Für manche mag der Betrieb der Familie Schellinger am Ortsausgang von Ahausen Richtung Markdorf ein gewöhnlicher Sägebetrieb mit Holzhandel in der Region sein. Doch die Geschichte dahinter ist ungewöhnlich: Der Familienbetrieb, der seit 100 Jahren besteht und in der sechsten Generation betrieben wird, ist ein Global Player, was den Holzhandel mit Laub- und Nadelhölzern betrifft.

August Schellinger (Zweiter von rechts) vor der Unteren Mühle. Zwischen 1939 und 1945.
August Schellinger (Zweiter von rechts) vor der Unteren Mühle. Zwischen 1939 und 1945. | Bild: Archiv Schellinger

Seine Geschichte ist eng mit den großen Entwicklungen des Containerverkehrs, des Internets und der Globalisierung verknüpft. Aber mit der Finanzkrise von 2008 bekam es die Familie auch mit den Schattenseiten der globalen Marktwirtschaft zu tun.

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Finanzkrise 2008 brachte Einbruch

Die Möglichkeit, Holz international einzukaufen und zu verkaufen, wurde durch die rasante Entwicklung des Containerverkehrs in den 1980 und 90er Jahren lukrativ. „Wir konnten in den USA in großem Stil hochwertige und edle Laubhölzer einkaufen, bei uns verarbeiten und sie unter anderem nach Asien exportieren“, erinnert sich Leo Schellinger, der heute zusammen mit seinem Sohn Matthias das Unternehmen führt.

Sägewerk und Holzhandel mit Tradition: Matthias (links) und Leopold Schellinger führen als sechste Generation gemeinsam den Familienbetrieb.
Sägewerk und Holzhandel mit Tradition: Matthias (links) und Leopold Schellinger führen als sechste Generation gemeinsam den Familienbetrieb. | Bild: Jan Manuel Heß

Doch die Finanzkrise von 2008 breitete sich nicht nur im Finanzsektor aus, sondern traf auch kleine Betriebe, die eigentlich so gar nichts mit der goßen Finanzwelt zu tun hatten, wie den Betrieb Heinrich Schellinger Sägewerk und Holzhandel im beschaulichen Ahausen im Bodenseekreis. „Weltweit sank die Nachfrage nach hochwertigen Hölzern, besonders in Asien, das gut 80 Prozent unseres Exportgeschäfts ausmachte“, erinnert sich Leo Schellinger.

Klimaerwärmung sorgt für Umdenken

Letztlich war es die Nachfrage aus Deutschland, die den Familienbetrieb vor der Pleite rettete und Leo Schellinger veranlasste, den Betrieb neu auszurichten. „Wir konzentrieren jetzt unseren Export mehr auf den europäischen Markt, das ist nachhaltiger.“ Und wegen der Klimaerwärmung würden auch neue Baumarten ins Auge gefasst, wie Matthias Schellinger ergänzt. „Die Bestände der alteingesessenen Arten, wie Lärche, Esche oder Buche, gehen zurück, dagegen kommen Rot-Eiche, Douglasie und Nussbaum besser mit den sich verändernden klimatischen Bedingungen zurecht.“

Im klimatisierten Holzlager lagern rund 2500 Kubikmeter ausgesuchter Hölzer: Ahorn, Apfel, Birke oder Birnbaum aus Deutschland und ...
Im klimatisierten Holzlager lagern rund 2500 Kubikmeter ausgesuchter Hölzer: Ahorn, Apfel, Birke oder Birnbaum aus Deutschland und Europa, aber auch Black Cherry, Hard Maple und Hickory aus den USA. | Bild: Jan Manuel Heß

Für die Esche, die in den vergangenen 20 Jahren das meiste Holz lieferte, wird hingegen fieberhaft ein Nachfolger gesucht. Für Matthias Schellinger fällt das unter aktuelle Marktentwicklung und gehört somit zum Alltag. „Das ist es, was ich an unserem Familienbetrieb so schätze: Durch die Erfahrungen der Verganenheit kann ich heute einen Mittelweg zwischen Tradition und neuen Wegen gehen.“

Schellingers vertikale Bandsäge bei der Arbeit Video: Jan Manuel Heß

Veränderungen hat es immer gegeben

Neuausrichtungen hat es bei Schellingers immer wieder gegeben. 1964 wurde der Betrieb in der Mühle eingestellt. Stattdessen verlagerte man den Arbeitsschwerpunkt auf das Sägewerk. Die Vieh- und Landwirtschaft wurden ebenfalls aufgegeben. Während in den 1960er Jahren hauptsächlich Bauholz produziert wurde, ging man nach und nach zur Verarbeitung hochwertiger Hölzer über.

