Für manche mag der Betrieb der Familie Schellinger am Ortsausgang von Ahausen Richtung Markdorf ein gewöhnlicher Sägebetrieb mit Holzhandel in der Region sein. Doch die Geschichte dahinter ist ungewöhnlich: Der Familienbetrieb, der seit 100 Jahren besteht und in der sechsten Generation betrieben wird, ist ein Global Player, was den Holzhandel mit Laub- und Nadelhölzern betrifft.

Seine Geschichte ist eng mit den großen Entwicklungen des Containerverkehrs, des Internets und der Globalisierung verknüpft. Aber mit der Finanzkrise von 2008 bekam es die Familie auch mit den Schattenseiten der globalen Marktwirtschaft zu tun.
Finanzkrise 2008 brachte Einbruch
Die Möglichkeit, Holz international einzukaufen und zu verkaufen, wurde durch die rasante Entwicklung des Containerverkehrs in den 1980 und 90er Jahren lukrativ. „Wir konnten in den USA in großem Stil hochwertige und edle Laubhölzer einkaufen, bei uns verarbeiten und sie unter anderem nach Asien exportieren“, erinnert sich Leo Schellinger, der heute zusammen mit seinem Sohn Matthias das Unternehmen führt.

Doch die Finanzkrise von 2008 breitete sich nicht nur im Finanzsektor aus, sondern traf auch kleine Betriebe, die eigentlich so gar nichts mit der goßen Finanzwelt zu tun hatten, wie den Betrieb Heinrich Schellinger Sägewerk und Holzhandel im beschaulichen Ahausen im Bodenseekreis. „Weltweit sank die Nachfrage nach hochwertigen Hölzern, besonders in Asien, das gut 80 Prozent unseres Exportgeschäfts ausmachte“, erinnert sich Leo Schellinger.
Klimaerwärmung sorgt für Umdenken
Letztlich war es die Nachfrage aus Deutschland, die den Familienbetrieb vor der Pleite rettete und Leo Schellinger veranlasste, den Betrieb neu auszurichten. „Wir konzentrieren jetzt unseren Export mehr auf den europäischen Markt, das ist nachhaltiger.“ Und wegen der Klimaerwärmung würden auch neue Baumarten ins Auge gefasst, wie Matthias Schellinger ergänzt. „Die Bestände der alteingesessenen Arten, wie Lärche, Esche oder Buche, gehen zurück, dagegen kommen Rot-Eiche, Douglasie und Nussbaum besser mit den sich verändernden klimatischen Bedingungen zurecht.“

Für die Esche, die in den vergangenen 20 Jahren das meiste Holz lieferte, wird hingegen fieberhaft ein Nachfolger gesucht. Für Matthias Schellinger fällt das unter aktuelle Marktentwicklung und gehört somit zum Alltag. „Das ist es, was ich an unserem Familienbetrieb so schätze: Durch die Erfahrungen der Verganenheit kann ich heute einen Mittelweg zwischen Tradition und neuen Wegen gehen.“
Veränderungen hat es immer gegeben
Neuausrichtungen hat es bei Schellingers immer wieder gegeben. 1964 wurde der Betrieb in der Mühle eingestellt. Stattdessen verlagerte man den Arbeitsschwerpunkt auf das Sägewerk. Die Vieh- und Landwirtschaft wurden ebenfalls aufgegeben. Während in den 1960er Jahren hauptsächlich Bauholz produziert wurde, ging man nach und nach zur Verarbeitung hochwertiger Hölzer über.

Mitte der 1970er Jahre sorgte der Straßenbau in Ahausen dafür, dass durch die Verdolung des Mühlbachs das Wasserrad als Energieträger und das Wasser als Transportmedium für das Rundholz aufgegeben werden mussten. „Durch technische Fehler bei der Rohrverlegung kam danach zu wenig Wasser bei uns an, was schließlich zur endgültigen Austrocknung des Mühlenkanals führte“, erklärt Matthias Schellinger. Um weiterhin das Rundholz zu transportieren zu können, musste der Mühlkanal aufgefüllt und eine Krananlage angeschafft werden.
Leo Schellinger erinnert sich noch gut an diese Zeit: „Es war eine lange Durststrecke, bis alle Entscheidungen und Genehmigungen durch die Behörden gefällt waren und wir wieder zum normalen Betrieb finden konnten.“

Breiter und flexibler für die Zukunft aufgestellt
Dass weitere Veränderungen auf den Familienbetrieb zukommen, ist Vater und Sohn Schellinger bewusst. Daher wollen sie sich für die Zukunft wappnen und sich breiter und flexibel aufstellen. „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt, dass man nicht nur auf ein Pferd setzen darf. Man muss in der Lage sein, reagieren zu können“, fasst Leo Schellinger zusammen.

Heute umfasst das Angebot des Betriebs verschiedene europäische und amerikanische Laubrundholzarten, Terrassen- und Bodenbeläge sowie individuell nach Kundenwunsch gefertigte Tischplatten.
Nächste Generation in den Startlöchern
Mit Niklas Schellinger, der gerade seinen Bachelor of Arts Fachrichtung Holzhandel und Betriebswirtschaftslehre absolvierte, und seinem Bruder Robin Schellinger, der bereits die Leitung der Schreinerei innehat, steht auch schon die siebte Generation der Schellingers bereit, um die Familientradition an der Unteren Mühle in Ahausen weiterzuführen.

„Für mich ist es die besondere Mischung, einerseits die Tradition, andererseits die Möglichkeit, eigene Innovationen direkter umzusetzen zu können“, resümiert Niklas Schellinger. Ähnlich sieht es sein Bruder: „Klar trage ich auch mehr Verantwortung, aber gerade hier in unserem Familienbetrieb kann ich unbefangener eigene Ideen umsetzen, als als Angestellter in einem anderen Betrieb.“