„Ob Hautarzt, Orthopäde, Kardiologe, Augenarzt – Termine sind sehr schwer zu bekommen oder überhaupt nicht. Oft gebe ich es auf, stundenlang, sogar tagelang am Telefon in der Warteschleife zu sitzen, um einen Termin zu bekommen“, schreibt uns Leserin Christine Grau aus Überlingen. Sie ist eine von vielen SÜDKURIER-Leserinnen und -Lesern, die sich nach unserer Recherchen zu Hautarztterminen im Bodenseekreis gemeldet haben. Darunter auch chronisch Kranke, sogar Hautkrebspatienten, die berichten, maximal einen Termin pro Quartal zu bekommen – und auch das nur mit Nachdruck.
Streit über neues Gesundheitsgesetz
Im fernen Berlin tobt derweil im Gesundheitswesen seit Wochen ein Streit um das neue GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, mit dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach das 17-Milliarden-Loch der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) stopfen will. Dabei hat er – neben Beitragserhöhungen für gesetzlich Versicherte – auch die Rücklagen der Krankenkassen im Blick.

Krankenkassen kritisieren neues Gesetz hart
Seitens der Krankenkassen gibt es harte Kritik am geplanten Gesetz. „Mit kurzfristigen Scheinlösungen versucht Herr Lauterbach das Problem auszusitzen und die Belastung überwiegend den Beitragszahlenden, also Versicherte und Arbeitgeber, aufzubürden“, sagt Markus Packmohr, Geschäftsführer der AOK Bodensee-Oberschwaben. Dabei verweist er auf die vielen Gesetze und Reformen von Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn, „die die Versorgung der Patienten nicht verbessert, aber die Finanzen der GKV massiv verschlechtert haben“.
Stefan Butz, Vertriebsleiter der BKK ZF Friedrichshafen, ursprünglich als Betriebskrankenkasse für ZF-Angehörige gegründet, betont: „Gesetzliche Krankenkassen sind im Gegensatz zu mancher privaten Krankenversicherung nicht gewinnorientiert, sondern verwalten die Gelder der Versichertengemeinschaft gewissenhaft, um möglichst gute Leistungen zu einem möglichst günstigen Beitrag anbieten zu können.“
Wie helfen die Krankenkassen bei der Terminvergabe?
„Gute Leistungen“ – dazu gehört für viele gesetzlich Versicherte eben auch eine schnelle, unkomplizierte Terminvergabe beim Facharzt. Bei der BKK ZF gibt es beispielsweise im Bereich Gastroenterologie und Kardiologie ein Facharztprogramm, das schnellere Termine ermöglichen soll. Ein solches Facharztprogramm hat auch die AOK Baden-Württemberg.
Bei anderen Fachgebieten, wie beispielsweise der Dermatologie, können sich die Versicherten an die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) wenden, so Butz von der BKK ZF. Dringliche Termine werden innerhalb von vier Wochen vermitteln, nicht dringliche Termine im Zeitraum bis zu drei Monaten. Außerdem gebe es das teledermatologische Angebot OnlineDoctor, bei dem Hautärzte innerhalb von 48 Stunden eine Ferndiagnose stellen und eine Therapieempfehlung geben.

Dem OnlineDoctor haben sich neben der BKK ZF auch die IKK Südwest, die Techniker Krankenkasse (TK) und viele weitere angeschlossen. Die Patienten beschreiben ihre Hautleiden mithilfe eines virtuellen Chat-Assistenten und fotografieren die Hautstelle. Der Hautarzt meldet sich mit einer Diagnose und Tipps zur Therapie. „Dieses Angebot soll den Vor-Ort-Besuch ersetzen. Das Angebot wird gut angenommen: Im Jahr 2021 wurden rund 15.000 Online-Hautchecks durchgeführt – mit steigender Tendenz“, berichtet TK-Sprecher Hubert Forster. Spannend: auch einige Hautärzte aus dem Bodenseekreis beteiligen sich, wie beispielsweise Dr. Moritz Huber aus Friedrichshafen.
Telemedizin – die Lösung für viele Probleme?
Neben klassischer Terminservice-Angebote, wie sie etwa auch die Techniker Krankenkasse anbietet, ist die Telemedizin seit Jahren im Fokus der Krankenkassen. TK-Versicherte können beispielsweise per App mit einem Ärztezentrum in Kontakt treten (telefonisch, per Chat, Video oder per Mail) und sich beraten lassen. Neben allgemeiner medizinischer Beratung gebe es eine volldigitalisierte Fernbehandlung per Videotelefonie, so Forster.
Auch die AOK Baden-Württemberg setzt auf Telemedizin, insbesondere im Bereich der Dermatologie. Im Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) gebe es Telekonsile zwischen Hausarzt und Dermatologen, berichtet Packmohr. Dabei werde die veränderte Hautstelle in der Hausarztpraxis fotografiert. Ein Dermatologe stellt anhand dieser Bilder den Befund.
„Lange Wartezeiten beim Facharzt können so reduziert werden. Dieses AOK BW-Angebot kann Vor-Ort-Besuche beim Dermatologen in vielen Fällen ersetzen und für Entlastung bei Dermatologen sorgen“, erklärt der AOK-Geschäftsführer. Ob Telemedizin für Patientinnen wie Christine Grau aus Überlingen eine Alternative zum Arztbesuch vor Ort ist, bleibt allerdings zweifelhaft.