Eine Kappsäge im XXL-Format: Sie macht aus bis zu drei Meter langen Holzdielen viele kleinere Holzstäbchen.
Eine Kappsäge im XXL-Format: Sie macht aus bis zu drei Meter langen Holzdielen viele kleinere Holzstäbchen. | Bild: Jan Manuel Heß

Mitte der 1970er Jahre sorgte der Straßenbau in Ahausen dafür, dass durch die Verdolung des Mühlbachs das Wasserrad als Energieträger und das Wasser als Transportmedium für das Rundholz aufgegeben werden mussten. „Durch technische Fehler bei der Rohrverlegung kam danach zu wenig Wasser bei uns an, was schließlich zur endgültigen Austrocknung des Mühlenkanals führte“, erklärt Matthias Schellinger. Um weiterhin das Rundholz zu transportieren zu können, musste der Mühlkanal aufgefüllt und eine Krananlage angeschafft werden.

Untere Mühle in Ahausen um 1945, als der Mühlbach noch floss.
Untere Mühle in Ahausen um 1945, als der Mühlbach noch floss. | Bild: Archiv Schellinger

Leo Schellinger erinnert sich noch gut an diese Zeit: „Es war eine lange Durststrecke, bis alle Entscheidungen und Genehmigungen durch die Behörden gefällt waren und wir wieder zum normalen Betrieb finden konnten.“

Das Luftbild von 2019 zeigt das heutige Gelände mit der neuen Werkshalle, links im Bild.
Das Luftbild von 2019 zeigt das heutige Gelände mit der neuen Werkshalle, links im Bild. | Bild: Schellinger

Breiter und flexibler für die Zukunft aufgestellt

Dass weitere Veränderungen auf den Familienbetrieb zukommen, ist Vater und Sohn Schellinger bewusst. Daher wollen sie sich für die Zukunft wappnen und sich breiter und flexibel aufstellen. „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt, dass man nicht nur auf ein Pferd setzen darf. Man muss in der Lage sein, reagieren zu können“, fasst Leo Schellinger zusammen.

Dieser amerikanische Nussbaum wurde vor Ort in den USA ausgesucht und geschlagen. Dann trat er in einem Container seine Reise nach ...
Dieser amerikanische Nussbaum wurde vor Ort in den USA ausgesucht und geschlagen. Dann trat er in einem Container seine Reise nach Ahausen an, wo er in etliche, gut acht Zentimeter starke Dielen zersägt wurde. Was aus einer solchen Diele werden kann, ist oben auf dem Stapel zu sehen: eine Tischplatte, die es so nur ein einziges Mal gibt. | Bild: Jan Manuel Heß

Heute umfasst das Angebot des Betriebs verschiedene europäische und amerikanische Laubrundholzarten, Terrassen- und Bodenbeläge sowie individuell nach Kundenwunsch gefertigte Tischplatten.

Nächste Generation in den Startlöchern

Mit Niklas Schellinger, der gerade seinen Bachelor of Arts Fachrichtung Holzhandel und Betriebswirtschaftslehre absolvierte, und seinem Bruder Robin Schellinger, der bereits die Leitung der Schreinerei innehat, steht auch schon die siebte Generation der Schellingers bereit, um die Familientradition an der Unteren Mühle in Ahausen weiterzuführen.

Die Brüder Robin (links) und Niklas Schellinger wollen den Familienbetrieb an der Unteren Mühle (im Hintergrund) in der siebten ...
Die Brüder Robin (links) und Niklas Schellinger wollen den Familienbetrieb an der Unteren Mühle (im Hintergrund) in der siebten Generation weiterführen. | Bild: Jan Manuel Heß

„Für mich ist es die besondere Mischung, einerseits die Tradition, andererseits die Möglichkeit, eigene Innovationen direkter umzusetzen zu können“, resümiert Niklas Schellinger. Ähnlich sieht es sein Bruder: „Klar trage ich auch mehr Verantwortung, aber gerade hier in unserem Familienbetrieb kann ich unbefangener eigene Ideen umsetzen, als als Angestellter in einem anderen Betrieb.“