsche an die Politik.

Welche Rolle spielt das Mehrgenerationenhaus für Alleinerziehende?

Das Mehrgenerationenhaus (MGH) ist für alle Familien eine offene Anlaufstelle, insbesondere aber für Familien mit einem besonderen Bedarf und dazu gehören Alleinerziehende. Wir nehmen uns Zeit für Gespräche und hören zu. Das MGH bringt eine Vielfalt an Angeboten und Möglichkeiten und insbesondere ein verzweigtes Netzwerk mit ein, sodass für die meisten Belange etwas gefunden werden kann.

Wie können Sie Alleinerziehende unterstützen?

Für Alleinerziehende gibt es spezifische Angebote vom Familientreff, wie den wöchentlichen Treff für Alleinerziehende oder die monatlichen Treffen des „Eltern im Gespräch“-Kreises. Dazu hat das Jugendamt im Bodenseekreis auch die Familientreffs mit den dazugehörigen Fachkräften initiiert und finanziert diese. Seit 2016 bietet das Projekt „Positiv in die Zukunft“ (PiZ), das die Lebensbedingungen für Alleinerziehende verbessern soll, eine Vielzahl von Möglichkeiten. Das Projekt ist von der Baden-Württemberg-Stiftung finanziell gefördert. Die Frauen können die Inhalte von Modulen wie Alltagsmanagement, Beruf, Gesundheit, Kinder, Gesellschaft/Politik und Freizeit größtenteils selbst erarbeiten und geeignete Projekte entwickeln. Ziel ist es, viele Alleinerziehende, die bisher noch nicht erreicht werden konnten, über das Projekt zu informieren und für eine Teilnahme zu gewinnen.

Welche Tipps haben Sie für Alleinerziehende mit der Situation zurechtzukommen?

Jede Lebenssituation ist individuell und daher besonders. Was auf jeden Fall hilfreich und nützlich ist, ist ein Austausch untereinander, der fachlich begleitet wird. Dies führt dazu, dass viele Informationen weitergegeben werden, Erfahrungen geteilt werden können und ein Netz an Kontakten geknüpft werden kann.

In welchen Bereichen haben es Alleinerziehende besonders schwer und was kann man dagegen unternehmen?

Im Bereich Wohnungssuche haben es Alleinerziehende besonders schwer: einen passenden und dazu finanzierbaren Wohnraum zu finden, der dazu wegen öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu ländlich liegt, ist schier unmöglich und nur mit der Bereitschaft der Vermieter, Menschen in diesen Lebenssituationen offen gegenüber zu stehen oder gar unterstützen zu wollen, erreichbar. Alleinerziehende benötigen häufig soziale Transferleistungen wie Wohngeld und Arbeitslosengeld II. Die Anforderungen, die mit der Antragstellung verbunden sind, sind oft eine Hürde und ohne Unterstützung eher schwer zu bewältigen. Alleinerziehende gehören zu den Risikogruppen, die von Armut betroffen sind. Die Teilhabe am sozialen Leben findet oft nur eingeschränkt satt und Alleinerziehende empfinden dies als Ausgrenzung.

Mit welchen Vorurteilen haben Alleinerziehende zu kämpfen?

Oft werden Alleinerziehende als nicht flexible oder verlässliche Arbeitskräfte gesehen. Sie müssen die Kinderbetreuung ohne Partner organisieren und sind umso mehr auf verlässliche Kinderbetreuungsangebote und darüber hinaus auf Notfallbetreuungsangebote angewiesen.

Was würden Sie sich von der Politik wünschen?

An dieser Frage arbeitet die PiZ-Gruppe. Die Mitglieder befassen sich mit Themen, die von besonderer Bedeutung für sie sind. Wichtige Themen sind beispielsweise der Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Randzeiten, Wochenenden und Ferien, Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch Förderung des sozialen Wohnungsbaus, Anerkennung der Leistung von Alleinerziehenden für die Gesellschaft sowie die Verringerung von sozialer Ungleichheit durch Sonderregelungen bei der Anrechnung des Lohnes von Kindern in Ausbildung bei Bedarfsgemeinschaften von Arbeitslosengeld-II-Empfängern.

Fragen: Stefanie NosswitzInformationen im Internet:www.mgh-markdorf.dewww.familien-wegweiser.de